Frank Zimmer

Der Soundmacher von St. Goar: 7 Fragen an Dieter Stein

Wenn in St. Goar die Bordsteine hochgeklappt werden, kommt Dieter Stein ins Spiel. Der IT-Experte aus dem Höhenort Biebernheim organisiert gemeinsam mit Gastronom Peter Gödert kleine, aber feine Rock-, Indie-Pop und Jazz-Konzerte am Rheinufer: INSIDE Rebstock Garden. Das Programm reicht bis weit ins Frühjahr hinein. Im 7-Fragen-Interview erklärt Dieter, wie die Idee zustande kam, wie sich die „Sofa-Konzerte“ rechnen, wen er gern auftreten lassen würde und warum er momentan lieber Biebernheimer als St. Goarer ist.

Dieter Stein organisiert die INSIDE-Konzerte ehrenamtlich. Foto: Privat
Dieter Stein organisiert die INSIDE-Konzerte ehrenamtlich. Foto: Privat

Dieter, wenn das Tal im Winterschlaf liegt, drehst du in St. Goar die Musik auf. Wie kamst du auf die Idee, Konzerte zu veranstalten?

Auslöser war eine Stammtisch-Diskussion rund um die Themen „Buga“, „Weltkulturerbe“, „Zweckgebundene finanzielle Förderungen“, „Modellstadt“ usw.

Dort fiel die Aussage: „Ja, für den Tourismus – also fremde Menschen – wird jede Menge investiert und veranstaltet. Und wenn die Touristen wieder weg sind, machen wir für 5 bis 6 Monate das Licht aus, klappen die Bürgersteige hoch und hoffen, dass es im nächsten Jahr wieder weitergeht. Aber für diejenigen, die hier 12 Monate im Jahr leben, da wird nix gemacht. Und wenn dann doch mal einer was macht, geht keiner hin…“.

Zugegeben, die Aussage war natürlich sehr polemisch und überspitzt formuliert – aber wie so oft, ist hier auch ein Stückchen Wahrheit verborgen. Letztendlich war es genau diese Diskussion, die mich dazu gebracht hat, die Konzerte zu organisieren und zu veranstalten.

Basierend auf meinen Erfahrungen mit „Sofa–Konzerten“ – sowohl als Gast als auch Gastgeber -, ist die Idee entstanden, dieses Format öffentlich zugänglich zu machen und ganz bewusst in der außertouristischen Zeit zu veranstalten.

Mit Peter Gödert vom Landgasthof Rebstock und seiner Bereitschaft, mir die Räumlichkeiten des Rebstock Garden unentgeltlich für die Veranstaltungen zur Verfügung zu stellen, und mit Willy Rhodes von Keyrecords EU, der das notwendige technische Equipment bereitstellt, habe ich dann diejenigen gefunden, die eine Umsetzung des Projekts „INSIDE Rebstock Garden“ in der Form, wie es heute läuft, ermöglicht haben.

Wie schwer ist es, Musiker nach St. Goar zu holen?

Grundsätzlich überhaupt nicht schwer. Am Anfang konnte ich auf bereits bestehende Kontakte aus der Zeit der privaten Veranstaltungen zurückgreifen. Mittlerweile bekomme ich ca. 5 bis 10 Anfragen pro Monat von Solo-Künstlern oder Bands, die gerne mal bei uns spielen möchten.

Viel schwieriger ist es, den oder die „Richtigen“ zu finden. Neben den finanziellen Rahmenbedingungen und der Herausforderung einer terminlichen Abstimmung muss bzw. müssen der oder die Künstler auch in das Konzept von „INSIDE“ passen. Das betrifft sowohl die Berücksichtigung der gegebenen Möglichkeiten der Location –  Shanty-Chor mit 30 Sängern oder Hardrock-Band ist unrealistisch – als auch meine Neugier, musikalisch immer mal wieder etwas Neues entdecken zu wollen.

Im Rahmen unserer geplanten Konzerte möchte ich gerne unsere „Bühne“ für Künstler aus der Region bereitstellen, damit diese sich einem Publikum präsentieren können, das sie auf anderem Wege so vielleicht nicht wahrgenommen hätte. Erstaunlicherweise habe ich gerade hier Probleme, die richtigen Ansprechpartner zu finden. Ich würde mich sehr freuen, wenn dieses Interview dazu beitragen würde, dass sich dies ändert.

Ihr nehmt keine Eintrittspreise für die Konzerte. Wie finanziert ihr die Gagen?

Weil es sich bei den Konzerten um rein privat organisierte und durchgeführte Veranstaltungen handelt, werden die Gagen ausschließlich durch Spenden finanziert. Das bedeutet, dass während des Konzerts der Hut rumgeht. Das eingesammelte Geld geht zu 100 Prozent an den bzw. die auftretenden Künstler.

Sollte der „Hut“ die im Vorfeld vereinbarte garantierte Gage nicht decken, spende ich den Differenzbetrag aus eigener Tasche.

Und hier gleich die Antwort auf die noch nicht gestellte Frage:

Nein, durch die betriebswirtschaftliche Brille betrachtet, rechnet sich das Projekt nicht. Wenn über das Jahr hinweg bei 8 Veranstaltungen unter dem Strich die berühmte schwarze Null steht, haben wir viel erreicht.

Nimmt man diese Brille jedoch ab, lohnt sich das Projekt in mehrfacher Hinsicht. Zum einen bekomme ich so tolle Rückmeldungen von den Musikern, die bereits zu Gast waren. Hier sind zum Teil schon echte Freundschaften entstanden. „Sankt Goar“, „INSIDE“ und „Rebstock Garden“ sind in den Netzwerken der Musiker  keine Unbekannten mehr, was die Anzahl der Anfragen an uns zeigt. Zum andern durfte ich bei den Veranstaltungen schon so viele nette Leute kennenlernen, die ich sonst wahrscheinlich nie getroffen hätte.

Und wenn die Gäste, die den Rebstock Garden bis dato noch nicht kannten, die tolle Lage und das schöne Ambiente zum Anlass nehmen, ihn auch einmal unabhängig von einer Veranstaltung zu besuchen, sind das alles Dinge, die man nicht in Euro und Cent rechnen kann.

 

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Du selbst machst das alles ehrenamtlich. Was ist dein eigentlicher Job?

Ich bin als Principal Infrastructure Engineer im IT-Bereich bei einer Bank tätig.

 Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit der Stadt?

Abgesehen von der kostenlosen Veröffentlichung der Termine im Veranstaltungskalender sowie in den „Mittelrhein-Nachrichten“ gab es bis dato keine weitere Zusammenarbeit oder Kontakte.

Die Neugestaltung der Kernstadt samt Rheinbalkon ist äußerst umstritten. Was würdest du in St. Goar anders machen?

Diese Frage ist natürlich eine Steilvorlage für einen Biebernheimer…

Aber im Ernst: Ich denke, zu dem Thema wurden bereits so viele sachliche und unsachliche Meinungen kommuniziert und Bilder gepostet – da braucht es meinen Kommentar eigentlich nicht mehr.

Aber vielleicht sollten alle direkt und indirekt Beteiligten, ganz gleich, welche Meinung sie vertreten, mal darüber nachdenken, welche Außenwirkung diese ganze Diskussion für die Stadt und die Leute hat, die hier leben. Hier entsteht ganz schnell der Eindruck, dass es am Rhein einen Ort gibt, der von Versagern und Verlierern regiert wird und deren Bewohner sich frustriert ihrem Schicksal ergeben haben.

Ja, natürlich bin ich auch der Meinung, dass man so manches hätte anderes machen können – aber impliziert „anders“ auch „besser“?

Leider geraten mit der seit Jahren andauernden Fokussierung auf dieses eine Reiz-Thema viele Initiativen, Aktivitäten und Angebote in Sankt Goar und den Ortsteilen immer mehr in den Hintergrund.

Nach meiner Meinung muss hier ganz schnell ein Prozess in Gang gesetzt werden, der die positiven Elemente der Neugestaltung – die ja auch dringend notwendig war – ins Schaufenster stellt. Dekoriert mit bereits vorhandenen Angeboten und Annehmlichkeiten sowie realistischen Vorschlägen und kreativen Ideen, wie man vermeintliche Defizite beseitigen kann. Dieses „virtuelle“ Bild würde ich gerne mit mir rumtragen und jederzeit aus der Tasche ziehen, wenn ich gefragt werde, wo ich herkomme.

Und wenn dann noch die Akteure auf der politischen Bühne – unabhängig von ihrer Zugehörigkeit – unter Beweis stellen würden, dass sie in der Lage sind, offene Punkte und Probleme professionell, verantwortungsvoll und mit dem gebührenden Respekt zu klären…

Aber solange ich mich weiter mit Überschriften wie „Zank um den Rheinbalkon geht weiter…“ und einer Flut von Posts und Bildern in den sozialen Netzwerken zu dem ach so hässlichen Rheinbalkon konfrontiert sehe, werde ich auf die Frage  „Wo wohnst du“ bzw. „Wo kommst du her“ wahrscheinlich weiterhin mit „Ich wohne in Biebernheim“ statt „Ich komme aus Sankt Goar“ antworten.

 

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#biebernheim #stgoar #loreley #dietagenachkerb #kleinerspaziergang #heimat

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 Abgesehen vom „Rebstock“ in St. Goar: Was sind deine persönlichen Empfehlungen für das Mittelrheintal?

Nun, ich bin leidenschaftlicher Motorradfahrer und freue mich jetzt schon wieder darauf, die vielen Seitentäler des Mittelrheintals zu „er-fahren“. Wenn wir Freunde oder Verwandte zu Besuch haben, gehört es fast schon zur Pflicht, mit ihnen in den Naturlehrpfad oder auf die Steinkaut (Grillhütte) in Biebernheim zu gehen und den phantastischen Blick ins Rheintal zu genießen.

Schlussredaktion: Natascha Meyer

Das nächste INSIDE-Konzert findet übrigens am 13. April mit „Stereo Naked“ aus Köln statt. 

Zuletzt in der Reihe „7 Fragen an …“ erschienen

Claudia Schwarz (Tourismus-Managerin und Welterbe-Repräsentantin aus St. Goar) – Sonja Spano (Restaurant-Einrichterin und Raumausstatterin in Boppard) – Marcel D’Avis (Banker und Designer aus Oberwesel) – Gero Schüler (Winzer und Student aus Steeg) – Marlon Bröhr (Landrat des Rhein-Hunrück-Kreises) – Matthias Pflugradt (Medienprofi, Bestatter und Loreley-Rebell aus St. Goarshausen) – Heinz-Uwe Fetz (Weinbau-Präsident, Winzer und Gin-Macher aus Dörscheid) – Michael Maul (Sprecher der Fährbetriebe am Mittelrhein) – Martin Nickenig (Bäckermeister in Boppard) – Walter Bersch (Bürgermeister von Boppard) – Robert Wurm (Ex-Manager und Winzer in Lorch) – Marcus Schwarze (Journalist, Digitalberater und Buga-Blogger) – Tristan Storek (Düsseldorfer Jungwinzer und Techniktalent in Steeg) – Andreas Nick (Lehrer, Kommunalpolitiker und Hostel-Besitzer in Bad Salzig) – Jean-Michel Malgouyres (französischer Küchenchef in Rüdesheim) – Natascha Meyer (Kanzlei-Managerin, Lektorin und Boppard-Botschafterin) – Heiner Monheim (Verkehrsforscher und Bahnlärm-Bekämpfer) – Carolin Weiler (Winzerin und „FAZ“-Liebling aus Lorch) – Petra Bückner (Tourismuschefin in Lahnstein) – Michael Stein(Kommunalpolitiker aus Bingen) – Falko Hönisch (Opernsänger und Bürgermeisterkandidat in St. Goar) – Kathrin Büschenfeld (Apothekerin in Lorch)

Termine des Tages

Rüdesheim – Wanderung nach Assmannshausen mit Wein- und Kulturbotschafter Klaus Wolter – 31. März, 12 Uhr 15. ruedesheim.de

St. Goar – „British Century“ / Konzert in der Stiftskirche – 31. März, 17 Uhr. VG St. Goar-Oberwesel

Bingen – Gewölbe-Eröffnung am Rupertsberg – 31. März, 14 – 17 Uhr. bingen.de

Bingen – „Burg Schreckenstein 2“ im Programmkino Kikibi – 31. März, 15 Uhr. bingen.de

Oberwesel – Chorkonzert zur Fastenzeit mit Regionalkantor Lukas Stollhof – 31. März, 18 Uhr. mittelrhein-tagblatt.de

Boppard – „Mia und der weiße Löwe“ / Cinema in der Stadthalle – 31. März, 20 Uhr. boppard.de

Foto des Tages

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