Frank Zimmer

Fotokünstler und Klartexter: 7 Fragen an Herbert Piel

Wenn eine Region so oft fotografiert wird wie das Obere Mittelrheintal, dann zieht sie neben unzähligen Hobby-Kreativen immer auch die Besten an. Herbert Piel zählt seit über 40 Jahren zu den Meistern seines Fachs. Er fotografierte internationale Stars  und produzierte Bild-Reportagen auf mehreren Erdteilen. Heute lebt er in Holzfeld oberhalb von Boppard. Piels Auge entgeht nichts – auch nicht die schäbige Seite des Mittelrheins. 7 Fragen an einen Medien-Profi mit eigener Meinung.

Piel on Tour: Gute Fotografen sind überall gefragt. Foto: Piel Media.
Piel on Tour: Gute Fotografen sind überall gefragt. Foto: Piel Media.

Du bist in Neuss geboren, hast für internationale Medienmarken gearbeitet und bist als Foto-Reporter weltweit unterwegs. Was hält dich am Mittelrhein, und was speziell an deinem Wohnort Holzfeld?

Ganz klar die Natur, die Region, die Nähe zum Rhein, aber auch beruflich die zentrale Lage zwischen Koblenz und Mainz/Frankfurt.

Ebenso die ruhige Lage am Ortsrand. außer, wenn mich sonntags morgens um 8 Uhr lautstarke Wanderer aus dem Bett klingeln, weil es auf der gepriesenen 4-stündigen Wanderstrecke, die an 2 Seiten meines Grundstücks entlang führt,
keinerlei Einkehrmöglichkeit gibt. Aber meine Hunde machen ihren Job, wenn versucht wird, sich anderweitig zu erleichtern.

Piel fotografierte u.a. Joseph Beuys.
Piel fotografierte u.a. Joseph Beuys.

Herbert Piel steht nicht nur für professionelle Bilder, sondern auch für Klartext. Was muss im Welterbe-Tal anders werden?

Eine nationale oder internationale PR-Kampagne ist eher zweitrangig, solange sich in den Köpfen der Anwohner – oder sagt man „Anrheiner“? –  nicht grundlegend etwas ändert. Solange sie nicht einen gewissen Stolz für ihre Heimat entwickeln, kann man das Geld auch in den Fluss werfen. Erst wenn man selbst überzeugt ist, in einer lohnenswerten Umgebung zu leben, kann man auch andere überzeugen.

Und ein bisschen mehr gesunder Menschenverstand würde ebenfalls manchen Entscheidern gut zu Gesicht stehen.

Ich brauche keine teuren Gutachten von Agenturen aus Hamburg oder München, um zu erkennen, welche Fehler hier gemacht wurden oder abgestellt gehören. Man kann den Mittelrhein oder auch das Kunstgebilde Rheinland-Pfalz nicht mit Schleswig Holstein oder Mecklenburg Vorpommern vergleichen: RLP ist „unique“, wie man im Werbedeutsch so schön sagt. Vieles wird hier nicht so greifen wie z.B. in den genannten anderen Bundesländern. 

Ich wundere mich seit Jahren, dass man permanent auf bereits laufende bundesweite Trends aufspringt und immer etwas hinterher jagt wie dem Wandern oder dem Wein oder dem Fahrradfahren. 

Klar kann man das hier machen, aber wir haben auch ein Alleinstellungsmerkmal, das ich seit Jahrzehnten als „Dachmarkensymbol“ nicht so deutlich im Fokus sehe, wie es vielleicht verdient wäre. Wir leben hier in der größten Burgenansammlung Europas! Das ist für mich ganz deutlich ein Alleinstellungsmerkmal. Im asiatischen Raum gibt es sogar 1:1 Nachbauten unserer Burgen! Stattdessen werben wir mit Radfahren….oder Wandern. Sorry, aber das kann ich bundesweit an vielen Orten.

Noch eins: Fast jeder Mitbürger kennt Sylt; jedoch nicht nur, weil man schon mal da war, sondern auch wegen eines kleinen, unauffälligen aber prägnanten Aufklebers an vielen Autos. Wir im Mittelrheintal haben noch nicht einmal so einen Werbeträger, der unsere Gegend gratis in die Welt hinaus transportiert. Ein gut gestalteter Aufkleber, 10 cm groß und kostenfrei in jedem Briefkasten der Mittelrheiner wäre vielleicht lohnenswerter, als Prospekte in die Abflugdestinationen des Flughafen Hahn zu bringen.

Das „Wir sind das Tal“-Gefühl muss erst einmal auf Vordermann gebracht werden.

Interessant übrigens: Als ich in einem Facebook-Forum, in dem ich heute nicht mehr vertreten bin, einmal etwas negative Bilder aus meiner aktuellen Fotoproduktion für die Entwicklungsagentur des Landes zeigte, wurde ich sehr stark kritisiert und angefeindet bis hin zum Ausdruck „Nestbeschmutzer“.

Dann analysierte ich die Kritiker, und es waren nicht die Älteren ab 50 aufwärts, denen ich an den Karren gefahren bin. Es waren die 20- bis 40-jährigen, die sich zum Teil sogar persönlich angegriffen fühlten. Das bedeutet für mich: Diese Altersgruppe hat sich so an die deutlich sichtbaren Missstände im Tal gewöhnt, dass sie ihnen als normal begegnen und ihnen schon gar nicht mehr auffallen. Im Gegensatz bekam ich von der älteren Generation eher Zustimmung. Ich persönlich hätte es anders vermutet.

Die Digitalisierung hat eine Flut von Fotos und von Hobby-Fotografen hervorgebracht. Nervt dich das oder schätzt du die Vorteile? Immerhin sind Instagrammer aus aller Welt immer auch kostenlose Werber für das Mittelrheintal.

Ach, da gibt es immer wieder Trends, die kommen und gehen. Ich denke schon, dass Masse manchmal auch einen positiven Aspekt haben kann, aber wenn sich heute die Qualität eines Knipsers darüber definiert, ob seine gekauften oder kostenlosen Presets für seine Handy-Foto-App  gut sind, dann erfahre ich aber gegenläufig durch Buchungen meiner Auftraggeber, dass sich Qualität langfristig durchsetzt. Klar, Qualität hat auch ihren Preis, aber auf Dauer und im Ergebnis rechnet es sich, für gute Leistung auch fair zu bezahlen, auch im Foto- und Videobereich. Die Bilder werden noch Bestand haben, wenn man schon nicht mehr weiß, wie man Instagram oder Snapchat schreibt.

Foto: Herbert Piel

Glaubst du eigentlich, dass sich bei zu vielen Mittelrhein-Fotos irgendwann ein Ermüdungseffekt einstellt? Kann man eine Landschaft totfotografieren? 

Nein, absolut nicht, dafür ist die Landschaft einfach zu wandelbar und zwar zu jeder Jahreszeit. Übrigens auch im Winter, auch wenn das manche Gastronomen nicht wahrhaben wollen und daher viele Hotels oder Bewirtungs- und Übernachtungsbetriebe in der kalten Jahreszeit schließen.

Einige der eindrucksvollsten Fotos meines Langzeitprojektes habe ich im November oder Dezember gemacht. Vielleicht gilt es einfach nur, eine neue Zielgruppe zu erschließen. Es müssen ja nicht unbedingt Wintersportler sein, vielleicht wären Naturfotografen schon ein kleiner Anfang. Ein kleines, aber feines Programm für sie gestrickt, so z. B. bei – 18 Grad frühmorgens in Höhe der Pfalzgrafenstein mal auf den ersten Sonnenstrahl warten, der über die Berge ins Tal fällt. Das ist schon ein Erlebnis.

Foto: Herbert Piel

Was macht einen guten Fotografen aus?

Unauffälligkeit, Professionalität, gutes Bauchgefühl, Herz, absolute Beherrschung seines Handwerks und dass er sich niemals zu wichtig nimmt.

Ein Fotograf darf nie auffälliger sein als das Event, das er begleitet.

In einem SWR-Interview hast du gesagt, dass die Zukunft der Fotografie das Bewegtbild ist. Wie gehst du selbst mit dem Thema Video um? 

Ich produziere selbst seit 2 Jahren Videos, u. a. für die Industrie oder gerne auch für den Mittelstand. Des Weiteren zur Azubi-Aquise, teilweise für IT, Social Media, aber auch als Kino-Trailer. Man muss die Zielgruppe da abholen, wo sie sich aufhält. Leider haben viele Geschäftsleute in unserer Region die Macht des bewegten Bildes noch nicht ganz erkannt, und ich rede da von 1:30 Trailern – länger konzentriert sich niemand in der virtuellen Welt.

Wenn eine ganz neue Darstellungsform kommt, werde ich dabei sein, denn man darf niemals stehenbleiben.

Am Ende der „7 Fragen“ steht immer der Geheimtipp. Welches Lokal, welchen Laden und welchen Aussichtspunkt kannst du im Oberen Mittelrheintal besonders empfehlen? 

Auweia, also das Thema Gastronomie lasse ich mal aus, einfach aus dem Grund, weil ich mir da kein Urteil erlauben kann. Und Aussichtspunkt… Naja, der schönste Eindruck vom Tal für mich ist der Flug über den „Mini-Grand Canyon“ im Bereich Loreley. Ganz eindeutig … Man kann ja in Winningen starten 😉 

Foto: Herbert Piel

Schlussredaktion: Natascha Meyer

Bisher in der Reihe „7 Fragen an …“ erschienen:

Sebastian Busch (Landtagskandidat aus Lorch) – Christian Büning (Designer aus Oberwesel) – Sandra Bruns (Instagrammerin und Journalistin aus Emmelshausen) – Hasso Mansfeld (PR-Berater und Brücken-Aktivist aus Bingen) – Peter Theis (Gastronom und Shop-Betreiber in St. Goar) – Esther Pscheidt (Treibholzkünstlerin aus Lorch) – Wolfgang Blum (Wanderführer und Welterbe-Botschafter auf dem Rheinsteig) – Markus Fohr (Brauereibesitzer und Bier-Sommelier aus Lahnstein) – Christin Jordan und Lars Dalgaard (Journalisten und Winzer in Eltville und Oberdiebach) – Nadya König-Lehrmann (Welterbe-Managerin in St. Goarshausen) – Jörg Lanius (Winzer in Oberwesel) – Mario Link (Lebensmittel-Händler in Boppard) – Rolf Mayer (Kultur- und Event-Manager in Boppard) – Uwe Girnstein (Hotelier in Kamp-Bornhofen)  – Stefan Herzog (Tourismus-Berater und früherer Marketingchef für die Region Rheinhessen) – Horst Maurer (Welterber-Gästeführer aus Oberdiebach) – Gerd Ripp (Gastronomie-Unternehmer auf Schloss Rheinfels und Maria Ruh) – Niko Neuser (Kommunalpolitiker aus Boppard) – Christof A. Niedermeier (Krimi-Autor aus Frankfurt und Schöpfer von „Jo Weidinger“) – Stefan, Andreas und Markus Wanning (Gin-Macher aus Münster-Sarmsheim) – Christoph Bröder (Burgenblogger auf Sooeneck) – Hubertus Jäckel (Architekt aus Oberwesel) – Bernd und Marion Stahl (Gastronomen in Boppard) – Markus Hecher (Burgherr auf Rheinstein) – Timo Ahrens (Strandbar-Gründer aus Oberwesel) – Philipp Loringhoven (Kommunalpolitiker aus Boppard) – Carolin Riffel (Winzerin aus Bingen) – Sarah Hulten – Ex-Weinkönigin, Winzerin und Riesling-Influencerin aus Leutesdorf – Walter Mallmann (Politiker aus St. Goar) – Franziskus Weinert (Einzelhändler und E-Commerce-Experte aus Oberwesel) – Klaus Becker (Präsident der TH Bingen) – Marek Gawel (Hotelier aus Boppard) – Andreas Roll (Initiator der Bopparder „Stolpersteine“, Kommunalpolitiker und Verkehrsplaner) – Rolf Wölfert (Tourismuschef in Rüdesheim) – Joachim Noll und Susanne Pander(Reeder in Boppard) – Tanja Werle (Bloggerin im Rheingau) – Anna Elisabeth Bach (Pensionsbesitzerin, Heilpraktikerin und Himalaya-Reisende aus Boppard) – René Klütsch (Koch und Gastronom in Boppard-Weiler)

Termine des Tages

Lahnstein – Hexenmarkt – 14. Oktober. Facebook

Oberwesel – Spaziergang vom Minoritenkloster zum Pfarrgarten St. Martin – 14. Oktober, 11 Uhr. oberwesel.de

Trechtingshausen – Genuss und Hobbykunst im Historischen Ortskern – 14. Oktober, ab 11 Uhr. VG Rhein-Nahe

Rüdesheim – Hildegard-Wein-Walk – 14. Oktober, 13 Uhr 30 ruedesheim.de

Pfalz bei Kaub – „Des Kaysers Bombardier“ / Soldat und Waffenhandwerk im Dreißigjährigen Krieg – 13. Oktober, 15 Uhr. tor-zum-welterbe.de

Lorch – Zwiebelkuchenfest in 5 Lorcher Weingütern – Samstag, 14. Oktober ab 15 Uhr. Stadt Lorch

Bingen – Riesling-Terroir am Binger Rochusberg / Wanderung mit Andreas Stolz – 14. Oktober, 16 Uhr. bingen.de

Oberwesel – „Goldener Oktober“  im Weingut Lithos – 14. Oktober, ab 17 Uhr. Facebook

Spay – „Jazz in der Kirche 2018“ – 14. Oktober, 17 Uhr. Facebook

Bingen – „Binger Herzlicht – das Lichtspektakel am Kulturufer“ – 14. Oktober, 18 – 23 Uhr. bingen.de

Boppard – „Book Club – das Beste kommt noch“ / Kino in der Stadthalle – 14. Oktober, 20 Uhr. boppard.de

Foto des Tages

Sonntags kommt Mittelrheingold mit der Post

Der wöchentliche E-Mail Newsletter „Mittelrheingold Auslese“ sammelt die besten Artikel, Videos und Termine. Hier geht’s zum kostenlosen Sonntags-Abo.