Frank Zimmer

Der Erbe von Haus Sickingen: 7 Fragen an Jean-Marc Petit

In Bacharach steht eines der ältesten Häuser von Rheinland-Pfalz: Das spätmittelalterliche Haus Sickingen, benannt nach seinem prominentesten Besitzer. Seit 300 Jahren gehört es der Familie von Jean-Marc Petit. Der pensionierte Deutschlehrer aus Frankreich engagiert sich gemeinsam mit seinen Brüdern für das historische Anwesen. Keine leichte Aufgabe, denn die Petits kämpfen im Haus Sickingen nicht nur gegen den Zahn der Zeit ….

Jean-Marc Petit beim historischen Niedrigwasser 2018.

Du hast einen französischen Pass, wohnst in der Schweiz und bist trotzdem Teil einer jahrhundertealten Bacharacher Familientradition. Was verbindet dich mit der Stadt und dem Haus Sickingen?

Unser Vater Georges Petit kam nach dem 2. Weltkrieg mit den französischen Besatzungstruppen nach Bacharach. Einquartiert wurde er im Haus Sickingen. Er heiratete die Tochter des Hauses, Helga Lieberz, 1947 in der Bacharacher Nikolauskirche. Das junge Ehepaar zog gleich nach Frankreich, nach Denain an der Schelde in der Nähe der belgischen Grenze. Ich wuchs dort mit meinen 2 Brüdern Jean-Pierre und Christian auf, und wir verbrachten jedes Jahr die Sommerferien im Weingut unserer deutschen Großeltern. Nach dem Studium der Germanistik wurde ich Lehrer. Ich unterrichtete Deutsch an französischen Gymnasien in Valenciennes (Département Nord), Rom (Italien), Rabat (Marokko) und französisch als Fremdsprache in Basel an der Waldorfschule.

Haus Sickingen in der Bacharacher Oberstraße. Foto: Privat

Der Standort dieses Hauses am Oberen Mittelrhein im Herzen Europas ist für unsere Familientreffen günstig. Wir verbringen hier gern Ferien, genießen die wunderbare Landschaft des Welterbetals, schwelgen in Erinnerungen an die Kindheitstage und genießen den romantischen „Winzergarten“ hinterm Haus mit Blick auf Bacharachs malerische Dächerlandschaft. Der Erhalt dieser großen, denkmalgeschützten Hofanlage aus Fachwerk und Schieferstein (erbaut 1438 – 1450) ist eine Herausforderung, die wir gern annehmen. Jeder, der ein historisches Anwesen sein Eigen nennt, kennt dieses besondere Gefühl, als Glied der langen Kette der Generationen für Vergangenes und Zukünftiges verantwortlich zu sein.

Was ist beim Erhalt des Hauses die größte Herausforderung ?

Das juristische Umfeld und seine ständigen Anpassungen bleibt für mittelalterliche Gebäude, die nach Gesetzen errichtet worden sind, die manchmal nur noch den Bauhistorikern bekannt sind, die größte Herausforderung. Diese Unsicherheit, die den Nährboden für Betrügereien bildet, bereitet vielen Hauseigentümern in einer mittelalterlichen Stadt wie Bacharach Sorgen. Es gibt leider hunderte von Mitteln, einem Nachbarn nahezulegen, sich nicht zur Wehr zu setzen. Wir können ein Lied davon singen. Unsere dringend notwendigen Instandsetzungsarbeiten werden z. B. seit 7 Jahren von 2 Nachbarn blockiert. In dieser Zeit passierten auch immer wieder mutwillige Beschädigungen unseres Hauseigentums, die uns sehr viel Geld kosteten. Die Täter konnten anscheinend nicht ermittelt werden. Vor einem Jahr hat aber das Oberlandesgericht Koblenz in unserem Sinne entschieden, wo unsere Grundstücksgrenzen verlaufen. Zur Zeit kämpfen wir noch darum, dass das Katasteramt die bis jetzt fehlenden Grenzsteine setzt. Dann hoffen wir, dass dieser unsägliche Grenzkrieg aufhört, so dass wir die bewilligte und angefangene Instandsetzung wieder aufnehmen können.

Wie oft bist du in Bacharach?

Ich pendle zwischen Basel und Bacharach häufig hin und her und bin immer da, wenn man mich braucht z. B. für eine Vereinssitzung.

Du öffnest das Haus für Kunst- und Kulturveranstaltungen: Was ist als nächstes geplant?

In unserem ehemaligen Winzerhof wird kein Wein mehr produziert, sondern Kultur. Der nächste Anlass ist Mörikes Lyrik und romantischer Musik gewidmet und findet am Sonntag, den 2. Juni um 17 Uhr statt. Wir werden auch Haus und Garten am diesjährigen Denkmaltag (08. September 2019) öffnen. Immer wieder gibt es auch bei uns Gruppenführungen durch Gästeführer. Insbesondere haben die Veranstalter der Kreuzfahrten auf dem Rhein zwischen Rotterdam und Basel unser historisches Haus entdeckt, das sie bei Landausflügen ihren Passagieren gern zeigen.  Ich stelle fest, dass die Touristen aus nah und fern froh und dankbar sind, wenn sie einen Blick hinter die historischen Fassaden werfen können und den Menschen begegnen, die dort leben. Gastfreundschaft ist auch Kultur.

Was möchtest du noch tun, um Bacharach attraktiver zu machen?

Was bietet Bacharach, was man nicht online oder in den großen Einkaufszentren kaufen kann? Die Menschen werden doch hierherkommen, wenn sie wissen, dass sie echte Erlebnisse, Begegnungen mit netten Menschen und Kultur im weitesten Sinne des Wortes erwarten. Angesichts der hiesigen desolaten Wirtschaftslage muss sich jede Person, die in Bacharach wohnt, die Frage stellen: „Was kann ich für meine Stadt tun?“

Ich will im Rahmen meiner Möglichkeiten die Vision von Bacharach als Kulturstadt unterstützen. Darunter schließe ich auch Gartenkunst, Baukunst, bildende Kunst und alle Künste ein, die den sozialen Raum lebenswert machen. So mache ich mich in der IG «Aktives Bacharach» stark für den Ankauf einer weiteren Statue der Bildhauerin Liesel Metten. So würde ein Skulpturen-Parcours mit bislang insgesamt 6 verspielten, fantasievollen Plastiken der bekannten Künstlerin durch die Stadt Bacharach entstehen – eine Attraktion, die kleine und große Gäste anziehen wird.

Wie geht die nächste Generation mit dem Besitz um? Engagiert man sich oder lässt das Interesse nach?

Ein solches Haus kauft man nicht, sondern man erbt es und erhält damit eine Aufgabe fürs Leben. So will es unsere Familientradition seit 300 Jahren. Die folgende Generation, die aus fünf Cousins und einer Cousine besteht, ist bereit, sich zu engagieren.

Wer ein altes Haus unterhalten muss, braucht gute Handwerker. Wen kannst du empfehlen?

Wir haben das Glück, uns auf versierte Fachunternehmen schon in der 2. Generation verlassen zu können: Holzbau Schink in Niederburg und Schreinerei Laudert in Oberdiebach. Außerdem sind wir den Maurern und dem Dachdecker der Firma Pilger in Rheindiebach zum größten Dank für ihre schnellen Einsätze verpflichtet, wenn unser Haus wieder zur Zielscheibe von Vandalismus wurde.

Schlusssedaktion: Natascha Meyer

Jean-Marc Petit ist auch im SWR-Video über das Bacharacher Kinderbuch „Der kleine Pechvogel“ zu sehen. Er hat 2018 die Neuauflage ermöglicht:

Zuletzt in der Reihe „7 Fragen an …“ erschienen

Claudia Schwarz (Tourismus-Managerin und Welterbe-Repräsentantin aus St. Goar) – Sonja Spano (Restaurant-Einrichterin und Raumausstatterin in Boppard) – Marcel D’Avis (Banker und Designer aus Oberwesel) – Gero Schüler (Winzer und Student aus Steeg) – Marlon Bröhr (Landrat des Rhein-Hunrück-Kreises) – Matthias Pflugradt (Medienprofi, Bestatter und Loreley-Rebell aus St. Goarshausen) – Heinz-Uwe Fetz (Weinbau-Präsident, Winzer und Gin-Macher aus Dörscheid) – Michael Maul (Sprecher der Fährbetriebe am Mittelrhein) – Martin Nickenig (Bäckermeister in Boppard) – Walter Bersch (Bürgermeister von Boppard) – Robert Wurm (Ex-Manager und Winzer in Lorch) – Marcus Schwarze (Journalist, Digitalberater und Buga-Blogger) – Tristan Storek (Düsseldorfer Jungwinzer und Techniktalent in Steeg) – Andreas Nick (Lehrer, Kommunalpolitiker und Hostel-Besitzer in Bad Salzig) – Jean-Michel Malgouyres (französischer Küchenchef in Rüdesheim) – Natascha Meyer (Kanzlei-Managerin, Lektorin und Boppard-Botschafterin) – Heiner Monheim (Verkehrsforscher und Bahnlärm-Bekämpfer) – Carolin Weiler (Winzerin und „FAZ“-Liebling aus Lorch) – Petra Bückner (Tourismuschefin in Lahnstein) – Michael Stein(Kommunalpolitiker aus Bingen) – Falko Hönisch (Opernsänger und Bürgermeisterkandidat in St. Goar) – Kathrin Büschenfeld (Apothekerin in Lorch) – Dieter Stein (IT-Manager und Konzertveranstalter aus St. Goar) – Peter Henrich (Archäologe in Koblenz) – Martin Bredenbeck (Geschäftsführer des Rheinischen Vereins) – Markus Patschke (Energieberater in Bacharach) – Ulrich Lautenschläger (Konzertveranstalter auf der Loreley) – Ivo Reßler (Bürgermeister-Kandidat in Lorch)

Termine des Tages

Boppard – Fischmarkt in Boppard – 19. Mai, ab 9 Uhr. boppard.de

Rüdesheim – Songwriter-Workshop mit Christina Lux- 19. Mai, 10-17 Uhr. ruedesheim.de

Festung Ehrenbreitstein – „Landpartie 2019 / Garten- und Lifestylemesse – 19. Mai, 10 – 19 Uhr. tor-zum-welterbe.de

Bingen – „Vom Heft zum Buch“ / Workshop zum Internationalen Museumstag – 19. Mai, 11-16 Uhr. bingen.de

Oberwesel – Führung „Romantische Dichtung – romantischer Rhein“ im Stadtmuseum – 19. Mai, 11 Uhr und 17 Uhr. oberwesel.de

St. Goar – Hafenfest – 19. Mai, ab 11 Uhr 30. VG St. Goar-Oberwesel

Bingen – Fit’n Fun Day im Park am Mäuseturm – 19. Mai, 11-17 Uhr. bingen.de

Boppard – „Bopparder Mai“ / verkaufsoffener Sonntag – 19. Mai, 13-18 Uhr. boppard.de

Rüdesheim – Vespermusik in St. Jakobus – 19. Mai, 17 Uhr. ruedesheim.de

Bacharach – Orgelkonzert in der Peterskirche – 19. Mai, 19 Uhr. VG Rhein-Nahe

Oberwesel – Sagen- und Mythenwanderung auf dem Oelsbergsteig – 19. Mai, 19 Uhr 30. oberwesel.de

Boppard – „After Passion“ / Cinema in der Stadthalle – 19. Mai, 20 Uhr. boppard.de

Bacharach – „Bacharach, Mondschein und Romantik“ / Führung mit Horst Maurer – 19. Mai, 20 Uhr 30. VG Rhein-Nahe

Foto des Tages

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