Im Oberen Mittelrhein-Tal ist Hubertus Jäckel so etwas wie der Architekt Nummer eins. Er hat das „Hoffmann’sche Haus“ in Oberwesel zum hoch gelobten „Kulturhaus“ umgebaut, die neue Rheinfelshalle in St. Goar entworfen und die Sanierung des wohl bekanntesten Fachwerkhauses der Region begleitet, des „Alten Hauses“ in Bacharach. Sein Einsatz für historische Bauten beschränkt sich aber nicht nur auf klassische Mittelrhein-Motive: Für Jäckel gehört auch die Industriekultur des 20. Jahrhunderts zum Welterbe. Ihn fasziniert vor allem der „Häusener Kran“. Das inoffizielle Wahrzeichen von St. Goarshausen hat er gerade mit hohem Aufwand und viele Liebe zum Detail im Maßstab 1:87 nachbauen lassen. 7 Fragen an einen Perfektionisten und Visionär.
Hubertus Jäckel, Du bist einer der bekanntesten Architekten am Mittelrhein. Was war Dein erstes Projekt?
Mein erstes nennenswertes Projekt mit größerer Bekanntheit war das denkmalgeschützten Wilhelm-Hoffmannsche Herrenhaus in Oberwesel. Es umfasste neben der Sanierung auch die Konzeption eines Stadtmuseums und Kulturhauses in Oberwesel. Es ist mehrfach ausgezeichnet worden.
Mein emotionalstes und nachhaltig bewegendstes Vorhaben war die Aufarbeitung der jüngeren jüdischen Geschichte von Oberwesel und die Gestaltung und Umsetzung eines Mahnmals für die ehemaligen jüdischen Mitbürger der Stadt. Bei diesem Projekt habe ich im Sinne meines verstorbenen Großvaters Dr. Stefan Häbler gehandelt. Er hat sich während der Nazi-Diktatur, auch unter Androhung von Deportation, uneingeschränkt für seine jüdischen Patienten eingesetzt.
Mit der Architektur im Tal verbindet man vor allem Burgen, Kirchen und historisches Fachwerk. Welche Möglichkeit bleiben für moderne Entwürfe?
Vordergründig wenig. Doch bei genauem Hinschauen findet man engagierte Ansätze und Gebautes. Zeitgemäße Architektur muss nicht laut sein. Sie muss zuhören können und entsprechende Interpretationen geben. Sie kann die Bebauungstypologie des näheren Umfeldes aufnehmen und interpretieren. Hierzu haben wir oftmals, aus unserer Sicht, passende Antworten gegeben.
Neben der Baukultur interessierst Dich auch die Industriekultur am Mittelrhein. Du hast sogar überlegt, den Häusener Kran nach Oberwesel zu holen. Was fasziniert Dich daran?
Es war ein verzweifelter Versuch, den mehrfach angedrohten Abriss zu verhindern. Es gab sogar ein geeignetes Grundstück direkt am Rhein und sehr konkrete Pläne. Mir ging es immer um den Erhalt des Werkzeuges, das jahrzehntelang nachweislich den Wohlstand von St. Goarshausen gesichert hat.
Angesprochen hat mich immer die unaufgeregte, rein durch den Nutzen geprägte Gestaltung, die Haptik, die Gerüche und Patina eines langen Maschinenlebens, die ausgeklügelte Technik des Unterflurabgriffes zur elektrischen Versorgung.
Der Kran ist für mich ein Wahrzeichen von St. Goarshausen und steht synonym für eine vergangene Industrieepoche. Ich habe mir immer mehr Bewusstsein und Bereitschaft der Verantwortlichen gewünscht. Leider vergebens. Ohne das ungebrochene Engagement der Freunde des Fördervereins, allen voran Karin Born und Jochen Dohm, wäre der Kran schon lange verschwunden.
Was hat es mit dem Modell des Häusener Krans in Deinem Büro auf sich?
Die Initiative Kranmodell entspricht auch meiner Leidenschaft, Modelle zu bauen. Die wichtigsten Projekte haben wir immer über Modelle entschieden. Ein mühsamer Prozess, aber der intensivste Zugang und sicherlich die geeignetste Form der Auseinandersetzung. Viel sinnlicher als digitale Verunglimpfungen.
Das Modell Häusener Kran hat fast 5 Jahre in Anspruch genommen. Die Findung eines versierten Modellbauers ist oft auch an den Finanzen und dem Risiko der Vermarktung gescheitert. Nach einigen Rückschlägen habe ich für mich entschieden, die Sache auf eigene Rechnung zu starten. Der verpasste 100. Geburtstag konnte leider nicht entsprechend gewürdigt werden. Das nun erhältliche Modell wurde mit dem Anspruch an Vorbildgerechtigkeit, Maßstäblichkeit und höchste Detailtreue initiiert. Einzig der Maßstab hat gewisse Grenzen gesetzt.
Wo kann man den Kran kaufen und was kostet das Modell?
Das Modell ist über die Firma Lasersachen, Breite Straße 2, 50354 Hürth, hans.hopp@t-online.de, zum Preis von 162,50 Euro, zu erwerben. Einzelne Bauteile kann man nachbestellen. Es ist ein sehr anspruchsvoller Bausatz in bisher nicht erreichter Detaillierung, Das Landesmuseum Mainz und die Entwicklungsagentur Rheinland-Pfalz sind erste Kunden.
Welche Industriedenkmäler außer dem Häusener Kran sind besonders schützenswert?
Hier denke ich an das Reiterstellwerk in Bingerbrück. Einem für die Erbauungszeit hochmodernem Gebäude des Architekten Hans Kleinschmidt. Auch hier stand der Abriss zur Debatte. Das konnte nur durch die Einflussnahme von Personen mit Bewusstsein und Weitblick unterbunden werden. Das Reiterstellwerk ist mein nächstes Projekt und wird auf Grund der gemachten Erfahrungen wohl schneller umzusetzen sein.
2029 oder 2031 kommt die Mittelrhein-BUGA. Was sind bis dahin die größten architektonischen Herausforderungen am Mittelrhein und wie würdest du sie lösen?
Grundvoraussetzung ist ein Gemeinschaftsgefühl, ein kollektives Bewusstsein für die Region, und dass die Politik über Ihre Schatten springt. Das Tal hat immenses, teils unsichtbares Potential. Die Wahrnehmung dafür muss animiert und begleitet werden.
Eine meiner Visionen ist die Entwicklung des Martinsberges in Oberwesel. Hier könnte zur BUGA ein Veranstaltungsort mit Perspektive in erhöhter Lage, in einem historisch gewachsenen und sehr geschichtsträchtigen Umfeld entstehen. Der große Pfarrgarten ist ein geeigneter Nährboden und das Volumen der Martinskirche ein entsprechender Aktions-und Denkraum. Hier sind auch Veranstaltungen und Verwendungen jenseits der eigentlichen Zweckbestimmungen möglich.
Eine weitere Idee ist die Umnutzung des Reiterstellwerks Bingerbrück. Es könnte ein stählernes Eingangsbauwerk ins Welterbe Oberes Mittelrheintal sein, um die Ziele der Bundesgartenschau und andere Zukunftsthemen zu vermitteln.
Bisher in der Reihe „7 Fragen an ….“ erschienen:
Sebastian Busch (Landtagskandidat aus Lorch) – Christian Büning (Designer aus Oberwesel) – Sandra Bruns (Instagrammerin und Journalistin aus Emmelshausen) – Hasso Mansfeld (PR-Berater und Brücken-Aktivist aus Bingen) – Peter Theis (Gastronom und Shop-Betreiber in St. Goar) – Esther Pscheidt (Treibholzkünstlerin aus Lorch) – Wolfgang Blum (Wanderführer und Welterbe-Botschafter auf dem Rheinsteig) – Markus Fohr (Brauereibesitzer und Bier-Sommelier aus Lahnstein) – Christin Jordan und Lars Dalgaard (Weinliebhaber, Journalisten und Nebenerwerbswinzer in Eltville und Oberdiebach) – Nadya König-Lehrmann (Welterbe-Managerin in St. Goarshausen) – Jörg Lanius (Winzer in Oberwesel) – Mario Link (Lebensmittel-Händler in Boppard) – Rolf Mayer (Kultur- und Event-Manager in Boppard) – Uwe Girnstein (Hotelier in Kamp-Bornhofen) – Stefan Herzog (Tourismus-Berater und früherer Marketingchef für die Region Rheinhessen) – Horst Maurer (Welterber-Gästeführer aus Oberdiebach) –Gerd Ripp (Gastronomie-Unternehmer auf Schloss Rheinfels und Maria Ruh) – Niko Neuser (Kommunalpolitiker aus Boppard) – Christof A. Niedermeier(Krimi-Autor aus Frankfurt und Schöpfer von „Jo Weidinger“) – Stefan, Andreas und Markus Wanning (Gin-Macher aus Münster-Sarmsheim), Christoph Bröder (Burgenblogger auf Sooeneck)
Termine des Tages
Assmannshausen – Weinwanderung im Höllenberg mit Wolfgang Blum – 17. Juni, 12 Uhr 30. blum-wolfgang.de
Boppard – Mittelaltermarkt – 17. Juni. boppard.de
Bingen – Kinder- und Jugendfest im Park am Mäuseturm – 17. Juni , 13 – 17 Uhr – bingen.de
Bingen – Tag der offenen Gärten in der Villa Rustica – 17. Juni, 10 -16 Uhr. bingen.de
Bornich – Weinausschank im Weinlernpfad – 17. Juni, 14 – 17 Uhr. bornich.de
Assmannshausen – „Assmannshausen in Rot“ – 16. Juni. assmannshausen-in-rot.de
Foto des Tages
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24 Gedanken zu „Der Alpha-Architekt und die Industriekultur: 7 Fragen an Hubertus Jäckel“
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