Frank Zimmer

„Früher war nicht alles besser“ – 7 Fragen an Claudia Schwarz

Claudia Schwarz? Ist das etwa die Claudia Schwarz, die auch …… ?“  – Wer sich mit dem Mittelrhein beschäftigt, hört den Namen so oft, dass er sich fragt, ob es wirklich ein und dieselbe Person sein kann. Man glaubt es irgendwann, weil überall dieselbe Anerkennung und Sympathie mitschwingt. Die langjährige Tourismus-Chefin von St. Goar und spätere Geschäftsführerin der Gebietsvermarktung „Romantischer Rhein“ ist auch im „Ruhestand“ unentbehrlich. Als erfahrene Expertin, als ehrenamtliche Chefin der Touristik-Gemeinschaft „Tal der Loreley“ und als unermüdliche Netzwerkerin, die Menschen und Themen zusammenbringt. Längst wirkt Claudia Schwarz weit über das Tal hinaus: Seit 2015 ist sie Vorsitzende des Vereins „Unesco Welterebestätten Deutschland“ und damit Welterbe-Repräsentantin Nr. 1  in Deutschland. 7 Fragen an eine Mittelrhein-Botschafterin aus Leidenschaft.

Claudia Schwarz. Foto: Privat
Claudia Schwarz. Foto: Privat

Mittelrhein-Touristik ohne Claudia Schwarz ist theoretisch möglich, aber eigentlich undenkbar. Du arbeitest und engagierst dich seit 1973 für das Tal. Die touristische Vergangenheit wird gerne verklärt. War damals wirklich alles besser?

Oh nein, es war nicht alles besser! Besser waren die Angebote in unseren Städten, denn es gab noch viele kleinere Geschäfte mit regionalen/typischen Produkten. Es gab so gut wie keine Leerstände, und es war noch Leben in den Städten, die auch ihr eigenes Flair hatten; auch die Bahnhöfe waren noch besetzt. Touristen (und Einheimische) schauen nicht gerne in leere Schaufenster oder flanieren durch öde Fußgängerzonen.

Meiner Meinung nach hat sich aber Vieles verbessert. Allgemein hat der Tourismus eine bessere Wertschätzung erhalten, einen höheren Stellenwert auch in den kommunalen Gremien, und das Qualitätsbewusstsein hat sich sehr verbessert. Wir haben viele Gastgeber, die eine hervorragende Qualität in ihren Häusern anbieten. 

Unser kulturelles Angebot ist größer und vielfältiger. Wir haben neue touristische Produkte, einen fast durchgängigen Rheinradweg und tolle Wanderwege wie den Rheinsteig und den RheinBurgenWeg. Die Nahverkehrszüge haben eine bessere Taktung, und wir haben neue Gäste gewinnen können. Darüber hinaus hat sich die Medienpräsenz verstärkt, und was mir besonders gut gefällt ist, dass sich das touristische Image des Rheintales sehr verbessert hat.

Du kannst wahrscheinlich unzählige Anekdoten aus den vergangenen Tourismus-Jahrzehnten erzählen. Was waren deine ungewöhnlichsten Erlebnisse?

Ja, da gab es schon einiges, was ich in meiner „Kuriositätenmappe“ gesammelt habe; viele nette und lustige Briefe. Ich erinnere mich noch sehr gut an ein kleines Päckchen aus Amerika, das der Postbote im Sommer 1993 in die Touristinfo brachte.  Darin lag ein fast faustgroßer Stein und dieser anonyme Brief: 

„In 1985 I toured the castle burg rheinfels. I took this stone from the castle, knowing I shouldn’t. I have had 8 years of very bad luck, and it has always occured to me that it may be related to taking this stone. Please return this to the castle wall. I am sorry for taking it and hope it will rest in its home once again, where it should have stayed.“

(1985 besuchte ich die Burg Rheinfels. Ich nahm diesen Stein von der Burg mit, obwohl ich wusste, dass ich es nicht durfte. Ich hatte seitdem 8 Jahre langt viel Pech, und es kam mir immer so vor, dass es mit der Wegnahme dieses Steins zusammenhängen könnte. Bitte bringen Sie ihn wieder zurück zur Burgmauer. Es tut mir leid, dass ich ihn dort weggenommen habe und ich hoffe, dass er noch einmal an seinem alten Platz findet, wo er auch besser geblieben wäre).

Als abergläubiger Wassermann habe ich den Absender natürlich gut verstanden, zumal auch ich viel Pech hatte in der kurzen Zeit, in der der Stein auf meinem Schreibtisch lag.  Zusammen mit Theater Fundus aus Simmern haben wir dann am Vorabend von Tal Total den Stein in einer passenden Zeremonie im Innenhof des Burgbrunnens auf Rheinfels versenkt. Ich hoffe, dass der Absender des Päckchens auch gespürt hat, dass der  Stein zurückgekehrt ist.

Und dann gab es noch ein besonderes Ereignis. Ich erhielt einen Anruf von der Reederei Aventura aus Mainz. Frau Weißenstein bat mich, zu veranlassen, dass der Möwendreck auf dem städtischen Steiger in St. Goar entfernt würde. Hermann Dehler (ich dachte gleich an die Thomas-Dehler-Stiftung) würde einen Privatausflug unternehmen und es sollte doch alles ordentlich sein, auch wenn der Ausflug rein privater Natur und ohne Öffentlichkeit und Presse sei. Ein paar Tage später sah ich dann ein ziemlich unscharfes Foto in der Zeitung, das zufällig entstanden war. Darauf zu sehen war Nelson Mandela, der alleine über den (fast sauberen) städtischen Steiger ging… Ich hätte ihn gerne begrüßt!

Heute gibt es unterschiedliche Tourismus-Organisationen, und ihre Namen klingen manchmal verwirrend. Ich habe selbst eine Weile gebraucht, bis ich den Unterschied zwischen „Loreley-Touristik“ und „Tal der Loreley“ verstanden habe. Dann gibt es noch den „Romantischen Rhein“ als Überbegriff. Möchtest du die Struktur kurz erklären?

Das mache ich sehr gerne. Wir haben eine Art touristische Hierarchie in Rheinland-Pfalz, die den unterschiedlichen Akteuren verschiedene Aufgaben zuteilt.

Für den Tourismus in Rheinland-Pfalz zuständig ist die Rheinland-Pfalz-Tourismus GmbH (RPT), die ihren Sitz in Koblenz hat. Gesellschafter der RPT sind die Regionen des Landes bzw. deren Regionalagenturen. 

Das Rheintal wird vertreten durch die Romantischer Rhein Tourismus GmbH (RRT), die auch in Koblenz sitzt. Sie ist zuständig für das Rheintal von Bingen/Rüdesheim bis Remagen/Linz. Gesellschafter dieser GmbH sind die Stadt Koblenz, der Verein „Romantischer Rhein vom Drachenfels zum Deutschen Eck“ und die Touristikgemeinschaft Tal der Loreley.

Da die Romantische Rhein Tourismus GmbH  für das gesamte Tal zuständig ist und dem Welterbe Oberes Mittelrheintal keinen Sonderstatus in der Vermarktung gewähren kann, kümmert sich das „Tal der Loreley“ in Abstimmung mit dem Zweckverband um die touristische Inwertsetzung der UNESCO-Anerkennung und nutzt die vielfältigen Möglichkeiten, die sich bieten. Mitglieder der Touristikgemeinschaft  Tal der Loreley sind alle Kommunen des Welterbetals und touristische Leistungsträger.

Und dann gibt es noch die örtlichen Touristinformationen, die für den Gast vor Ort zuständig sind. Viele Touristinformationen  gehören zur jeweiligen Stadtverwaltung. Es gibt aber auch Ausnahmen wie z. B. in Rhens; hier ist die Verbandsgemeinde Rhein-Mosel verantwortlich. In der Verbandsgemeinde Loreley gibt es den Verein „Loreley-Touristik e.V. von der Marksburg bis zur Pfalzgrafenstein“, der für den Tourismus in der VG zuständig ist. Dieser Verein ist meiner Meinung nach prädestiniert, um ein Tourismus-Service-Center  (TSC) auf dem Loreley-Plateau einzurichten, das für die Loreley-Region zuständig sein sollte.  Aktuell hat noch jede Gemeinde in der Verbandsgemeinde Loreley ihre eigene Touristinformation.

Wie nennst du die Region eigentlich selber, wenn man dich nach deiner Heimat fragt?

Da ich meistens für meinen Welterbestätten-Verein unterwegs bin, komme ich „aus dem Welterbe Oberes Mittelrheintal, aus St. Goar am Rhein“. „Wie schön!“ erhalte ich dann zur Antwort. 

Zu den unterschiedlichen Namen für das Gebiet rund um die Loreley ist 2002 noch ein weiterer hinzugekommen: „Welterbe-Tal“. Du bist Vorsitzende des Vereins der deutschen Welterbe-Stätten. Wie wichtig ist das Unesco-Prädikat für das Obere Mittelrheintal?

Die Anerkennung als Unesco-Welterbe war ein Segen für das Rheintal! Alle Projekte hier aufzuzählen,  die aufgrund dieses Status in der Region realisiert wurden,  würde den Rahmen sprengen. Nicht nur der Tourismus, auch Kultureinrichtungen, der Weinbau bis hin zu Infrastrukturprojekten in den Kommunen konnten schon alle von Fördermitteln profitieren.  Ich bin überzeugt, dass es ohne die Unesco-Anerkennung keine Landesgartenschau in Bingen und keine Bundesgartenschau in Koblenz oder eine Buga 2029 gegeben hätte bzw. geben würde. Wir profitieren von neuen Netzwerken und Kooperationen.

So ist beispielsweise das EU-Projekt der World Heritage Journeys  eine großartige Chance für unser Welterbetal. Diese Partnerschaft mit der Unesco, National Geographic und der EU beschert uns eine weltweite Sichtbarkeit/Präsenz, die wir mit unseren Mitteln nie hätten finanzieren können. Ich denke, die positive Entwicklung wird auch in den nächsten Jahren weitergehen.   

Was es ohne die Anerkennung auch nicht geben würde, wäre der „Journalistische Blog über das Unesco-Welterbe Oberes Mittelrheintal  – Mittelrheingold“. Das wäre wirklich sehr schade!   

Vielen Dank, das ist sehr nett. Der Welterbe-Titel wird aber manchmal auch kritisiert. Angeblich hemmt er die Entwicklung der Region. Einige sprechen von der „Unesco-Diktatur“, die eine „Käseglocke“ über das Tal stülpen wolle. Was sagt du dazu?

Da verweise ich auf meine Antwort zur vorherigen Frage. Wir profitieren sehr von der Anerkennung. Es ist eine großartige Auszeichnung, die aber natürlich auch eine Verpflichtung ist. Wir zählen zum „Erbe der Menschheit“, das müssen wir verinnerlichen. Natürlich sind wir verpflichtet, unser Welterbe auch für zukünftige Generationen zu erhalten, und da ist nicht alles möglich.  Der Unesco ist schon bewusst, dass wir in einer Kulturlandschaft leben, die auch vom Menschen weiter entwickelt wird. Aber das muss in Welterbe-verträglichem Ausmaß und in Abstimmung mit der Unesco erfolgen. Wie in jeder Partnerschaft ist es ein gegenseitiges Geben und Nehmen. Sich miteinander auszutauschen, hilft oft weiter.

Was ist dein persönlicher Mittelrhein-Geheimtipp?

Meinen Geheimtipp verrate ich nicht- der soll weiterhin geheim bleiben. Am schönsten finde ich „mein Welterbetal“ an Deck eines der Ausflugsschiffe. Ich bin auf dem Wasser, ein tolles Gefühl – und erfreue mich an dieser großartigen Kulturlandschaft.

Schlussredaktion: Natascha Meyer

Bisher in der Reihe „7 Fragen an …“ erschienen:

Sebastian Busch (Landtagskandidat aus Lorch) – Christian Büning (Designer aus Oberwesel) – Sandra Bruns (Instagrammerin und Journalistin aus Emmelshausen) – Hasso Mansfeld (PR-Berater und Brücken-Aktivist aus Bingen) – Peter Theis (Gastronom und Shop-Betreiber in St. Goar) – Esther Pscheidt (Treibholzkünstlerin aus Lorch) – Wolfgang Blum (Wanderführer und Welterbe-Botschafter auf dem Rheinsteig) – Markus Fohr (Brauereibesitzer und Bier-Sommelier aus Lahnstein) – Christin Jordan und Lars Dalgaard (Journalisten und Winzer in Eltville und Oberdiebach) – Nadya König-Lehrmann (Welterbe-Managerin in St. Goarshausen) – Jörg Lanius (Winzer in Oberwesel) – Mario Link (Lebensmittel-Händler in Boppard) – Rolf Mayer (Kultur- und Event-Manager in Boppard) – Uwe Girnstein (Hotelier in Kamp-Bornhofen)  – Stefan Herzog (Tourismus-Berater und früherer Marketingchef für die Region Rheinhessen) – Horst Maurer (Welterber-Gästeführer aus Oberdiebach) – Gerd Ripp (Gastronomie-Unternehmer auf Schloss Rheinfels und Maria Ruh) – Niko Neuser (Kommunalpolitiker aus Boppard) – Christof A. Niedermeier (Krimi-Autor aus Frankfurt und Schöpfer von „Jo Weidinger“) – Stefan, Andreas und Markus Wanning (Gin-Macher aus Münster-Sarmsheim) – Christoph Bröder (Burgenblogger auf Sooeneck) – Hubertus Jäckel (Architekt aus Oberwesel) – Bernd und Marion Stahl (Gastronomen in Boppard) – Markus Hecher (Burgherr auf Rheinstein) – Timo Ahrens (Strandbar-Gründer aus Oberwesel) – Philipp Loringhoven (Kommunalpolitiker aus Boppard) – Carolin Riffel (Winzerin aus Bingen) – Sarah Hulten – Ex-Weinkönigin, Winzerin und Riesling-Influencerin aus Leutesdorf – Walter Mallmann (Politiker aus St. Goar) – Franziskus Weinert (Einzelhändler und E-Commerce-Experte aus Oberwesel) – Klaus Becker (Präsident der TH Bingen) – Marek Gawel (Hotelier aus Boppard) – Andreas Roll (Initiator der Bopparder „Stolpersteine“, Kommunalpolitiker und Verkehrsplaner) – Rolf Wölfert (Tourismuschef in Rüdesheim) – Joachim Noll und Susanne Pander(Reeder in Boppard) – Tanja Werle (Bloggerin im Rheingau) – Anna Elisabeth Bach (Pensionsbesitzerin, Heilpraktikerin und Himalaya-Reisende aus Boppard) – René Klütsch (Koch und Gastronom in Boppard-Weiler) – Herbert Piel (Fotograf aus Holzfeld) Andreas Stüber (Hotelier und Koch aus Bacharach)

Termine des Tages

St. Goarshausen – Rheinsteig Schlemmertour – 28. Oktober, ab 8 Uhr 45. loreley-touristik.de

Rüdesheim – Tage des Federweißen – 28. Oktober, ab 10 Uhr. ruedesheim.de

Bingen – Tag der offenen Tür im Mäuseturm – 28. Oktober, 11 – 18 Uhr. Allgemeine Zeitung

Bingen – Studientag zur Geschichte der Juden am Mittelrhein / Festvortrag „Ein ungelöstes Rätsel“ – das jüdische Mysterium von Bingen – 28. Oktober, 11 Uhr. bingen.de

Boppard – „Themensonntag“ / Verkaufsoffener Sonntag, Bauernmarkt und 2. Reisemesse – 28. Oktober, 13 – 18 Uhr. boppard.de

Bacharach – „Bacharachs Weinstuben gestern und heute“ / Stadtführung mit Horst Maurer – 28. Oktober, 14 Uhr. bingen.de

Bingen – Rike Drust liest im Programmkino Kikubi – 28. Oktober, 15 Uhr. bingen.de

Bingen – Orgelkonzert in der Kapuzinerkirche – 28. Oktober, 16 Uhr. bingen.de

Langscheid – „Der Junggesellenabschied“ / Theater in Langscheid – 28. Oktober, 17 Uhr. VG St. Goar-Oberwesel

Bingen – Island: Naturparadis im Nordatlantik / Multimedia-Show mit Andreas Huber – 28. Oktober, 17 Uhr. bingen.de

Oberdiebach – „Die Ohmschele“ / A Capella in St. Moritz – 28. Oktober, 18 Uhr. VG St. Goar-Oberwesel

Boppard – „Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm“ / Kino in der Stadthalle. 28. Oktober, 20 Uhr. boppard.de

Foto des Tages

 

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