Frank Zimmer

Das Multitalent vom Mittelrhein: 7 Fragen an Marcel D’Avis

Privatbank-Profi, Extrempendler, Designer, Wohnungsgestalter und einer der Macher der Mittelrheintaler: Marcel D’Avis aus Oberwesel kann eine Menge und er macht was draus. 7 Fragen an einen, der wegzog und mit vielen guten Ideen zurückgekommen ist.

Foto: Marcel D’Avis Interior Design

Marcel, du stammst aus einer alten Oberweser Familie und bist gefühlt mit der halben Stadt verwandt. Zieht man dann trotzdem oder genau aus diesem Grund weg?

Der Wegzug hatte hauptsächlich mit meinem Job in der Finanzbranche zu tun und weniger mit der weitläufigen Verwandtschaft im Nacken. Aber Du hast recht, die Sippschaft ist groß, und nicht nur in Oberwesel, sondern auch in der zukünftigen VG Hunsrück-Mittelrhein; irgendwie muss man sich überall benehmen. Besonders meinem Großvater war das Wissen über die Verwandtschaft sehr wichtig. Er hat es immer gepflegt und kannte auch die Ururenkel einer Cousine oder eines Neffen. Er war Einzelkind und hätte gerne Geschwister gehabt. Den Kontakt nach Oberwesel habe ich immer gehalten und war auch stolz, Anderen zeigen zu können, wo man geschlüpft ist.

Um einen Überblick über die Verwandtschaft haben zu können, war auch das Familienbuch der Stadt Oberwesel (in Auftrag gegeben von der Stadt Oberwesel) hilfreich. Leider konnte ich noch nicht herausfinden, wer der allererste D’Avis in Oberwesel war. Angeblich kommt der Name aus Portugal. Mal schauen; also hiermit ein öffentlicher Aufruf!

Du bist von Beruf Banker und gleichzeitig Designer. Was ist dir wichtiger?

Ehrlich gesagt kann ich das nicht eindeutig beantworten, beides hat mich geprägt. Nach der Schule ist es mir wie so vielen gegangen: „Was machst Du danach?“ – „Weiß ich nicht, vielleicht Bank?“

Eine ganz bewusste Entscheidung war es nicht, und trotzdem möchte ich die Zeit nicht missen. Die Ausbildung habe ich damals bei der Dresdner Bank in Bingen absolviert. Die kleine Filiale hatte alles, was man sich unter dem Begriff Bank vorstellt: den klassischen Schalter, Wertpapierabteilung, Bausparen, Post- und Abwicklungsabteilung und eine dicke, große Tresortür. Danach ging es nach Frankfurt ins Back-Office. Hier ging es noch ursprünglich zu. Der Reiz war, Neues zu entwickeln, Systeme mit aufzubauen, ein neues Team für anspruchsvolle Kunden auf die Beine zu stellen etc.

Der Reiz im Design besteht für mich in der Entwicklung von Neuem, neue Ideen zu finden, sich kreativ mit Farben, Formen und Räumen auszutoben und herauszuhören, was mein Gegenüber sucht und möchte. Dass meine Familie bis in die 70-er Jahre ein Raumausstattungsgeschäft betrieben hat, erklärt vielleicht meinen Bezug zur Kreativität. Schon als Kind habe ich zwischen dicken Stoffmustern, duftenden Edelhölzern, halbfertigen Polstermöbeln und alten Nähmaschinen im ehemaligen Geschäft gespielt. Und was gibt es schöneres, als in einem Raum auf einem neu verlegten Teppich zu liegen.

Mein Herzensprojekt über 2,5 Jahre war es, den kompletten Rhein von der Quelle bis zur Mündung incl. aller größeren Nebenflüsse zu vektorisieren – heißt, zu digitalisieren und damit u.a. die Möglichkeit zu haben, den Mittelrhein als Tapete in unsere Ferienwohnung zu bringen. Wenn man so will, bin ich der Designer unter den Bankern, und der Rhein spielte immer irgendwie eine Rolle.

Nach vielen Jahren in Wiesbaden, Frankfurt und Münster lebst du jetzt wieder in Oberwesel. Warum?

Mein Partner und ich haben gemerkt, dass uns die Gestaltung eines Gartens viel Freude und Ausgleich gibt und dass das in einem Münsteraner Schrebergarten nur bedingt möglich ist. Dann haben wir uns auf die Suche nach einem Haus mit Garten gemacht. In Münster ist ein Haus mit nennenswertem Gartengrundstück nur zu bekommen, wenn man der Bischof ist. Dazu hätten mir im Münsterland auf die Dauer die Berge gefehlt und in Rheinhessen, wo wir auch Häuser besichtigt haben, der Wald. Nach zig Hausbesichtigungen war es purer Zufall, dieses Haus in Oberwesel zu finden. Es war auch für mich anfangs ein komischer Gedanke, derjenige zu sein, der in den Geburtsort zurückkommt. Man hat dann direkt Bilder von Schweizer Bergdörfern vor Augen, wo alle eine Ziege neben sich haben, und man steht mit Outdoorkleidung, einem Chai Latte Soja und einem asiatischen Kind auf dem Arm und sagt „Vadder, ich bin‘s, der Sebaschtian, erkennts mii niit?“

Spaß bei Seite, wir wussten grob, was uns erwartet. Ich hatte meinen Partner Christian lange genug mit trockenem Riesling hergelockt, und wir waren auch oft am Rhein, so dass er sich ein Bild machen konnte. Damals noch ohne einen konkreten Plan, hier mal zu leben. Aus heutiger Sicht war das die richtige Entscheidung. Wir sind sehr herzlich aufgenommenen worden, haben neue und alte Freunde gefunden und genießen es einfach, aus dem Haus in den Garten zu gehen und Ideen zu entwickeln.

Und: Hier sind wir die jungen Leute

Du pendelst jetzt jeden Morgen nach Frankfurt. Wie lang ist dein Arbeitstag?

Wenn ich ehrlich bin, ist er lang. Trotz der guten Zuganbindung, die Oberwesel hat, frisst die Hin- und Rückfahrt viel Zeit. Zeit, die ich gerne mehr vor Ort nutzen würde. Was bleibt, ist, vieles im Zug zu erledigen, Ideen zu entwickeln und durchzudenken, zu lesen, zu schlafen und Leute und Landschaft zu beobachten. Ein kleiner Trost bleibt, denn ab und an habe ich die Dinge aus der großen Stadt im Gepäck – Gewürze aus dem Asiashop oder ein Paket frischer Kräuter für die Frankfurter Grie Soß‘. Ohne die Unterstützung durch meinen Partner wäre es nicht so gut zu händeln.

Trotzdem hast du mit deinem Partner noch das Projekt Mittelrheintaler angepackt. Wann schläfst du eigentlich?

Das frage ich mich auch manchmal – vermutlich im Zug.

Ja, das war mir/uns wichtig. Ich bin 9 Jahre auf der anderen Rheinseite in Sankt Goarshausen zur Schule gegangen, und ich kenne sie – also die andere Rheinseite – nicht. Es hängt auch mit dem Zurückkommen zusammen. Ich war schon viel unterwegs, aber erstaunlicherweise noch nicht wirklich im näheren Umkreis. Das hat uns dazu gebracht, den Mittelrheintaler ins Leben zu rufen.

Eigentlich kann es nicht sein, dass man nicht weiß, was es alles in der näheren Umgebung gibt bzw. nichts über die gegenüberliegende Seite bekannt ist, auf die man seit eh und jeh schaut. Und es gibt viel! Selbstverständlich ist es einfacher, sich mit einem Klick die halbe Welt nach Hause zu holen, ich nutze das auch und bin dankbar dafür. Doch vieles davon gibt es auch in der näheren Umgebung, sogar per Mausklick. Es heißt dann eben nicht Amazon, sondern Stockmanns, Schreibwaren Hermann, Feinkost Link, LoredryGin by Fetz, Mode-Sport Oppermann etc.

Wir möchten auf immer mehr Betriebe im Tal aufmerksam machen, die Neugierde bei Touristen und Einheimischen wecken und die Rheinseiten verbinden – netzwerken. Der Mittelrheintaler verkauft sich zum Beispiel auch in Frankfurt, sodass wir einen kleinen Beitrag leisten, um Frankfurter ins Mittelrheintal zu locken.

Du bist Börsenexperte. Wenn das Obere Mittelrheintal eine Aktie wäre: Wie würdest du sie einstufen?

In den letzten Jahren dümpelte die Mittelrheinaktie nur so vor sich hin, doch jetzt scheint Licht am Ende des Tunnels zu sein. Sie blieb lange unbeachtet und somit unterbewertet. Doch durch große Investitionen in die Zukunft weckt sie hohes Potential und geht gestärkt in den frühen Handel. Steigen sie jetzt ein, eine bessere Chance wird es nicht geben. Ein Langfristengagement!

Philipp Loringhoven aus Boppard ist bei den „7 Fragen“ eine interessante Mittelrhein- Klassifizierung eingefallen: Der beste Ort für das erste Date und der beste Ort für Hochzeitstage oder ähnliche Jahrestage. Welche Orte würdest du empfehlen?

Die Blicke von den Rheinhöhen hinunter ins Tal finde ich immer wieder schön. Zeit ist für mich Luxus, und die nehme ich mir gerne zu einem besonderen Tag – mit einer Decke, Brot, Käse und Wein den Tag ausklingen lassen, die Modelleisenbahnlandschaft vor sich. Wir leben wirklich in einer der schönsten Regionen…

Schlussredaktion: Natascha Meyer

Bisher in der Reihe „7 Fragen an …“ erschienen:

Sebastian Busch (Landtagskandidat aus Lorch) – Christian Büning (Designer aus Oberwesel) – Sandra Bruns (Instagrammerin und Journalistin aus Emmelshausen) – Hasso Mansfeld (PR-Berater und Brücken-Aktivist aus Bingen) – Peter Theis (Gastronom und Shop-Betreiber in St. Goar) – Esther Pscheidt (Treibholzkünstlerin aus Lorch) – Wolfgang Blum (Wanderführer und Welterbe-Botschafter auf dem Rheinsteig) – Markus Fohr (Brauereibesitzer und Bier-Sommelier aus Lahnstein) – Christin Jordan und Lars Dalgaard (Journalisten und Winzer in Eltville und Oberdiebach) – Nadya König-Lehrmann (Welterbe-Managerin in St. Goarshausen) – Jörg Lanius (Winzer in Oberwesel) – Mario Link (Lebensmittel-Händler in Boppard) – Rolf Mayer (Kultur- und Event-Manager in Boppard) – Uwe Girnstein (Hotelier in Kamp-Bornhofen)  – Stefan Herzog (Tourismus-Berater und früherer Marketingchef für die Region Rheinhessen) – Horst Maurer (Welterber-Gästeführer aus Oberdiebach) – Gerd Ripp (Gastronomie-Unternehmer auf Schloss Rheinfels und Maria Ruh) – Niko Neuser (Kommunalpolitiker aus Boppard) – Christof A. Niedermeier (Krimi-Autor aus Frankfurt und Schöpfer von „Jo Weidinger“) – Stefan, Andreas und Markus Wanning (Gin-Macher aus Münster-Sarmsheim) – Christoph Bröder (Burgenblogger auf Sooeneck) – Hubertus Jäckel (Architekt aus Oberwesel) – Bernd und Marion Stahl (Gastronomen in Boppard) – Markus Hecher (Burgherr auf Rheinstein) – Timo Ahrens (Strandbar-Gründer aus Oberwesel) – Philipp Loringhoven (Kommunalpolitiker aus Boppard) – Carolin Riffel (Winzerin aus Bingen) – Sarah Hulten – Ex-Weinkönigin, Winzerin und Riesling-Influencerin aus Leutesdorf – Walter Mallmann (Politiker aus St. Goar) – Franziskus Weinert (Einzelhändler und E-Commerce-Experte aus Oberwesel) – Klaus Becker (Präsident der TH Bingen) – Marek Gawel (Hotelier aus Boppard) – Andreas Roll (Initiator der Bopparder „Stolpersteine“, Kommunalpolitiker und Verkehrsplaner) – Rolf Wölfert (Tourismuschef in Rüdesheim) – Joachim Noll und Susanne Pander(Reeder in Boppard) – Tanja Werle (Bloggerin im Rheingau) – Anna Elisabeth Bach (Pensionsbesitzerin, Heilpraktikerin und Himalaya-Reisende aus Boppard) – René Klütsch (Koch und Gastronom in Boppard-Weiler) – Herbert Piel (Fotograf aus Holzfeld) – Andreas Stüber (Hotelier und Koch aus Bacharach) – Claudia Schwarz (Tourismus-Managerin und Welterbe-Repräsentantin aus St. Goar) – Sonja Spano (Restaurant-Einrichterin und Raumausstatterin in Boppard)

Termine des Tages

Boppard – Tag der offenen Tür in  der Stadthalle – 11. November, 10 Uhr. boppard.de

Bingen – Jahrestagung der Stefan-George-Gesellschaft – 11. November. bingen.de

Lorch – 16. Ausstellung von Rosel Pohl im Robert Struppmann-Museum / Vernissage – 11. November, 11 Uhr 30. Stadt Lorch

Trechtingshausen – „Von mutigen Maiden und raffinierten Rittern“ / Rittergeschichten auf Burg Reichenstein – 11. November, 13 Uhr. VG Rhein-Nahe

Bingen – „Dr. Proktors Zeitbadewanne“ / Kinderkino im Kikubi – 11. November, 15 Uhr. bingen.de

Bingen – Monatskonzert der Evangelischen Kirchengemeinde – 11. November, 16 Uhr. bingen.de

Boppard – Kirmes in Oppenhausen – 11. November, ab 18 Uhr. boppard.de

Oberwesel – Orgelkonzert bei Kerzenschein – 11. November, 18 Uhr. oberwesel.de

Boppard – „Ballon“ / Kino in der Stadthalle – 11. November, 20 Uhr. boppard.de

Foto des Tages

 

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