Frank Zimmer

„Man braucht Enthusiasmus und ein dickes Fell“ – 7 Fragen an Ivo Reßler

Am 26. Mai werden nicht nur in Rheinland-Pfalz neue Bürgermeister gewählt. Im hessischen Lorch kandidieren der Amtsinhaber von der CDU, der Vorsitzende der SPD-Fraktion und ein Neuling, der sein Geld seit jeher in der Privatwirtschaft verdient und auch sonst nicht zum Lorcher Polit-Establishment gehört: Ivo Reßler. Der Ingenieur und IT-Experte tritt ähnlich wie Falko Hönisch in St. Goar ohne Sitz im Kommunalparlament an. 7 Fragen an einen Lokalpolitiker neuen Stils.

Ivo Reßler in Lorch
Ivo Reßler will Bürgermeister von Lorch werden. © kalbacho-foto

Ivo, du kennst Lorch seit deiner Bundeswehrzeit in den 80ern. Wie hat sich die Stadt seitdem verändert?

Nun, es ist viel ruhiger geworden in Lorch: Keine Panzer und keine Soldaten mehr, und die Kaserne ist in einen Gewerbepark umgewandelt worden. Viele Geschäfte in Lorch, die es Mitte der 80er gab, z. B ein Schmuckladen und Optiker, Schuhmacher, Milchladen, Eissalon, Metall- und Werkzeugladen, sind heute längst verschwunden. Der „Markt“ in Lorch stirbt aus, das war einmal das Herz der Stadt. Heute gibt es noch die Drogerie Holz und gleich nebenan die Poststelle mit Schreibwaren und die Bäckerei Laquai. Innerhalb der letzten 2 bis 3 Jahre haben 2 Metzger und der Blumenladen ihre Pforten geschlossen. Die Lebensqualität ohne diese kleinen Geschäfte, ohne ein offenes Café am Sonntag und ohne ein lebendiges Stadtleben, nimmt stetig ab. Gut zwei Jahrzehnte nach dem Abzug der Bundeswehr ohne ein schlüssiges Zukunftskonzept hinterlassen ihre Spuren. Dennoch ist es schön, in Lorch zu leben und die Zukunft im Blick zu haben. Wir haben Chancen, wir müssen sie zu nutzen wissen.

Du kandidierst für das Amt des Bürgermeisters, ohne vorher Stadtverordneter gewesen zu sein. Was war der Anlass?

Ich habe die Politik in Lorch mit wachsendem Interesse verfolgt. Je länger ich in Lorch lebe, in Vereinen, Nachbarschaft sowie Freundes- und Bekanntenkreis eingebunden bin, desto mehr kristallisiert sich der Wunsch heraus, aktiv an der Gestaltung meines Wohnorts mitzuwirken. Die aktuelle politische Szene zeigt sich eher zurückhaltend in Sachen Zukunftsperspektiven für Lorch. Auch versteckt man sich hinter dem demografischen Wandel und hinter der Schranke in Rüdesheim. Das möchte ich ändern und aktiv mit Lorch, den Menschen und der Politik in die Zukunft gehen.  So reifte mit der Zeit der Entschluss, als Bürgermeisterkandidat anzutreten.

Wie viel Zeit investierst du in den Wahlkampf?

Neben meiner Vollzeitstelle investiere ich geschätzt 10 bis 20 Stunden wöchentlich in den Wahlkampf. Allerdings kann das meine Frau besser beurteilen, denn sie hält mir den Rücken frei und sieht mich seit 12 Wochen kaum, auch meine Kids nicht. Ich hoffe, nach dem 26. Mai wird es wieder etwas entspannter.

Geld bekommst du nur, wenn du die Wahl gewinnst, und ehrenamtliche Kommunalpolitiker stehen alle vor demselben Problem: Sie müssen Engagement und Broterwerb unter einen Hut bekommen. Wie regelst du das?

Ich zwacke die Zeit für Recherchen, Wahlkampf und Gespräche von meiner Freizeit ab. Dazu gehört auch das Wochenende und mal Nachtschichten. Viel Zeit benötigt die Gestaltung von Flyern und Plakaten, der Aufbau der Website sowie die Aktivitäten in den sozialen Netzwerken. Das erfordert natürlich Enthusiasmus und ein gutes Stück Idealismus sowie ein dickes Fell. Ohne mein Unterstützerteam und dessen Engagement wäre das so nicht zu leisten gewesen. Sie investieren viel ihrer Freizeit in meinen Wahlkampf, allen ein ganz großes Lob und Dankeschön! Erwähnenswert ist auch, dass mein Arbeitgeber mir soweit betrieblich möglich entgegenkommt, und ich meine Arbeitszeiten flexibler gestalten kann.

Wie ist dein Verhältnis zu deinen Gegenkandidaten Jürgen Helbing und Georg Breitwieser? Könnt ihr Politik und Persönliches noch voneinander trennen, oder seid ihr alle zu 100 Prozent im Wahlkampfmodus?

Da kann ich nur für mich sprechen.  Meine Mitbewerber um das Amt des Bürgermeisters behandle ich genauso mit Respekt, Achtung und Höflichkeit, wie ich es immer mache. Wahlkampf ändert daran nichts. Ein fairer Umgang in der politischen Diskussion ist mir wichtig; die Fähigkeit, Persönliches von der Arbeit trennen zu können, gehört zu Professionalität.

Welche Begegnungen haben dich im Wahlkampf besonders beeindruckt?

Die Menschen, die mich bei meinen Vorstellungsrunden kritisch hinterfragten und mein Konzept intensiv auf Herz und Nieren prüften.

Dann der Zuspruch, der Ideenreichtum, der Pragmatismus und das unkomplizierte Miteinander im Unterstützerteam

Und eine 82-jährige Dame, mit der ich ins Gespräch kam. Bisher wählte sie immer „ihre“ Partei. Aber dieses Jahr würde ich es ihr „sehr schwer machen.“

Am 26. Mai wird gewählt. Was machst du am 27.?

Um 6:30 Uhr aufstehen, mit meiner Familie frühstücken, nach Mainz fahren und arbeiten

Schlussredaktion: Natascha Meyer

Zuletzt in der Reihe „7 Fragen an …“ erschienen

Claudia Schwarz (Tourismus-Managerin und Welterbe-Repräsentantin aus St. Goar) – Sonja Spano (Restaurant-Einrichterin und Raumausstatterin in Boppard) – Marcel D’Avis (Banker und Designer aus Oberwesel) – Gero Schüler (Winzer und Student aus Steeg) – Marlon Bröhr (Landrat des Rhein-Hunrück-Kreises) – Matthias Pflugradt (Medienprofi, Bestatter und Loreley-Rebell aus St. Goarshausen) – Heinz-Uwe Fetz (Weinbau-Präsident, Winzer und Gin-Macher aus Dörscheid) – Michael Maul (Sprecher der Fährbetriebe am Mittelrhein) – Martin Nickenig (Bäckermeister in Boppard) – Walter Bersch (Bürgermeister von Boppard) – Robert Wurm (Ex-Manager und Winzer in Lorch) – Marcus Schwarze (Journalist, Digitalberater und Buga-Blogger) – Tristan Storek (Düsseldorfer Jungwinzer und Techniktalent in Steeg) – Andreas Nick (Lehrer, Kommunalpolitiker und Hostel-Besitzer in Bad Salzig) – Jean-Michel Malgouyres (französischer Küchenchef in Rüdesheim) – Natascha Meyer (Kanzlei-Managerin, Lektorin und Boppard-Botschafterin) – Heiner Monheim (Verkehrsforscher und Bahnlärm-Bekämpfer) – Carolin Weiler (Winzerin und „FAZ“-Liebling aus Lorch) – Petra Bückner (Tourismuschefin in Lahnstein) – Michael Stein (Kommunalpolitiker aus Bingen) – Falko Hönisch (Opernsänger und Bürgermeisterkandidat in St. Goar) – Kathrin Büschenfeld (Apothekerin in Lorch) – Dieter Stein (IT-Manager und Konzertveranstalter aus St. Goar) – Peter Henrich (Archäologe in Koblenz) – Martin Bredenbeck (Geschäftsführer des Rheinischen Vereins) – Markus Patschke (Energieberater in Bacharach) – Ulrich Lautenschläger (Konzertveranstalter auf der Loreley)

Termine des Tages

Bingen – Binger Gartenmarkt – 12. Mai, 11 Uhr – 17 Uhr 30. bingen.de

Bacharach – Vierthälermarkt – 12. Mai, ab 11 Uhr. VG Rhein-Nahe

Rüdesheim – Deutscher Sekttag im Sekthaus Ohlig – 12. Mai, 11 – 19 Uhr. ohlig-sekt.de

Bingen – „Fridas Sommer“ im Programmkino Kikubi – 12. Mai, 15 Uhr. bingen.de

Festung Ehrenbreitstein – Schlenderweinprobe – 12. Mai, 16 Uhr. tor-zum-welterbe.de

Festung Ehrenbreitstein – „Mendelssohn in Koblenz“ / Villa Musica Burgenklassik  / Vigato Quartett mit Veronica Bejnarowicz, Laura Kania, Marc Kopitzki, Gereon Theis – 12. Mai, 18 Uhr. tor-zum-welterbe.de

Boppard – „Monsieur Claude 2“ / Cinema in der Stadthalle – 12. Mai, 20 Uhr. boppard.de

Foto des Tages

Rudolf Decker fotografierte den Regenbogen vom Bopparder Hamm aus.
Rudolf Decker fotografierte den Regenbogen am Mandelstein im Bopparder Hamm.

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