Frank Zimmer

„Die größte Gefahr für einen Koch ist, andere zu kopieren“ – 7 Fragen an René Klütsch

Wenn gute Restaurants am Mittelrhein aufgezählt werden, fällt unweigerlich der Name „Eiserner Ritter“. Der traditionsreiche Landgasthof in Weiler bei Boppard verdankt seinen Erfolg einem Küchenchef, der gar keiner werden wollte. René Klütsch kam eher aus Verlegenheit in die Gastronomie-Branche, fand dort seine Berufung und gehört jetzt zu den Besten im Welterbe-Tal. 7 Fragen an einen Koch und Könner.

René Klütsch ist Küchenchef im "Eisernen Ritter". Foto: Landgasthof Eiserner Ritter.
René Klütsch ist Küchenchef im „Eisernen Ritter“. Foto: Landgasthof Eiserner Ritter.

Die Gastronomie-Branche hat seit Jahren Nachwuchsprobleme. Viel zu wenige junge Leute wollen dort eine Ausbildung machen. Wie war das, als du angefangen hast? Was hat dich gereizt?

Meine Ausbildung zum Koch machte ich von 2003 bis 2006. Schon damals lag die Abbruch- bzw. Durchfallquote bei ca. 50%. Die Gastronomie ist ein hartes Pflaster, und wenn man frisch von der Schulbank kommt, benötigt man schon etwas Biss, um Arbeitstage von 12 Stunden und mehr durchzustehen. Die Vergütungen für Gastro-Azubis machen eine Ausbildung ebenfalls nicht besonders attraktiv.

Daher gibt es unterm Strich auch nur zwei Möglichkeiten: entweder man hat bzw. entwickelt die nötige Hingabe und den Idealismus, im Gastgewerbe arbeiten zu wollen, dann ist die Arbeitszeit und das Honorar zweitrangig; oder man schmeißt die Ausbildung nach wenigen Monaten hin.

Ich stamme nicht aus einer Hoteliers-Familie, und zugegebenermaßen war Koch auch nicht mein Wunschberuf Nr. 1. Zunächst wollte ich die EDV/IT-Richtung einschlagen. Allerdings hätte ich dann noch weiter die Schulbank drücken müssen. Meine Mutter arbeitete zu dieser Zeit in einem Hotel in Bad Salzig. Mein Feriengeld verdiente ich mir in der Spülküche dieses Hotels.

Irgendwann kam dann der Gedanke auf, eine Ausbildung als Koch zu beginnen. Viele im Bekannten- & Verwandtenkreis trauten mir das nicht zu, aber durch die Unterstützung und das Verständnis meiner Eltern kam nie der Zweifel auf, dass ich die Ausbildung nicht schaffen könnte. Auch wenn die Arbeitstage lang waren, meine Eltern wussten: „In der Küche ist erst Feierabend, wenn alles fertig ist und nicht, wenn es die Uhr anzeigt.“

Du hast in einigen renommierten Betrieben gearbeitet. Was war dort deine wichtigste Erfahrung?

Die eigene Handschrift muss stets erkennbar sein.

In der Gastroszene gibt es viele Trends – die kommen und gehen. Durch das Internet kann man sehen, an welchen Gerichten andere Köche arbeiten, wie sie ihre Teller anrichten und welche Produkte sie verarbeiten. Das gibt einerseits ganz viel Inspiration, aber es ist eben auch eine große Gefahr, dass man anfängt zu kopieren. Das ist der größte Fehler, den man als Koch machen kann.

Meine erste Station nach der Lehre im Bellevue Rheinhotel war das Restaurant Franz Keller – Schwarzer Adler am Kaiserstuhl. Dort wird seit den 60er Jahren eine klassisch französische und badische Küche auf Sterne-Niveau serviert. Als ich einen „Gruß aus der Küche“ mit einem Gurken-Espuma ergänzte, wurde das zwar gerne serviert, aber niemals vor dem Gast „Espuma“ genannt. Das klang zu fremd bzw. zu modern. Dabei ist es ja einfach nur das spanische Wort für „Schaum“. Zu dieser Zeit fand ich das etwas engstirnig, und erst später verstand ich, dass diese moderne Zubereitung eines Schaumes einfach nicht in das Gesamterlebnis des Gastes für dieses Restaurant passte. Als „Gurken-Mousse“ fügte es sich nahtlos in die Tradition dieser Küche ein.

Dadurch erkannte ich, dass es die vielen kleinen Details sind, die den Gast am Ende des Abends zufrieden nach Hause gehen lassen und einen wesentlichen Anteil am Erfolg oder Misserfolg eines Restaurants bilden.

Was ist dir im eigenen Betrieb besonders wichtig?

Ein gutes Miteinander. Und das meine ich ausnahmslos. Mir ist es wichtig, dass meine Mitarbeiter mich als Kollegen und nicht nur als Chef ansehen. Ebenso ist mir auch das Miteinander zwischen Gast und Servicemitarbeiter wichtig.

Oder die Beziehung zwischen mir und meinen Lieferanten und Produzenten. Es muss immer auf gegenseitiger Wertschätzung und Respekt basieren. Das bildet für mich die Basis eines guten Betriebes. Wenn jeder mit Spaß bei der Sache ist, kann das Ergebnis am Ende nur gut werden.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag von René Klütsch aus?

Einen typischen Arbeitstag gibt es eigentlich gar nicht. Mal beginnt der Arbeitstag recht früh gegen kurz nach 7 Uhr, wenn ich unseren Hotelgästen das Frühstück serviere. Manchmal beginnt mein Arbeitstag auch erst gegen 10 Uhr, und ich sitze mit meinen Mitarbeitern gemeinsam am Frühstückstisch. Während der Vorbereitungszeit bin ich der Springer in unserem Küchenteam. Meine zwei Jungs in der Küche, Mirek und David, halten mir den Rücken frei, damit ich Zeit für Bestellungen, Menüabsprachen und weitere organisatorische Abläufe habe. Wenn aber einer der beiden Unterstützung bei den Vorbereitungen braucht, bin ich stets zur Stelle.

Um 12 Uhr beginnen wir mit dem Mittagsservice – unter der Woche läuft dies recht entspannt ab, samstags und sonntags hingegen ist die Hütte meist voll, und wir stehen alle unter Strom. Was aber an jedem Arbeitstag gleich ist und bleiben wird, ist das gemeinsame Mittagessen mit dem gesamten Team um 14 Uhr.

Am Nachmittag stehen dann meine Frau und mein zweijähriger Sohn Alexander im Mittelpunkt.

Gegen 17 Uhr beginnen die Vorbereitungen für den Abendservice. Es gibt kaum einen Restaurantabend, an dem ich nicht selbst in der Küche stehe.

Gegen 21:30 Uhr neigt sich der Abendservice dem Ende, und ich sitze mit meinem Geschäftspartner und guten Freund Stefan im Büro. Wir erledigen dann die administrativen Aufgaben wie z.B. Hotelbuchungen.

Zwischen 22 und 23 Uhr habe ich meist Feierabend.

Das Mittelrheintal ist seit jeher geteilt: Politisch, geografisch und sogar im Dialekt. Gibt es überhaupt so etwas wie eine gemeinsame regionale Küche?

Regionale Küche gibt es immer und überall. Es kommt nur auf die Definition an. Wenn wir von typisch regionalen Gerichten vom Mittelrhein sprechen, dann gibt es die in meinen Augen nicht. „Himmel un Ääd“ sowie Sauerbraten wird zwar gerne mit „rheinisch“ in Verbindung gebracht, aber weder haben diese Gerichte ihren Ursprung im Mittelrheintal, noch gibt es diese ausschließlich hier zu essen.

Definiert man aber regionale Küche mit der Verwendung regionaler und saisonaler Zutaten, so haben wir das durchaus. Unsere Aufgabe als Köche ist es, jene Produkte unseren Gästen auch zu servieren. Dieses Jahr gab es zum Beispiel unheimlich viele Mirabellen zu ernten. Also servierten wir ein Dessert mit hiesigen Mirabellen. Das macht für mich regionale Küche aus.

Wenn die saisonalen Produkte vor der Haustüre beste Qualität haben, muss man als Koch ein ziemlicher Schwachkopf sein, um sie nicht zu verwenden. 

Was ist dein Lieblingsgericht und wie machst du es?

Mein Lieblingsgericht? Das ist eine wirklich schwierige Frage. Dafür gibt es zu viele Gerichte, die ich wirklich gerne esse. Ganz sicher gehört Döppekooche mit Appelschmier dazu, besonders, wenn ich die Kartoffeln nicht selbst schälen muss. Ich liebe auch Gulasch mit Spätzle gekocht von meiner Frau.

Jedes ehrlich gekochte Essen mit hervorragenden Zutaten ist es wert, als Lieblingsgericht geehrt zu werden. Deswegen hat bei mir eine leckere Frikadelle auch den gleichen Stellenwert wie ein Filetsteak vom Rind.

Apropos Frikadellen. Wenn ich Frikadellen zubereite, variiere ich gerne die Zutaten. Die Basis ist natürlich frisch gewolftes Schweine- und Rindfleisch zu gleichen Teilen. Die Zwiebeln sollten fein geschnitten und kurz angedünstet sein. Eingeweichte altbackene Brötchen, ganze Eier, Senf, Meersalz und frisch gestoßener schwarzer Pfeffer müssen natürlich auch rein. Dann schaue ich, was ich noch so alles im Kühlschrank habe. Etwas Hunsrücker Ziegenfeta in groben Stücken und halbgetrocknete Tomate geben den Frikadellen eine mediterrane Note. Ein paar eingeweichte getrocknete Steinpilze und geriebener Parmesan werten die Frikadelle ebenfalls geschmacklich auf und passen schön in die Herbstzeit.

Als Küchenchef hast du einen guten Überblick über regionale Lieferanten. Wo im Welterbe-Gebiet kann man besonders gut einkaufen?

Für regionale Produkte muss man natürlich ein wenig Fahrtzeit in Kauf nehmen, da viele Produzenten nur ab Hof oder auf Wochenmärkten verkaufen.

Unsere erste Adresse für Obst und Gemüse ist der Schlemmershop von Walter Hermannspahn in Boppard. Von ihm werden wir seit vielen, vielen Jahren fast täglich beliefert.

Eier und Geflügel beziehen wir vom Geflügelhof Bauer in Kappel.

Ich bin ein großer Fan von Ziegenkäse. Diesen bezogen wir in den letzten Jahren von Regina und Dieter, die ihren Hof und die Käserei bis letztes Jahr in Holzfeld hatten. Seit diesem Jahr bekommen wir den Ziegenkäse in Bio Qualität von der Zickeria in Irmenach-Beuren. Steffi und Henner Heun stellen den Käse nach „Holzfelder Art“ her, und ich war direkt beim ersten Probieren begeistert.

Die Landmetzgerei Maus hat ausgezeichnete Wurstwaren, wie beispielsweise verschiedene Hausmacher Spezialitäten. Kurt und Stefan Maus schlachten noch selbst und kaufen die Tiere nur von zwei, drei Bauernhöfen, die sie seit Jahren kennen und die ebenfalls das gleiche Qualitätsdenken haben.

Natursauerteigbrot beziehen wir von der Pfalzfelder Landbäckerei. Das Brot kann nur auf Wochenmärkten und Online erworben werden – ein Ladengeschäft gibt es nicht.

Im November und Dezember kommen die meisten Gäste nur aus einem Grund zu uns ins Restaurant. „Unsere ganze Gans, ganz frisch aus dem Ofen“. Die Freiland-Gänse beziehen wir nun schon das dritte Jahr von Daniels Hühnerhof in Seibersbach. Die Gänse haben ein riesiges Terrain, wo sie sich frei bewegen können und ernähren sich auch viel von dem, was sie auf dem Feld finden, z.B. von herabgefallenem Obst von den Bäumen. Am kleinen Bach, der durch das Feld verläuft, können die Gänse trinken, wann immer sie möchten. Daniel verkauft seine Gänse, Hähnchen und Eier auf regionalen Wochenmärkten und bei ihm im Hofladen.

Ich hoffe, dass ich keinen unserer geschätzten Lieferanten vergessen hab. Auf jeden Fall möchte ich noch mal betonen: Ehrliche, regionale Erzeugnisse sind jeden Weg und immer ihren Preis wert.

Schlussredaktion: Natascha Meyer

Bisher in der Reihe „7 Fragen an …“ erschienen:

Sebastian Busch (Landtagskandidat aus Lorch) – Christian Büning (Designer aus Oberwesel) – Sandra Bruns (Instagrammerin und Journalistin aus Emmelshausen) – Hasso Mansfeld (PR-Berater und Brücken-Aktivist aus Bingen) – Peter Theis (Gastronom und Shop-Betreiber in St. Goar) – Esther Pscheidt (Treibholzkünstlerin aus Lorch) – Wolfgang Blum (Wanderführer und Welterbe-Botschafter auf dem Rheinsteig) – Markus Fohr (Brauereibesitzer und Bier-Sommelier aus Lahnstein) – Christin Jordan und Lars Dalgaard (Journalisten und Winzer in Eltville und Oberdiebach) – Nadya König-Lehrmann (Welterbe-Managerin in St. Goarshausen) – Jörg Lanius (Winzer in Oberwesel) – Mario Link (Lebensmittel-Händler in Boppard) – Rolf Mayer (Kultur- und Event-Manager in Boppard) – Uwe Girnstein (Hotelier in Kamp-Bornhofen)  – Stefan Herzog (Tourismus-Berater und früherer Marketingchef für die Region Rheinhessen) – Horst Maurer (Welterber-Gästeführer aus Oberdiebach) – Gerd Ripp (Gastronomie-Unternehmer auf Schloss Rheinfels und Maria Ruh) – Niko Neuser (Kommunalpolitiker aus Boppard) – Christof A. Niedermeier (Krimi-Autor aus Frankfurt und Schöpfer von „Jo Weidinger“) – Stefan, Andreas und Markus Wanning (Gin-Macher aus Münster-Sarmsheim) – Christoph Bröder (Burgenblogger auf Sooeneck) – Hubertus Jäckel (Architekt aus Oberwesel) – Bernd und Marion Stahl (Gastronomen in Boppard) – Markus Hecher (Burgherr auf Rheinstein) – Timo Ahrens (Strandbar-Gründer aus Oberwesel) – Philipp Loringhoven (Kommunalpolitiker aus Boppard) – Carolin Riffel (Winzerin aus Bingen) – Sarah Hulten – Ex-Weinkönigin, Winzerin und Riesling-Influencerin aus Leutesdorf – Walter Mallmann (Politiker aus St. Goar) – Franziskus Weinert (Einzelhändler und E-Commerce-Experte aus Oberwesel) – Klaus Becker (Präsident der TH Bingen) – Marek Gawel (Hotelier aus Boppard) – Andreas Roll (Initiator der Bopparder „Stolpersteine“, Kommunalpolitiker und Verkehrsplaner) – Rolf Wölfert (Tourismuschef in Rüdesheim) – Joachim Noll und Susanne Pander(Reeder in Boppard) – Tanja Werle (Bloggerin im Rheingau) Anna Elisabeth Bach (Pensionsbesitzerin, Heilpraktikerin und Himalaya-Reisende aus Boppard)

Termine des Tages

Lorch – Herbst- und Erntedankfest im Landmuseum Ransel – 7. Oktober, 11 Uhr. Stadt Lorch

Loreley – Mittelalter- und Fantasymarkt – 7. Oktober, 11 – 19 Uhr suendenfrei.tv

Bingen – Öffentliche „Rheinromantik“-Führung durch das Museum am Strom – 7. Oktober, 11 Uhr 15. bingen.de

Braubach – Winzerfest – 7. Oktober. gastlandschaften.de

Bacharach – „Bacharachs Weinstuben gestern und heute“ / Exkursion mit Welterbe-Gästeführer Horst Maurer – 7. Oktober, 15 Uhr. VG Rhein-Nahe

Boppard – „Christopher Robin“ / Kino in der Stadthalle – 7. Oktober, 16 Uhr. boppard.de

Boppard – Cafe´Philosophique – 7. Oktober, 17 Uhr. boppard.de

Boppard – „Gundermann“ / Kino in der Stadthalle – 5. Oktober, 20 Uhr. boppard.de

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Nur die Enge gebiert die Weite der Rest ist ozeanisch dahin #wanderer #Bacharach #Rhein #wanderlust #postuamrhein

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