Frank Zimmer

„Es ist ein harter Job, aber davon gibt es viele“ – 7 Fragen an Anne Kauer

Bei der Bacharacher Winzerfamilie Kauer ist alles ein bisschen anders als gewöhnlich. Inhaber Randolf Kauer hat den Betrieb nicht geerbt, sondern selbst aufgebaut und als erstes Bio-Weingut am Mittelrhein etabliert. Jetzt geht seine Tochter Anne den nächsten Schritt. Während konventionelle Steillagen-Winzer kapitulieren und viele Gleichaltrige in Bürojobs abwandern, baut die 28-Jährige das Weingut Dr. Kauer zum Vollerwerbsbetrieb aus. Anne ist ein Multi-Talent: Die Absolventin der Wein-Hochschule Geisenheim packt nicht nur in Weinberg und Keller an, sie verfolgt eine moderne Marketing-Strategie, organisiert Events und engagiert sich für u. a. für das kommende „wein date“ in Boppard. 7 Fragen an eine Mutmacherin am Mittelrhein.

Ganz oben in Bacharach: Anne Kauer mit ihrem Vater Randolf.

Anne, am kommenden Wochenende findet das erste „wein date“ im Welterbe-Tal. Was steckt dahinter?

Das stimmt – das erste im Welterbe-Tal, aber das zweite im Anbaugebiet. Der Mittelrhein geht ja immerhin noch bis Bonn! Das „wein date“ wurde 2018 ins Leben gerufen und ist ein einzigartiges Event im Tal – rund 30 Winzer des Gebiets finden sich in einem oder zwei Orten zusammen und präsentieren bei den ansässigen Winzern ihre Weine. Das Ganze findet in lockerer Atmosphäre statt und wird am Abend mit einer Schiffsparty gekrönt.

Der Name ist bewusst gewählt – „date“ kann man ja auch als „Treffen“ übersetzen, und genauso ist es: Am „wein date“ trifft Riesling auf Burgunder, Kabinett auf Spätlese, trocken auf lieblich, das südliche Anbaugebiet auf das nördliche und natürlich weininteressiertes Publikum auf motivierte Winzer.

Darum freuen wir uns, am 1. Juni gemeinsam Werbung für unsere Region zu machen und Zusammenhalt zu zeigen – das stärkt nicht nur unsere Gemeinschaft, sondern bringt gleichzeitig noch frischen Wind ins Tal! Kombitickets mit Schiffsparty sind leider schon ausverkauft, aber Tagestickets können noch erworben werden – auch noch vor Ort. Da der öffentliche Nahverkehr im Verbund des VRM im Ticketpreis inklusive ist, würde ich jedoch einen Kauf vorab empfehlen.

Im eigenen Betrieb hast du mit „Kellerrauschen“ ein weiteres Event-Format eingeführt. Wie wichtig ist so etwas für ein Weingut?

Sehr wichtig – ich merke immer noch, dass das Thema „Wein“ eine gewisse Hemmschwelle birgt, weil zu oft viel zu viel philosophiert wird. Ab und zu ist es zwar wichtig und gut, Wein konzentriert zu verkosten und mit Fachwörtern um sich zu werfen, aber Wein kann eben auch ungezwungen sein. Beim „Kellerrauschen“ kann jeder unseren Betrieb und die Kollegen kennenlernen, ein Glas Wein genießen, gute Musik hören und einfach mit Freunden den Abend verbringen. Das spricht gerade jüngere Leute an – und mir sind solche Events natürlich auch die Liebsten.

Dein Vater hat das Weingut als Nebenerwerbsbetrieb gegründet. Du willst es im Hauptjob führen. Freuen sich deine Eltern, oder haben sie dich gewarnt?

Die freuen sich – aber „da ist noch viel Arbeit vor dir“ – denn betriebswirtschaftlich auf soliden Beinen zu stehen, ist am Mittelrhein aufgrund der Steillagen und dem insgesamt niedrigen Preisniveau nicht einfach. Bio spielt da natürlich auch rein, aber nur im geringen Maße. Außerdem sind das Thema Klimawandel und Wetterextreme nicht irrelevant. Starkregen, Hagel, extreme Trockenheit und Spätfrost sind Probleme, die sich nicht so einfach lösen lassen. Ich habe immer noch im Ohr, wie mein Vater zu mir sagte: „Also eure Generation der Winzer wird wesentlich größere Herausforderungen zu bewältigen haben als wir“. Nicht gerade aufbauend, aber ich nehme es mal als Motivation.

Am Bacharacher Schlossberg. Foto: Weingut Dr. Kauer

Der Steillagenweinbau galt jahrelang als Auslaufmodell und ist trotz neuer Technologien immer noch mit hohem Aufwand verbunden. Warum glaubst du trotzdem daran?

Nun, ich glaube grundsätzlich, dass es eine Frage der Einstellung ist. Zum einen ist es wirklich erstaunlich, dass in der heutigen Zeit noch nicht mehr maschinell möglich ist. Zum anderen denke ich auch, dass man sich ohnehin nicht nur auf Maschinen verlassen darf. Wenn man den Beruf wählt in der Hoffnung, möglichst wenig (körperliche) Arbeit zu haben, dann hat man den Beruf eben falsch gewählt. Es ist ein harter Job – aber davon gibt es viele.

Die Kombination aus Handarbeit und Mechanisierung ist vielleicht genau das, was den Steillagenweinbau  so reizvoll macht! Die Arbeit im Weinberg und in der Natur kann so entspannend sein, da möchte ich gar nicht nur Traktor fahren. Und ganz ehrlich, so einen atemberaubenden Blick auf den Rhein hat man nun mal nur aus dem Steilhang heraus.

Du willst weitere Weinberge übernehmen. Ist das Angebot noch so groß wie vor einigen Jahren oder steigt die Nachfrage allmählich wieder?

Ja und nein. Es kommt ganz auf die Lage an, aber grundsätzlich gibt es noch Angebot. In den bislang „schlechteren“ Lagen tiefer im Tal gibt es noch viele Brachflächen, die mit der Zeit wieder interessant werden könnten. In den etablierten Weinbergslagen ist es natürlich schwieriger, an Flächen ran zu kommen.

Insgesamt hoffe ich, dass sich noch mehr junge Leute dazu entscheiden, den Betrieb zu übernehmen oder von außerhalb kommen und sich hier ansiedeln. Natürlich verteilt sich dann das Angebot, aber die Prognose ist leider doch, dass die verfügbare Rebfläche in Zukunft weiter steigen wird. Es gibt leider noch zu viele Kollegen, die keine Nachfolger haben, und wenn all diese Flächen erhalten bleiben sollen, braucht es noch ein paar motivierte Winzer mehr!

Weinlese 2018. Foto: Weingut Dr. Kauer

Was muss passieren, damit noch mehr junge Leute im Mittelrheintal bleiben und sich hier eine eigene Existenz aufbauen?

Ich glaube, das allerwichtigste ist die Unterstützung der Familie – oder gegebenenfalls der Vorgänger-Generation – und des Ortes, in dem du wohnst oder an dem du dich ansiedeln willst – dein Umfeld muss dahinterstehen, und deine Nachbarn und Kollegen dich respektieren und fördern. Wenn das klappt, kann nicht mehr viel passieren!

Natürlich würde eine bessere Infrastruktur auch helfen – gerade für die Höhendörfer. Faire und realistische Preise für Wohnraum, aber auch für das Anmieten von Ladenlokalen/Lagerflächen etc. ist wichtig. In der Regel sind die Gebäude hier im Tal stark sanierungsbedürftig, und es muss investiert werden. Das gehen junge Leute natürlich nur an, wenn sie nicht schon vorher einen riesen Kredit aufnehmen müssen.

Und ganz wichtig für die gesamte Lebensqualität: Kein Bahnlärm! Keine Güterzüge mehr! Es gibt nichts, was das Tal unattraktiver macht, als der Güterverkehr und der dauerhafte, nicht auszuhaltende Lärm!

Du hast vor deinem Studium eine Ausbildung in der Gastronomie gemacht und bist allein schon darum Expertin: Welche Lokale empfiehlst du im Mittelrheintal?

Bei den Restaurants kann ich grundsätzlich alle Betriebe der Mittelrhein-Momente empfehlen – hier liegt man nie falsch und bekommt immer Top-Qualität: Besonders gerne gehe ich zum „Eisernen Ritter“ in Boppard-Weiler, der übrigens auch gerade von der zweiten, „jungen“ Generation übernommen wurde. In Bacharach kann ich das Rhein-Hotel empfehlen – gerade für Vegetarier und Veganer findet sich hier eine Vielzahl an Gerichten und das sogar regional und bio.

Wenn es aber einfach nur ein Glas Wein in einem gemütlichen Weinlokal sein soll und eine kleine Vesper dazu, dann lege ich jedem die „Münze“ in Bacharach ans Herz! Hier finden auch regelmäßig Konzerte statt, und die Weinkarte ist top!

Foto: Weingut Dr. Kauer.

Schlussredaktion: Natascha Meyer

Zuletzt in der Reihe „7 Fragen an …“ erschienen

Claudia Schwarz (Tourismus-Managerin und Welterbe-Repräsentantin aus St. Goar) – Sonja Spano (Restaurant-Einrichterin und Raumausstatterin in Boppard) – Marcel D’Avis (Banker und Designer aus Oberwesel) – Gero Schüler (Winzer und Student aus Steeg) – Marlon Bröhr (Landrat des Rhein-Hunrück-Kreises) – Matthias Pflugradt (Medienprofi, Bestatter und Loreley-Rebell aus St. Goarshausen) – Heinz-Uwe Fetz (Weinbau-Präsident, Winzer und Gin-Macher aus Dörscheid) – Michael Maul (Sprecher der Fährbetriebe am Mittelrhein) – Martin Nickenig (Bäckermeister in Boppard) – Walter Bersch (Bürgermeister von Boppard) – Robert Wurm (Ex-Manager und Winzer in Lorch) – Marcus Schwarze (Journalist, Digitalberater und Buga-Blogger) – Tristan Storek (Düsseldorfer Jungwinzer und Techniktalent in Steeg) – Andreas Nick (Lehrer, Kommunalpolitiker und Hostel-Besitzer in Bad Salzig) – Jean-Michel Malgouyres (französischer Küchenchef in Rüdesheim) – Natascha Meyer (Kanzlei-Managerin, Lektorin und Boppard-Botschafterin) – Heiner Monheim (Verkehrsforscher und Bahnlärm-Bekämpfer) – Carolin Weiler (Winzerin und „FAZ“-Liebling aus Lorch) – Petra Bückner (Tourismuschefin in Lahnstein) – Michael Stein(Kommunalpolitiker aus Bingen) – Falko Hönisch (Opernsänger und Bürgermeisterkandidat in St. Goar) – Kathrin Büschenfeld (Apothekerin in Lorch) – Dieter Stein (IT-Manager und Konzertveranstalter aus St. Goar) – Peter Henrich (Archäologe in Koblenz) – Martin Bredenbeck (Geschäftsführer des Rheinischen Vereins) – Markus Patschke (Energieberater in Bacharach) – Ulrich Lautenschläger (Konzertveranstalter auf der Loreley) – Ivo Reßler (Bürgermeister-Kandidat in Lorch) – Jean-Marc Petit (Hausbesitzer und Denkmalpfleger in Bacharach)

Termine des Tages

Lahnstein – „Lahneck live“ – 26. Mai. lahnstein.de

Bingen – Tag der offenen Tür im Mäuseturm – 26. Mai, 9 Uhr 30  -16 Uhr 30. bingen.de

Rüdesheim – „Assmannshausen in Rot“ – 26. Mai, ab 10 Uhr. ruedesheim.de

Bad Salzig – Kurkonzert – 26. Mai, 10 Uhr 30. frohsinn-bad-salzig.de

Rüdesheim – „Waldromantik“ / Führung durch den Osteinschen Park – 26. Mai, 15 Uhr. ruedesheim.de

Boppard – „Asterix und das Geheimnis des Zaubertranks“ / Cinema in der Stadthalle – 26. Mai, 16 Uhr. boppard.de

Festung Ehrenbreitstein – „Barockissimo!“ / Festliche Chormusik – 26. Mai, 16 Uhr 30. tor-zum-welterbe.de

Boppard – „Der Fall Collini“ / Cinema in der Stadthalle – 26. Mai, 20 Uhr. boppard.de

Foto des Tages

 

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