Manche Menschen vermuten, Gerd Ripp müsse es in Wahrheit zwei- oder dreimal geben. Der gelernte Kellner, Koch und Hotelbetriebswirt war 20 Jahre lang Manager des Schlosshotels Rheinfels, ehe er den 4-Sterne-Betrieb selbst übernahm – mit null Eigenkapital, dafür aber mit Tatkraft und Ideen. Mittlerweile gehört auch Maria Ruh zu seinem Reich – der „One-Million-Dollar-Blick“, wie Ripp die Traumlage gegenüber der Loreley nennt. Dort finden seit 2017 auch Konzerte statt: die „Maria Ruh Classix“ starten am kommenden Wochenende in die neue Saison. Der heute 60-Jährige ist auch in der Buch-Branche aktiv geworden. Er schrieb über Zaubertricks (ein Hobby), über Rum und Zigarren (eine Leidenschaft) und über unternehmerischen Mut und Querdenken (ein Lebensthema). Zuletzt sorgte er mit seinem Projekt „RheinfelsMomente“ für Aufsehen: Er ersetzte das traditionelle Prosepektmaterial samt Speisekarten durch ein einziges Buch mit allen wichtigen Informationen. 7 Fragen an einen Vollblut-Unternehmer und Innovator am Mittelrhein.
Rheinfels ist eines der wenigen 4-Sterne-Hotels am Mittelrhein. Wie bist du zum Inhaber und Schlossherren geworden?
Angefangen habe ich 1982 als Hoteldirektor und GmbH-Geschäftsführer. 2003 bot sich Möglichkeit, das Schlosshotel in Erbpacht auf 99 Jahre zu erwerben. „Nur“ Erbpacht deshalb, weil die Burg Rheinfels vor vielen Jahren eine Schenkung der Hohenzollern an die Stadt St. Goar war – mit der Auflage, sie nie zu veräußern. Das Anwesen Villa Rheinfels und die weiteren 3 Appartmenthäuser hingegen konnten direkt von der Besitzerfamilie Fritz Homann erworben werden. Sodass heute aus Schloss Rheinfels, Villa Rheinfels und Gut Rheinfels ein kleines Hoteldorf entstanden ist. Nach reiflicher Überlegung mit meiner Familie ging es dann auf die Suche nach dem Kapitalgeber. Bei vielen Banken wurden wir abgewiesen, weil kein Eigenkapital vorhanden war. Aber in der Kreissparkasse in Simmern fanden wir unseren Partner und legten los. Nicht nur der Kaufpreis für alle Objekte wurde gestemmt, sondern es galt auch gleich noch, unsere Visionen umzusetzen und zu finanzieren. Ich denke, dass wir damals einen guten Zeitpunkt erwischt haben und dass dieser „Millionen-Deal“ auf großem Vertrauen aufgebaut wurde. Heute wäre das wohl nicht mehr denkbar, mal eben ein Schloss – ohne Eigenkapital – und alle Nebenobjekte auf diese Weise zu erwerben. Nun, es wurde einfach unser „Märchenschloss“.
In den kommenden Jahren stehen eine Menge Sanierungsarbeiten auf dem eigentlichen Burggelände an. Freust du dich oder sind die Baustellen ein Problem?
In den nunmehr 36 Jahren hier auf Rheinfels ist wohl kein Jahr ohne Baustelle vergangen – ob nun in der stadteigenen Ruine oder eben direkt bei uns im Schlosshotel. Es liegt ja in der Natur der Sache, dass eine historische Anlage immer restaurierungs- und sanierungsbedürftig ist und wir uns m Schlosshotel stetig verbessern müssen – und wollen. Mit bester Rücksicht auf unsere Gäste und mit einem gut durchdachten Bauzeitenplan ist das immer möglich. Wenn der Gast nicht durch Lärm und Dreck belästigt wird, ist nicht nur das Verständnis, sondern auch Freude da. Wir wollen doch alle, dass deutsche Kulturgüter erhalten oder besser noch: wieder aufgebaut werden.
Seit einigen Jahren betreibst du mit „Maria Ruh“ ein Ausflugslokal gegenüber der Loreley. Wie schwer war, es an dieser Stelle zu bauen und zu gestalten?
Hierzu muss man wissen, dass wir dieses wunderbare Wald-Chalet, mit dem „One-Million-Dollar-Blick“, auf eine langjährige Pacht hin betreiben. Der Besitzer möchte diesen einzigartigen Standort nicht verkaufen – was ich natürlich nachvollziehen kann. Somit wurde ein Agreement zwischen dem Besitzer und der Schlosshotel-Gesellschaft geschlossen. Wir investierten zu gleichen Teilen in eine brachliegende „Holzbude“, indem wir alles grunderneuert haben. Zudem wurden wir von der Gemeinde Urbar mit offenen Armen aufgenommen. Dadurch können wir heute – im wahrsten Sinne des Wortes – die terrassenförmige Gartenanlage bespielen, die sich im Eigentum der Gemeinde befindet. Es gibt Veranstaltungen wie zum Beispiel Oldtimer-Treffen, Hochzeiten und Picknick-Events. Seit dem vergangenen Jahr dient die Anlage auch als Konzertfläche. Mit den „Maria Ruh Classix“ bieten wir hier Konzerte für die „leichte Muse“, von Klassik über Tribute bis hin zur Volksmusik. Mit Hilfe einer LeaderPlus-Förderung haben wir 2017 auch eine feste Bühne installieren können. Es wäre zu schade gewesen, hätte man diesen fulminanten Ort im Dornröschenschlaf belassen.
Viele Mittelrhein-Gastronomen klagen über Nachwuchs- und Personalmangel. Wie gehst du mit dem Thema um?
Diese Frage ist allgegenwärtig und grundsätzlich ein Problem unserer heutigen Gesellschaft. Dazu lässt sich so vieles zu sagen, dass wir eigentlich einen eigenen Blog dafür aufmachen müssten. Von Themen wie Arbeitsmoral, Freizeitgesellschaft, Dienst am Menschen, Würde, aber auch die „hauseigenen“ Probleme in der Gastro-Branche, wie wir teilweise mit unseren Mitarbeitern in der Vergangenheit umgegangen sind, bis hin zu der überkandidelten Bedürfniswelt der Menschen in der heutigen Zeit …… das alles füllt Bücher!
Zu deiner Frage: Wir haben kein so großes Personal- und Nachwuchsproblem wie viele unserer Kollegen. Das liegt vielleicht daran, dass wir ein Ganzjahresbetrieb sind. Hinzu kommt, dass unsere Reputation in der Hotellerie sehr groß ist, wir deshalb Mitarbeiter aus ganz Deutschland rekrutieren können. Außerdem haben wir uns einen Namen in punkto Ausbildung erarbeitet. Zum Beispiel engagieren sich unser Küchenchef und unser Gastronomieleiter in deren jeweiligen Prüfungsausschüssen, und ich selbst bin als Gastdozent an der Hotelfachschule in Koblenz tätig. Nicht zu vergessen sind natürlich die Basic: gutes Betriebsklima, Umgang, Weiterbildung, Freizeit und Lohn.
Welchen Rat würdest du einem Kollegen geben, der einen Betrieb am Mittelrhein übernehmen möchte?
Finde das, was dir liegt und mach in deinem Bereich das Beste daraus! Auch wenn es abgedroschen klingt: Qualität, Qualität und nochmals Qualität ist das oberste Gebot. Egal, ob Döner-Bude oder 5-Sterne-Hotel: An Perfektion angrenzend muss es mit viel Engagement betrieben sein, man muss es mögen, man muss überzeugt sein von dem, was man anbietet und vor allem man muss Lust und Freude für den „Dienst am Gast“ haben.
Spätestens 2031 kommt die Buga. Was muss bis dahin am Mittelrhein passieren?
Alle freuen wir uns auf die Zukunft, auch auf die Bundesgartenschau in gut zehn Jahren, sicherlich. Aber schauen wir uns die Errungenschaft „Unesco Welterbe“ an. Auch hier ist schon im Vorfeld viel in die Infrastruktur investiert worden. Es wurden Wander- und Radfahrwege geschaffen, Haussanierungen subventioniert und St. Goar sollte als „Modellstadt“ zum Vorzeigeörtchen werden. Diese politischen Maßnahmen sind grundsätzlich zu begrüßen, auch wenn ich selbst nicht mit allen Dingen einverstanden bin. Was nützt mir beispielsweise ein schöner Wanderweg, wenn an meinem Gasthausziel „Heute geschlossen“ steht? Oder warum ist es nicht möglich, ein Fahrrad in Boppard zu mieten, das wir in Bingen wieder abgeben können. Oder, warum erstelle ich eine Aussichtsplattform für fast 2 Millionen Euro und schmettere die revolutionäre Idee einer Hängeseilbrücke zur Loreley ab? Und wo ist unsere Brücke? Diese Pläne liegen seit über 50 Jahren in den politischen Schubladen. Oder warum subventioniert das Land nicht wenigstens die Fährbetriebe und sorgt für einen 24 Stunden-Betrieb? Das alles ist oft der Politik geschuldet. Ich wünsche mir bis zur Bundesgartenschau jedenfalls Fortschritt und für uns Menschen ein besseres „Wir-Gefühl“ und Qualität in allen Angeboten.
Welche besonderen Mittelrhein-Empfehlungen hast du für deine Gäste?
Ich empfehle besonders eine Wanderung oder eine Ausfahrt mit unserem „Schnauferl“ mit mir. Hier zeige ich allen „Mitreisenden“ die schönsten Plätzchen am Mittelrhein – denn wir leben hier in einem Stück Deutschland, das einzigartig ist.
Bisher in der Reihe „7 Fragen an ….“ erschienen:
Sebastian Busch (Landtagskandidat aus Lorch) – Christian Büning (Designer aus Oberwesel) – Sandra Bruns (Instagrammerin und Journalistin aus Emmelshausen) – Hasso Mansfeld (PR-Berater und Brücken-Aktivist aus Bingen) – Peter Theis (Gastronom und Shop-Betreiber in St. Goar) – Esther Pscheidt (Treibholzkünstlerin aus Lorch) – Wolfgang Blum (Wanderführer und Welterbe-Botschafter auf dem Rheinsteig) – Markus Fohr (Brauereibesitzer und Bier-Sommelier aus Lahnstein) – Christin Jordan und Lars Dalgaard (Weinliebhaber, Journalisten und Nebenerwerbswinzer in Eltville und Oberdiebach) – Nadya König-Lehrmann (Welterbe-Managerin in St. Goarshausen) – Jörg Lanius (Winzer in Oberwesel) – Mario Link (Lebensmittel-Händler in Boppard) – Rolf Mayer (Kultur- und Event-Manager in Boppard) – Uwe Girnstein (Hotelier in Kamp-Bornhofen) – Stefan Herzog (Tourismus-Berater und früherer Marketingchef für die Region Rheinhessen) – Horst Maurer (Welterber-Gästeführer aus Oberdiebach)
Termine des Tages
Oberwesel – Mittelalterliches Spectaculum – 20. Mai, spectaculum-oberwesel.de
Bingen – Pfingstbrunch in der Vinothek – 20. Mai, ab 10 Uhr 30. bingen.de
Lorch – Wisperfest im Weingut Laquai – 20. Mai, ab 11 Uhr. lorch-rheingau.de
Bingen – Kostümführung mit „Amtmann Bernhard von Breidenbach“ – 20. Mai, 11 Uhr. bingen.de
Bingen – Schiffebegrüßen mit Michael Choquet und Andreas Schmitt, 20. Mai, 11 – 15 Uhr. bingen.de
Bacharach – Filippo, Paul & Friends / Konzert in der Münze, 18 Uhr. Facebook
St. Goar – Konzert mit Henriette Meyer-Ravenstein und Friedrich Bastian – 20. Mai, VG St. Goar-Oberwesel
Foto des Tages:
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