Rüdesheim ist im Welterbe-Tal eine Klasse für sich. Kein anderer Ort kommt auf so viele Übernachtungsgäste, zieht so viele Kreuzfahrtschiffe an und verfügt über eine so bekannte Touristenmeile wie die Stadt der legendären Drosselgasse. Außergewöhnlich ist auch die Touristik-Organisation: Rüdesheim hat das Geschäft komplett privatisiert und an die örtlichen Gewerbetreibenden und ihre Rüdesheim Tourismus AG übergeben. Rolf Wölfert ist der Chef der „RÜD AG“. Der Marketing-Profi muss komplett unterschiedliche Zielgruppen unter einen Hut bekommen – den kultivierten Rheingau-Urlauber genau so wie den Kitsch- und Kuckucksuhren-Fan und die Trinktouristen mit Malle-Manieren. 7 Fragen an den mittelrheinischen Tourismus-Chef Nr. 1.
Rüdesheim organisiert das Tourismus-Marketing in einer Art und Weise, die am Mittelrhein einmalig sein dürfte – als Aktiengesellschaft. Woher kommt dieses ungewöhnliche Konstrukt?
Nicht nur am Mittelrhein ist das 2002 entwickelte Rüdesheimer „Wirtschaftspolitische Ordnungssystem“ ohne Vergleich. Die Idee damals war, durch eine Privatisierung eine nahe am Markt agierende private Struktur zu schaffen. Dabei spielte die Einbindung der touristischen Leistungsträger, aber auch anderer Wirtschaftsbereiche wie Handel und Dienstleistung eine zentrale Rolle.
Die Betriebe sind im Wirtschafts- und Tourismusförderung Rüdesheim und Assmannshausen e.V. (WTF) organisiert. Er hat ca. 190 Mitglieder und bekommt von diesen über 150.000 Euro fürs Marketing. Der Vorstand berät und entscheidet über die Marketingziele und verwaltet den städtischen Zuschuss. Die Rüdesheim Tourist AG wiederum ist im Rahmen eines Dienstleistungsvertrages zuständig für die Tourist Information, das Marketing und den Vertrieb. Die Vorgabe, durch eigene Geschäfte das städtische Budget zu entlasten und die Kostensteigerungen des laufenden Betriebes selber zu decken, ist die finanzielle Herausforderung, der wir uns als AG jedes Jahr neu stellen müssen.
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Ihr seid Mittelrhein und Rheingau zugleich. Welcher Begriff ist für die Tourismus-Werbung wichtiger?
Das hängt ganz von der Zielgruppe ab, die wir ansprechen wollen. Das Unesco-Welterbe-Tal/Tal der Loreley, Hort der Rheinromantik, ist der Anker für internationale und kultursuchende Gäste aus Deutschland, Europa und der Welt.
Der Rheingau ist die Marke für kultur-, landschafts- und weinaffine Besucher vor allem aus dem Großraum Frankfurt, Rhein-Main, Hessen und Rheinland-Pfalz. Darüber hinaus natürlich auch für Riesling-Fans aus der ganzen Welt.
Rüdesheim selbst ist eine starke touristische Marke. Wir versuchen, die Region nach vorne zu bringen und dabei Synergien im Marketing zu erzielen, ohne die eigene Marke zu entwerten. Dazu dienen die verschiedenen Qualitäts-Initiativen insbesondere rund um die Drosselgasse sowie die Kräuterwirte in Assmannshausen.
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Rüdesheim gilt als Inbegriff des rheinischen Touristenortes. Die Drosselgasse ist so weltberühmt wie berüchtigt. Bist du mit dem Image der Stadt zufrieden?
Das Image ist schnell beschädigt, aber es bedarf einer langen Zeit, es wieder zu verbessern. Daran arbeiten wir.
Im Übrigen ist das Image umso besser, „je weiter weg die Leute herkommen“. Das heißt, dass der Rheingauer, aber auch die Besucher aus der Umgebung, eher sehr kritisch sind. Den Anspruch, eine Premium-Region zu sein, sieht man bei uns nicht erfüllt. Gäste aus Europa und Übersee sind in der Regel immer sehr angetan vom Ort und finden ihre Deutschland-Klischees abseits der Metropolen bestätigt.
In Rüdesheim und Assmannshausen ist der Tourismus der bestimmende Wirtschaftsfaktor. Leider gibt es auch bei uns kaum Gewerbeflächen und entsprechende Steuereinnahmen. In der Folge fällt es nicht so leicht, die Infrastruktur fortlaufend zu verbessern und das Stadtbild weiter zu entwickeln.
Die „Gude“ Initiative eines Großteils der Wirte, Geschäftsleute und Hausbesitzer in und um die Drosselgasse ist Beleg dafür, dass das Verständnis für eine Verbesserung des Images durch exzellenten Service, Produkte und Auftritt verstanden wurde und der Glaube an die Zukunft wiedergekehrt ist. Das wird man in den nächsten Jahren spüren, und damit wird sich auch das Image langsam verbessern.
Was fehlt dir in Rüdesheim noch?
Noch mehr Mut zur Gestaltung der Zukunft und Engagement in der Zusammenarbeit in allen Richtungen. Als nächstes Projekt sehe ich insbesondere eine rasche Entwicklung der ehemaligen Asbach-Fabrik. Dort könnte eine einmalige Mischung aus Kultur, Event, Arbeiten und Wohnen einen neuen „Leuchtturm“ für die Region bilden. Daneben stellt die Brömserburg, als älteste in der Romantik als Wohnburg hergerichtet, noch zu entwickelndes Potential dar.
2029 soll Rüdesheim das Tor zur Mittelrhein-Buga sein. Warum der frühe Zeitpunkt, wenn die Frage des Bahnübergangs noch ungeklärt ist? Gibt es dann eine Großbaustelle am Rhein oder soll es erst nach der Bundesgartenschau losgehen?
„Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.“ Als Laie denkt man, dass ein baulicher Ersatz für den einen Großteil der rechten Talseite massiv behindernden Bahnübergang in 10 Jahren machbar sein sollte. Wir müssen die Vision der Buga mit allen Kräften unterstützen und diese einmalige Chance für das Tal nutzen. Dass die Beseitigung des Bahnübergangs vor der Veranstaltung sehr wichtig ist, müssen wir auch dem Bundesverkehrsministerium deutlich machen. Geschlossene Bahnschranken oder gar eine Baustelle zur Buga ist ein No-Go.
Viele Menschen in Rüdesheim und Bingen wünschen sich noch ein weiteres großes Bauprojekt: Die Rheinbrücke. Wie realistisch ist das?
Wir sagen hier am südlichen Ende des Oberen Mittelrheintals, dass die Brücke hier an der richtigen Stelle wäre. Das belegen, wie ich es in der FAZ gelesen habe, auch die Zahlen der Verkehrsschätzung. Da es meines Erachtens nicht mehr als eine Brücke geben wird, ist das Rennen allerdings schwierig, denn die Brücke in der Mitte des Tals ist vielen im Tal eine Herzensangelegenheit.
Am Mittelrhein freut man sich immer über Geheimtipps. Wo kehrt Rolf Wölfert ein, wenn er nicht in Rüdesheim ist?
Da möchte ich zwei von vielen nennen. Assmannshausen ist zwar ein Stadtteil von Rüdesheim, aber gefühlt und von der Lage direkt am Romantischen Rhein sehr selbständig. Das beginnt beim Spätburgunder Rotwein, und dazu mag ich die Kräuterküche der Assmannshäuser „Kräuterwirte“ sehr. Deshalb darf ich den Fokus einmal auf die kleine Schwester richten.
Bekanntlich lieben wir ja den Blick auf unseren schönen Rheingau. Den besten hat man bei den Nachbarn in Bingen. Bei der Gastronomie am Rheinufer hat man von regional bis ausgefallen eine gute Auswahl.
Schlussredaktion: Natascha Meyer
Bisher in der Reihe „7 Fragen an …“ erschienen:
Sebastian Busch (Landtagskandidat aus Lorch) – Christian Büning (Designer aus Oberwesel) – Sandra Bruns (Instagrammerin und Journalistin aus Emmelshausen) – Hasso Mansfeld (PR-Berater und Brücken-Aktivist aus Bingen) – Peter Theis (Gastronom und Shop-Betreiber in St. Goar) – Esther Pscheidt (Treibholzkünstlerin aus Lorch) – Wolfgang Blum (Wanderführer und Welterbe-Botschafter auf dem Rheinsteig) – Markus Fohr (Brauereibesitzer und Bier-Sommelier aus Lahnstein) – Christin Jordan und Lars Dalgaard (Journalisten und Winzer in Eltville und Oberdiebach) – Nadya König-Lehrmann (Welterbe-Managerin in St. Goarshausen) – Jörg Lanius (Winzer in Oberwesel) – Mario Link (Lebensmittel-Händler in Boppard) – Rolf Mayer (Kultur- und Event-Manager in Boppard) – Uwe Girnstein (Hotelier in Kamp-Bornhofen) – Stefan Herzog (Tourismus-Berater und früherer Marketingchef für die Region Rheinhessen) – Horst Maurer (Welterber-Gästeführer aus Oberdiebach) – Gerd Ripp (Gastronomie-Unternehmer auf Schloss Rheinfels und Maria Ruh) – Niko Neuser (Kommunalpolitiker aus Boppard) – Christof A. Niedermeier (Krimi-Autor aus Frankfurt und Schöpfer von „Jo Weidinger“) – Stefan, Andreas und Markus Wanning (Gin-Macher aus Münster-Sarmsheim) – Christoph Bröder (Burgenblogger auf Sooeneck) – Hubertus Jäckel (Architekt aus Oberwesel) – Bernd und Marion Stahl (Gastronomen in Boppard) – Markus Hecher (Burgherr auf Rheinstein) – Timo Ahrens (Strandbar-Gründer aus Oberwesel) – Philipp Loringhoven (Kommunalpolitiker aus Boppard) – Carolin Riffel (Winzerin aus Bingen) – Sarah Hulten – Ex-Weinkönigin, Winzerin und Riesling-Influencerin aus Leutesdorf – Walter Mallmann(Politiker aus St. Goar) – Franziskus Weinert (Einzelhändler und E-Commerce-Experte aus Oberwesel) – Klaus Becker (Präsident der TH Bingen) – Marek Gawel (Hotelier aus Boppard) – Andreas Roll (Initiator der Bopparder „Stolpersteine, Kommunalpolitiker und Verkehrsplaner)
Termine des Tages
Bingen – Tag des offenen Denkmals im Museum am Strom, im Stefan-George-Museum, am Alten Kran, in der Salzstraße 20,in der Villa Rustica, in der Villa Sachsen, der Villa Kappes, der Basilika St. Martin, dem Ruppertsberger Hildegard-Gewölbe und der Rochuskapelle – 9. September. bingen.de
Rüdesheim – Tag des offenen Denkmals in der Ruine Ehrenfels (10 – 18 Uhr) und in der Wahlfahrtskirche St. Hildegard (8 – 18 Uhr) – 9. September. ruedesheim.de
Boppard – „Auf den Spuren der Schönecker Raubritter“ / Wanderung mit Welterbe-Wanderführer Joe Lechner – 9. September, 9 Uhr 45. boppard.de
Bacharach – Tag des offenen Denkmals im Holzmarktturm – 9. September, 10 -18 Uhr. VG Rhein-Nahe
Kaub – Tag des offenen Denkmals auf der Pfalz und im „offenen Lotsenhaus“ – 9. September, ab 10 Uhr. tor-zum-welterbe.de
Bingen – Winzerfest – 9. September. bingen.de
Oberwesel – Weinmarkt – 9. September, ab 11 Uhr. oberwesel.de
Koblenz-Stolzenfels – Sommerfest auf Schloss Stolzenfels – 9. September, ab 11 Uhr. tor-zum-welterbe.de
Festung Ehrenbreitstein – Tag des offenen Denkmals / Bunkerführung – 9. September, 11 Uhr (Anmeldung erforderlich!). tor-zum-welterbe.de
Lorch – Tag des offenen Denkmals mit Führungen durch das Hilchenhaus (ab 13 Uhr), die Kirche St. Martin (14 Uhr) und das Robert-Stuppmann-Museum (ab 14 Uhr) – 9. September. Stadt Lorch
Rhens – Stadtfest – 9. September. rhens.de
Bingen – Vorführung des alten Rheinkrans – 9. September, 14 Uhr. bingen.de
St. Goar – Bach, Brahms, Bruch / Konzert mit Lucas Schwengenbecher und Nils Basters – 9. September, 16 Uhr. VG St. Goar-Oberwesel
Hirzenach – „Bei mir biste scheen“ / Benefizkonzert in der Kirche St. Bartholomäus – 9. September, 17 Uhr. boppard.de
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1 Woche Mittelrhein: Die Termine
Konzerte, Wanderungen, Weinproben, Ausstellungen: Im Terminkalender von Mittelrheingold stehen ausgewählte Veranstaltungen im Welterbe-Tal. Ich freue mich über Tipps an post@mittelrheingold.de oder im Messenger von Mittelrheingold auf Facebook. Hier geht es zur Terminliste „1 Woche Mittelrhein“.
14 Gedanken zu „Der Mann, der Rüdesheim vermarktet: 7 Fragen an Rolf Wölfert“
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