Frank Zimmer

TH-Präsident mit Herz für Bingen: 7 Fragen an Klaus Becker

Seit über 120 Jahren werden in Bingen Ingenieure ausgebildet. Das „Technikum“ aus der Kaiserzeit heißt seit 2016 „Technische Hochschule“, genießt hohes Ansehen in der Industrie und pflegt internationale Kontakte bis nach China. Professor Dr.-Ing. Klaus Becker ist der Präsident der TH und überzeugter Wahl-Binger. Kontakt und Kommunikation zwischen Hochschule und Stadt liegen ihm besonders am Herzen. 7 Fragen an einen Maschinenbauer mit Marketing-Talent.

Prof. Klaus Becker ist Präsident der TH Bingen. Foto: Markus Lutz.
Klaus Becker ist Präsident der TH Bingen. Foto: Markus Lutz.

Du hast an der Universität Siegen studiert und für Daimler Benz in Frankfurt geforscht. Wie hat es dich nach Bingen verschlagen?

Ich war damals in der Forschungsabteilung des Daimler-Konzerns in Frankfurt tätig und bin über eine interessante Stellenausschreibung für eine Professur im Maschinenbau gestolpert. Und das hat dann auf Anhieb gepasst. Nun bin ich seit unglaublichen 23 Jahren an der Hochschule und darf festhalten: ich habe diesen Wechsel tatsächlich keinen einzigen Tag bereut!

Es macht sehr viel Spaß, junge, engagierte Studierende in der wichtigsten beruflichen Orientierungsphase des Lebens aktiv zu begleiten. Und ich freue mich immer, wenn sie dann als Ehemalige wieder einmal an ihrer alten Hochschule vorbeischauen.

Im Vergleich zu den 90er Jahren ist die Hochschule kaum wiederzuerkennen. Zuerst fällt einem der neue Name ins Auge: „TH Bingen“. Wie wichtig ist Marketing für dich?

Die Konkurrenz ist groß, und daher ist es elementar, wie wir in der Hochschullandschaft wahrgenommen werden. Als Ingenieursschule mit 120-jähriger Tradition haben wir da ein ganz klares Profil: wir bilden ausschließlich in den sogenannten MINT-Fächern aus (Mathematik Informatik, Naturwissenschaften, Technik). Daher war die Umbenennung in „Technische Hochschule Bingen“ nur konsequent und ein Bekenntnis zu unseren Kernkompetenzen.

Bingen ist eine verhältnismäßig kleine Hochschulstadt. Ist das ein Standortnachteil oder kann man bei Studenten und Wissenschaftlern auch mit Landschaft punkten?

Größe an sich ist kein Qualitätsmerkmal, und eine Hochschule sollte grundsätzlich auch von ihren Dimensionen her immer zum Standort passen. Die wichtigste Aufgabe einer Fachhochschule mit ihrem praxisnahen Bildungsangebot ist es, den Schulabgängern vor Ort ein attraktives akademisches Ausbildungsangebot zu bieten. Im Idealfall werden sie danach in den regionalen Arbeitsmarkt integriert. Als eine der ältesten Einrichtungen dieser Art in Deutschland gelingt das seit 120 Jahren recht gut, denn in fast allen Unternehmen der Region findet man unsere Absolventinnen und Absolventen, viele davon sogar in leitender Funktion oder als Inhaberin oder Inhaber.

Die ausgezeichneten Perspektiven für unsere Studierenden in der Region ist daher eine wichtige Größe im Hochschulmarketing. Dass wir dann auch noch mit einer solch tollen Landschaft und dem Mittelrheintal aufwarten können, ist ein weiteres Plus für unseren Hochschulstandort. Bei unserem wissenschaftlichen Nachwuchs punktet zusätzlich die hervorragende Bildungsinfrastruktur. Wenn der Umzug mit der Familie ansteht, ist es gut zu wissen, dass man von der Krippe bis zum Gymnasium hier bestens unterstützt wird.

Wie wichtig ist für die TH der Austausch mit der Stadt und ihren Bürgern?

Da wir von der Region für die Region ausbilden, ist die regionale Verwurzelung außerordentlich wichtig. Schon immer besteht eine enge Verzahnung mit den Unternehmen der Region. In den letzten Jahren haben wir den Austausch mit der Stadt und der Region weiter ausgebaut. Mit dem Kuratorium und dem Hochschulrat sind mittlerweile zahlreiche regionale Entscheidungsträger aus Politik und Wirtschaft in unsere Hochschulentwicklung eingebunden.

Besonders wichtig sind uns die Schulen. Für sie haben wir viele spannende Angebote geschaffen: vom Energieparcours über LEGO-Roboter bis hin zur Kinderhochschule. Das Thema Technik-Nachwuchs liegt uns eben besonders am Herzen. Deswegen stecken wir mitten in den Bauarbeiten für ein neues MINT-Zentrum auf dem Campus. Es soll den Schulen die Möglichkeit geben, hier auf dem Campus als außerschulischem Lernort zu experimentieren und gleichzeitig etwas Hochschulluft zu schnuppern.

Außerdem tragen wir aktuell mit unserem neuen Veranstaltungsformat „Science Lounge“ die Hochschule sozusagen in die Stadt hinein. Dabei diskutieren wir aktuelle technische Themen direkt mit der Bevölkerung, es ist ein offenes Format, das bislang sehr gut ankommt. Bürgernahe und spannende Wissenschaftsformate haben in Bingen bislang gefehlt – dabei sind wir schließlich eine Hochschulstadt.

Du selbst engagierst dich beim Förderverein des Museums am Strom. Was reizt dich an der Binger Geschichte?

Die Geschichte Bingens war, bedingt durch die Lage, zu allen Zeiten spannend. Richtig gepackt hat mich das geschichtliche Interesse aber erst, als ich mich mit den historischen Wurzeln unserer Hochschule beschäftigt habe. Unsere 120-jährige Geschichte beginnt mit der dynamischen Industrialisierung Anfang des 20. Jahrhunderts. Damals wurde das „Rheinische Technikum“ als rein private Lehreinrichtung von dem genialen und visionären Gründer Hermann Hoepke ins Leben gerufen. Doch das Hochschularchiv war nach zwei Weltkriegen sehr lückenhaft, und so haben wir uns entschlossen, unsere spannende Geschichte systematisch aufzuarbeiten.

Begonnen haben wir übrigens mit der Zeit des Nationalsozialismus, und es ist ein großer Glücksfall, dass wir hier die Historikerin Hilke Wiegers für die Zusammenarbeit gewinnen konnten. Diese Phase der Hochschulgeschichte haben bisher übrigens nur sehr, sehr wenige Hochschulen aufgearbeitet. Bei den Recherchearbeiten und bei der Entstehung des Buches haben wir intensiv mit dem Museum am Strom zusammengearbeitet. Dort habe ich mit Dr. Schmandt einen außerordentlich engagierten Museumsleiter kennengelernt und so kam eben eins zum anderen….

Von der Geschichte in die Zukunft: Warum hat Bingen noch kein Gründerzentrum? Die im Vergleich zum Rhein-Main-Gebiet günstigen Mieten und die Nähe zur TH wären gute Voraussetzungen, um Startups anzusiedeln.

Unser Standortvorteil durch die Nähe zur Metropolregion Rhein-Main ist offensichtlich, und wir sehen daher noch reichlich Entwicklungspotenzial für unsere Hochschule bzw. die Region. Und tatsächlich wäre der Bau eines Gründer- und Transferzentrums ein weiterer wichtiger Schritt für die Entwicklung der Region. Wir begrüßen daher sehr die breite Unterstützung in der Region durch Vertreter aus der Wirtschaft und vor allem auch der Lokalpolitik und hoffen auf positive Resonanz aus Mainz. Wir kämpfen schon seit vielen Jahren mit den zuständigen Stellen in Mainz um einen adäquaten Ausbau der TH, stehen aber natürlich im Wettbewerb um die Finanzierung mit anderen Standorten im Land. Vor allem treibt uns das neue Audimax um, dass wir dringend benötigen und im Landeshaushalt bereits eingeplant ist. Da fiebere ich natürlich dem ersten Spatenstich entgegen.

Ein weiteres Thema, um die Studienbedingungen noch weiter zu verbessern, wäre der Ausbau von studentischen Arbeitsplätzen. Praxisnahe Ausbildung in Zeiten der Digitalisierung bedingt heute mehr denn je, dass die Studierenden ihre Projekte in Teams eigenständig bearbeiten. Somit besteht ein großer Bedarf an modernen Arbeitsräumen, die von den Studierenden rund um die Uhr selbstständig genutzt werden können. Ich habe da sehr schöne Lösungen an einigen Hochschulen außerhalb unseres Bundeslandes gesehen ….

Was ist dein persönlicher Geheimtipp für das Welterbe-Tal? Welchen Platz, welches Restaurant, welchen Laden in Bingen oder am Mittelrhein würdest du einem neuen Binger TH-Professor empfehlen?

Ich laufe gerne am Wochenende durch den wunderschönen Binger Wald. Mit hängender Zunge die Lauschhütte zu erreichen, im Frühling durch das Morgenbachtal nach Trechtingshausen laufen oder aber bei einem kurzen Stopp am Damianskopf auf den Rhein zu blicken sind meine Empfehlungen. Auch nach 23 Jahren Bingen geht mir beim Blick von der Höhe ins Mittelrheintal das Herz auf, und ich werde mir wieder einmal bewusst, dass wir hier an einem der schönsten Fleckchen Deutschlands leben dürfen.  

Schlussredaktion: Natascha Meyer

Bisher in der Reihe „7 Fragen an …“ erschienen:

Sebastian Busch (Landtagskandidat aus Lorch) – Christian Büning (Designer aus Oberwesel) – Sandra Bruns (Instagrammerin und Journalistin aus Emmelshausen) – Hasso Mansfeld (PR-Berater und Brücken-Aktivist aus Bingen) – Peter Theis (Gastronom und Shop-Betreiber in St. Goar) – Esther Pscheidt (Treibholzkünstlerin aus Lorch) – Wolfgang Blum (Wanderführer und Welterbe-Botschafter auf dem Rheinsteig) – Markus Fohr (Brauereibesitzer und Bier-Sommelier aus Lahnstein) – Christin Jordan und Lars Dalgaard (Journalisten und Winzer in Eltville und Oberdiebach) – Nadya König-Lehrmann (Welterbe-Managerin in St. Goarshausen) – Jörg Lanius (Winzer in Oberwesel) – Mario Link (Lebensmittel-Händler in Boppard) – Rolf Mayer (Kultur- und Event-Manager in Boppard) – Uwe Girnstein (Hotelier in Kamp-Bornhofen)  – Stefan Herzog (Tourismus-Berater und früherer Marketingchef für die Region Rheinhessen) – Horst Maurer (Welterber-Gästeführer aus Oberdiebach) – Gerd Ripp (Gastronomie-Unternehmer auf Schloss Rheinfels und Maria Ruh) – Niko Neuser (Kommunalpolitiker aus Boppard) – Christof A. Niedermeier (Krimi-Autor aus Frankfurt und Schöpfer von „Jo Weidinger“) – Stefan, Andreas und Markus Wanning (Gin-Macher aus Münster-Sarmsheim) – Christoph Bröder (Burgenblogger auf Sooeneck) – Hubertus Jäckel (Architekt aus Oberwesel) – Bernd und Marion Stahl (Gastronomen in Boppard) – Markus Hecher (Burgherr auf Rheinstein) – Timo Ahrens (Strandbar-Gründer aus Oberwesel) – Philipp Loringhoven (Kommunalpolitiker aus Boppard) – Carolin Riffel (Winzerin aus Bingen) – Sarah Hulten – Ex-Weinkönigin, Winzerin und Riesling-Influencerin aus Leutesdorf – Walter Mallmann (Politiker aus St. Goar) – Franziskus Weinert (Einzelhändler und E-Commerce-Experte aus Oberwesel)

Termine des Tages

Bacharach – „Kleine Loreleypassage“ / begleitete Schiffstour – 19. August, 9 Uhr 45. VG Rhein-Nahe

Nochern – 1125 Jahre Nochern / Festwochenende – 19. August, ab 10 Uhr. nochern.de

Bacharach – Feuerwehrfest – 19. August, ab 10 Uhr. Facebook

Oberwesel – „Oelsberg Pur“ / Wein und Wandern mit den Oberweseler Jungwinzern – 19. August, ab 10 Uhr 30. oberwesel.de

Rüdesheim – Rüdesheimer Weinfest / Summer of Riesling – 16. – 20. August. ruedesheimer-weinfest.de

Urbar – Backefest – 19. August, ab 10 Uhr. VG St. Goar-Oberwesel

Bingen – Mitmach-Ausstellung „Arbeitswelten der Zukunft“ an Bord der MS Wissenschaft am Kulturufer – 18. – 21. August, 10 Uhr – 19 Uhr. bingen.de

Oberheimbach – Hoffest im Weingut Eisenbach-Korn – 19. August, ab 11 Uhr. VG Rhein-Nahe

Filsen – Genusswanderung mit Probierstationen / Aprikosen, Pfirsiche und Pflaumen aus dem Welterbe Oberes Mittelrheintal – 19. August, 14 Uhr. filsen.de

Bacharach – „Bacharach und Heinrich Heine“ / Wanderung mit Horst Maurer. 19. August, 15 Uhr. VG Rhein-Nahe

Bingen – Riesling-Terroir am Binger Rochusberg / Führung mit Andreas Stolz – 19. August, 16 Uhr. bingen.de

Festung Ehrenbreitstein – „Music for a While“ / Musik aus Renaissance und Barock auf historischen Instrumenten – 19. August, 16 Uhr 30. tor-zum-welterbe.de

Boppard – Fest am Rheinufer – 19 August, ab 19 Uhr. boppard.de

Foto des Tages

Sonntags kommt Mittelrheingold mit der Post

Der wöchentliche E-Mail Newsletter „Mittelrheingold Auslese“ sammelt die besten Artikel, Videos und Termine. Hier geht’s zum kostenlosen Sonntags-Abo.