Frank Zimmer

„Ich bin ein Freund von kreativem Lärmschutz“ – 7 Fragen an Heiner Monheim

Wenn sich Verkehrsströme und Raumentwicklung im Weg stehen, wird Heiner Monheim gerufen. Der Trierer Geografie-Professor gilt seit Jahrzehnten als Koryphäe für umweltgerechte Mobilität und berät auch nach seiner Emeritierung Kommunen und Behörden. Das Mittelrheintal kennt er seit seiner Kindheit. 7 Fragen an den Guru der Bahnstrecken und Brücken.

Heiner Monheim ist Experte für Verkehrsentwicklung. Foto: Raumkom
Heiner Monheim ist Experte für Verkehrsentwicklung. Foto: Raumkom

Du stammst aus Aachen, lehrtest bis 2011 in Trier und wohnst in der Nähe der Ostsee. Was verbindet dich persönlich mit dem Mittelrhein?

Da fehlen noch zwei wichtige Stationen. Ich habe von 1972 bis 2015 in Bonn gelebt und dort 16 Jahre in einer Bundesbehörde gearbeitet, die Konzepte für eine flächenhafte Verkehrsberuhigung und ortsgerechte Umgestaltung von Ortsdurchfahrten klassifizierter Straßen entwickelte. Dann habe ich 10 Jahre im Landesverkehrs- und Städtebauministerium des Landes NRW viele Stadterneuerungs- und Verkehrsberuhigungsprojekte umgesetzt. Parallel dazu habe ich die Arbeitsgemeinschaft „Historische Stadt- und Ortskerne“ betreut, die mit vielen ähnlichen Anforderungen konfrontiert war, wie sie jetzt im Mittelrheintal anstehen.

Doch zurück zum Anfang. Meine Beziehung zum Mittelrheintal begann Ende der 1950-er Jahre durch die ersten Radtouren zwischen Aachen, Trier, Koblenz und Köln mit meiner Pfadfinder-Jugendgruppe. Meine Großmutter väterlicherseits lebte in Aachen, Oma und Opa mütterlicherseits in Bochum. So bin ich sehr viel mit den damaligen D- und FD-Zügen zwischen Heidelberg, wo ich die ersten 10 Jahre meines Lebens verbrachte, und Aachen bzw. Bochum unterwegs gewesen, oft genug schon als kleiner Knirps. Dann stand ich immer am Fenster und bestaunte die vielen Schlepper mit den angehängten Lastkähnen, die tollen Felslandschaften und die Ortsbilder mit den vielen Burgen. Als Student bin ich oft zwischen Aachen und München im Nachtzug-Liegewagen und später – mit etwas mehr Geld – auch im Schlafwagen durch das Rheintal gefahren, das mit seinen vielen Lichteffekten auch nachts eine faszinierende Kulisse bot. Damals fuhren die Züge noch deutlich langsamer, daher war der Schienenlärm weniger dramatisch.

Ich hatte immer wieder beruflich mit den Verkehrsproblemen zu tun, habe viele Vorträge gehalten in Boppard, Bingen, Koblenz und Lahnstein. Ich habe versucht, den Straßenbau etwas zu mäßigen, leider mit wenig Erfolg. Die Koblenzer Buga- Seilbahn habe ich mit viel Sympathie begleitet.

Das Welterbetal ist für dich auch beruflich ein Thema. Du bist Verkehrsexperte und beschäftigst dich mit dem Bahnlärm. Was würdest du dagegen unternehmen?

Ich bin ein Freund von kleinen Sofortmaßnahmen und vor allem kreativem Lärmschutz. Dazu gibt es zwei Teststrecken. Das sind kniehohe Mäuerchen direkt an den Schienen, kombiniert mit Gummibriketts auf den Schienenhälsen. Hinzu müssten auch noch „Bauchbinden“ aus Gummiwülsten an allen Güterwaggons angebracht werden. Denn als Metall-Hohlkörper strahlen sie massiv Lärm ab. Man kann auch andere Metallteile an Güterwagen gummipuffern. Wie lärmreduzierter Schienenverkehr funktionieren kann, beweist der Nahverkehr mit seinen modernen Triebwagen, die auf beiden Seiten viel leiser unterwegs sind als die alten Nahverkehrswagen.

Dann gibt es noch Tempolimits aus Lärmschutzgründen für den Nachtverkehr. Im Straßenverkehr werden nächtliche Tempolimits immer öfter angeordnet. Im Mittelrheintal leider noch nicht oft genug, obwohl die beiden Bundesstraßen ja oft direkt an der Bebauung vorbeiführen. Dem nächtlichen Güterverkehr machen Tempolimits überhaupt nichts aus, denn bei der Güterbahn geht es um Zuverlässigkeit und nicht um Schnelligkeit. Klassische, hohe Lärmschutzwände kommen aus Gründen des Ortsbildes weder für die Schiene noch für die Straße infrage.

Für die Alternativtrasse sehe ich kurzfristig wenig Chancen, das wird ein Jahrhundertprojekt. Da sind in der Vergangenheit große Fehler gemacht worden. Die Neubaustrecke Köln-Frankfurt wurde exklusiv für den Hochgeschwindigkeitsverkehr gebaut, obwohl schon damals klar war, dass man dringend eine Alternativtrasse brauchte. Hätte man eine polyvalente Trasse gebaut, hätte sie den gesamten überregionalen Güterbahnverkehr aufnehmen können.  Auch der Eifelkorridor hätte mit einer Elektrifizierung und einem moderaten Ausbau der Strecke Köln-Trier sowie einem Netzschluss zwischen Eifelbahn und Hunsrückbahn Alternativoptionen geboten. Die Hochmoselbrücke hätte genutzt werden können, die leider ohne jede Berücksichtigung des Schienenverkehrs geplant wurde.

Eine komplette Neubautrasse mit 100 km Tunnel hat angesichts der finanziellen Probleme der Bahn mit ihren bisherigen Großprojekten auf absehbare Zeit keine Chance. Allerdings ist das aktuelle Argument des Bundesverkehrsministeriums, damit sich so etwas lohne, müsse man noch 10 Mal mehr Güterzüge durch das Mittelrheintal schicken, blanker Zynismus. Handelt es sich doch um die höchst belasteten Güterbahnstrecken Deutschlands. Trotzdem plädiere ich für mehr bestandsorientierte Konzepte. Dabei muss man die links- und rechtsrheinischen Korridore auf ihre typischen Risiken wegen mehr oder weniger dicht durchfahrener Siedlungen und notwendiger Lärmschutzmaßnahmen überprüfen. Natürlich wird das nicht ohne Proteste geschehen, wie sie im Siegtal bereits beginnen. Auf der Eifelstrecke ist man noch nicht so weit, und dort würde die Elektrifizierung ja auch dem Personenverkehr große Vorteile bringen. Beide Korridore brauchen jedenfalls eine sehr lärmsensible Planung, wenn sie Akzeptanz finden sollen.

 

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Wie hoch ist der Aufwand, und warum macht man es nicht einfach? Viele Menschen hoffen auf den Riesentunnel auf der rechten Rheinseite oder zumindest die Umfahrung von St. Goar und Oberwesel. Wie realistisch ist das?

Eine komplette Neubaustrecke erzeugt gigantische Kosten und das praktisch parallel zur schon bestehenden Neubaustrecke. Das ist derzeit nicht realistisch und wird Generationen dauern. Darum plädiere ich ja so für Sofortmaßnahmen, ein „Lärmlabor“ Mittelrheintal. Das ist in fünf Jahren umsetzbar, weil die minimal invasiven Lärmschutzmaßnahmen auch ohne Planfeststellung möglich sind.

Das andere große Verkehrsthema ist die Brücke zwischen St. Goar und St. Goarshausen. Braucht man eine Mittelrheinbrücke, oder wären bessere Fährverbindungen die Lösung?

Auch hier bevorzuge ich eine bestandsorientierte, kleine Lösung, nämlich einen weiter ausgebauten Fährverkehr mit längeren Bedienungszeiten und verbundintegrierten Tarifen. Vielleicht sogar einen alltagsmobilitätsorientierten Linienschiffsverkehr, der zwischen beiden Ufern hin und her pendelt.

Eine weitere Seilbahnquerung wie in Koblenz ist im Mittelrheintal durchaus denkbar, aber der Primat liegt bei den Fähren.

Auch wenn die aktuelle Brückenplanung schon deutlich sensibler ist als die Hochmoselbrücke, bedeutet sie doch einen starken Eingriff in das Welterbegebiet. Als reine Gemeindeverbindungsbrücke könnte man ein solches Projekt vielleicht sehr orts- und landschaftsschonend konzipieren und als reinen Fuß- und Radverkehrssteg erst recht. Aber als Brücke im Fernstraßennetz bekommt sie einen ganz anderen Charakter. Wenn Bund und Land das Projekt finanzieren, dann werden sie die Netztauglichkeit als Verbindung zwischen den Bundesstraßen im Tal und den Autobahnen auf den Höhen fordern. Die Gemeinden selber können eine solche kleine Brücke nicht finanzieren.

2029 findet die Buga statt. Welche Verkehrsprojekte sind bis dahin machbar?

Ich denke, die beidseitigen Ufer müssen deutlich aufgewertet werden. Es gibt dafür schon tolle Beispiele mit schönen Promenaden, Grünflächen, gelungenen Aussichtskanzeln und schönen Fähranlegern. Aber das muss jetzt überall mit System angegangen werden. Da müssen die Straßenplaner viel kompromissbereiter werden. Der Platz für Fuß- und Radverkehr an den Bundesstraßen muss deutlich verbreitert werden, schließlich sind beide Ufer wichtige europäische Fahrradtourismusverbindungen, aber oft noch mit sehr schlechten Bedingungen.

Die Trennwirkung der noch viel zu schnell befahrenen Bundesstraßen muss durch mehr Querungshilfen (Mittelinseln mit Bäumen, Pflasterstreifen, Engstellen, Gehwegnasen etc.) abgebaut werden, damit die Ortskerne und die Uferzonen eine Einheit bilden können. Die Ortseingänge brauchen eine klare gestalterische Markierung mit Mittelinseln, Baumtoren und ortstypischen Symbolen. Die Orte selbst müssen ihre teilweise schon sehr beachtliche Verkehrsberuhigung weiter fortsetzen, weil viele historische Straßen noch nicht altstadtgerecht gestaltet sind. Oft hört die Verkehrsberuhigung plötzlich ohne Grund auf.

Es ist ganz erstaunlich, dass einige Höhenorte wirklich ortsgerechte Verkehrsberuhigungsmaßnahmen mit sehr schmalen Fahrbahnen umgesetzt haben, davon könnten sich die Orte im Tal teilweise eine Scheibe abschneiden.

Ein wichtiges Handlungsfeld ist der Busverkehr, der die Höhenorte mit den Talorten verbinden muss und bisher noch lückenhaft und vorrangig schülerverkehrsfixiert ist. Auch da gibt es schon gute Beispiele mit Mini- und Midi-Bussen sowie Ruf-Bussen. Bis zur Buga muss das systematisch weiterentwickelt werden, mit einem integralen Taktfahrplan und einer guten Bus-Schiene-Verbindung. Flussparallel muss der Busverkehr verdichtet werden, und die größeren Orte brauchen eigene Ortsbus-Systeme. Die Buga sollte so wenig Autoverkehr wie möglich erzeugen. Dafür braucht man dann auch ein gutes Kommunikationskonzept.

Welcher Ort am Mittelrhein liegt dir besonders am Herzen?

Eigentlich alle. Die Loreley ist spektakulär, und oben wird sie toll hergerichtet. Unten muss man die Aufenthaltsqualität dagegen noch stark verbessern.

Mich bekümmern die vielen Leerstände von Häusern sowie Gastronomie und Hotels, eine systematische Folge der ungelösten Lärmprobleme. Meine Hoffnung ist, dass die einmalige, flussparallele Buga über den Welterbestatus hinaus der Region und dem ganzen Tal – ähnlich wie die Koblenzer Buga der Stadt Koblenz –  einen kräftigen Entwicklungsimpuls gibt. Ich hoffe, dass die Deutsche Bahn und die Straßenbauverwaltung, aber auch die Gemeinden und Kreise sich darüber bewusst sind, dass hier viel auf dem Spiel steht und sie kreativ, flexibel und ohne Tabus arbeiten müssen.

Schlussredaktion: Natascha Meyer

 

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@gluexmoment . Thanks to cultural heritage management and care, the town Bacharach is nowadays regarded as a good example of the medieval architecture in the Middle Rhine Valley and is considered a „gem of the Rhine romanticism.“ @gluexmoment strolled through pretty Oberstraße („Upper Street“) in the UNESCO world heritage town, where she took this beautiful photo. ☺ . Dank Denkmalschutz und Pflege ist der Ort Bacharach heutzutage ein gutes Beispiel für die mittelalterliche Architektur im Mittelrheintal und gilt als „Juwel der Rheinromantik“. @gluexmoment ist durch die hübsche Oberstraße im UNESCO-Welterbe-Ort spaziert, wo sie dieses schöne Foto gemacht hat. ☺ ____ #visitrlp #bacharach #mittelrheintal #middlerhinevalley #mittelrhein #rheinlandpfalz #rlp #rhinelandpalatinate #meinrlp #rlperleben #archilovers #unescoworldheritage #prettylittletrips #beautifuldestinations #allthealleys #bitsofbuildings #deutschlandkarte #travel_2_germany #meindeutschland #germanvision #sharegermany #in_germany #visitgermany #weroamgermany #duitsland #visitgermany #germanytourism #living_europe #ig_europe #map_of_europe

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Zuletzt in der Reihe „7 Fragen an …“ erschienen

Claudia Schwarz (Tourismus-Managerin und Welterbe-Repräsentantin aus St. Goar) – Sonja Spano (Restaurant-Einrichterin und Raumausstatterin in Boppard) – Marcel D’Avis (Banker und Designer aus Oberwesel) – Gero Schüler (Winzer und Student aus Steeg) – Marlon Bröhr (Landrat des Rhein-Hunrück-Kreises) – Matthias Pflugradt (Medienprofi, Bestatter und Loreley-Rebell aus St. Goarshausen) – Heinz-Uwe Fetz (Weinbau-Präsident, Winzer und Gin-Macher aus Dörscheid) – Michael Maul (Sprecher der Fährbetriebe am Mittelrhein) – Martin Nickenig (Bäckermeister in Boppard) – Walter Bersch (Bürgermeister von Boppard) – Robert Wurm (Ex-Manager und Winzer in Lorch) – Marcus Schwarze (Journalist, Digitalberater und Buga-Blogger) – Tristan Storek (Düsseldorfer Jungwinzer und Techniktalent in Steeg) – Andreas Nick (Lehrer, Kommunalpolitiker und Hostel-Besitzer in Bad Salzig) – Jean-Michel Malgouyres (französischer Küchenchef in Rüdesheim) – Natascha Meyer (Kanzlei-Managerin, Lektorin und Boppard-Botschafterin)

Termine des Tages

Rüdesheim – Hildegard-Wein-Walk mit Wolfgang Blum – 17. Februar, 13 Uhr 30. abtei-st-hildegard.de

Bingen – Das Phantom der Oper / Musical im Rheintal-Kongresszentrum – 17. Februar, 20 Uhr. bingen.de

Boppard – „Der Junge muss an die frische Luft“ / Cinema in der Stadthalle – 17. Februar, 20 Uhr. boppard.de

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Morgenstimmung auf Maria-Ruh bei Urbar-Loreley #urbar #UrbarLoreley #mittelrhein #weltkulturerbe #sonnenaufgang

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