Frank Zimmer

Apothekerin und Aktivistin – 7 Fragen an Kathrin Büschenfeld

Die Lorcherin Kathrin Büschenfeld führt eine Apotheke in 3. Generation, liebt ihre Heimatstadt und glaubt an die Zukunft des Welterbe-Tals. Für Lorch packt sie  auch persönlich an – als Mitgründerin und Vorstandsmitglied des Bürger-Netzwerks „Wir“. 7 Fragen an eine Naturwissenschaftlerin mit Mittelrhein-Herz.

Kathrin Büschenfeld ist Apothekerin und Lorch-Fan. Foto: Ralf Kaltenbach / kalbacho
Kathrin Büschenfeld. Foto: Ralf Kaltenbach / kalbacho

Kathrin, dem Mittelrheintal wird ein hoher Altersdurchschnitt nachgesagt. Eigentlich die perfekte Gegend für eine Apotheke, oder?

Ich finde, das Mittelrheintal ist die perfekte Gegend für so einiges! Ich bin hier groß geworden, es ist meine Heimat und meine Basis. Hier können sich Alt und Jung wohlfühlen, sofern die Infrastruktur stimmt, und dazu gehört natürlich auch die Apotheke vor Ort. Natürlich trifft uns in Lorch auch der demografische Wandel, aber eine Apotheke braucht man doch in jedem Alter! Ich bin gerne Apothekerin, es ist toll, wenn ich als Apothekerin und auch oft ich ganz persönlich (an)teilnehmen darf am Leben der Menschen, sie begleiten darf durch ganz verschiedene Lebenssituationen. So verstehe ich meinen Beruf, und ich finde, so wird aus einem Geschäft für Arzneimittel eine vertraute Apotheke, in die man kommen und um Rat fragen kann. Egal, in welchem Alter man ist.

Wie lange bist du schon Apothekerin in Lorch, und was hat sich in
dieser Zeit in der Stadt geändert?

Ich bin ja in dieser Apotheke aufgewachsen, sie hat vor mir meiner Mutter gehört und davor meinem Opa. Ich habe in Mainz Pharmazie studiert und bin an den Wochenenden meistens nach Hause gekommen, weil hier meine Freunde und Familie waren.  Apothekerin bin ich seit 2005, 2011 habe ich die Apotheke übernommen. Wenn man sich die Anzahl der Geschäfte anschaut, die Kneipen und Heckewirtschaften, muss man objektiv feststellen, dass all das im Laufe der Jahre weniger geworden ist. Kleine Geschäfte und Weingüter haben es immer schwerer zu überleben. Aber genau das ist der Punkt, an dem kleine Orte zusammenhalten müssen. Sich gegenseitig zu unterstützen, ein soziales Netz in Form von Festen, Vereinen, Traditionen aufrechtzuhalten, etwas, das früher selbstverständlich war, muss heute wieder bewusst gemacht werden! Ich finde, das funktioniert bei uns noch recht gut, auch wenn es natürlich hier und da an Nachwuchs in den Vereinen fehlt. So gibt es doch noch viele engagierte Bürger, die etwas in die Hand nehmen und auf die Beine stellen.

Die ärztliche Versorgung auf dem Land gilt als großes Problem. Praxen schließen, weil zu wenige junge Mediziner nachkommen. Wie erlebst du das in Lorch und Umgebung?

Das ist natürlich auch bei uns ein großes Problem. Auch hier ist es schwer, Nachfolger für einen Hausarzt zu finden. Das gilt übrigens genauso für Apotheker. Hier gibt es auch zu wenig Nachwuchs und kaum jemanden, der gerne aufs Land kommt, um hier zu arbeiten und zu leben. Aber ich bin immer der optimistische Typ. Im Moment haben wir gute Ärzte in Lorch und Umgebung, mit denen die Zusammenarbeit klappt, und die uns gut versorgen. Bestimmt wird sich auch wieder jemand finden, der oder die die Herausforderung einer Hausarztpraxis annimmt. Wenn nicht, müssen sich kreative Lösungen finden. Einen Weg gibt es immer, man darf die Bevölkerung nur nicht alleine lassen.

Als Apothekerin bist du Teil der Lorcher Geschäftswelt und bekommst die Schwierigkeiten des stationären Einzelhandels mit. Wie werden Kleinstädte wieder zu attraktiven Einkaufsorten?

Indem einfach alles da ist! Es klingt einfach, aber wir brauchen Metzger, Bäcker, Post, Elektro, Blumen und Andenken, ein Café, Restaurants, Weingüter, natürlich auch den Supermarkt, Arzt und Apotheke. Wenn man in schöner Atmosphäre einkaufen kann, alles bekommt, was man braucht, und dazu noch immer jemanden trifft für ein Schwätzchen zwischendurch, dann kommen die Leute gerne. Ich glaube, dass das Regionale, Individuelle und Persönliche das ist, was beim Einkaufen und Leben in der Kleinstadt ein gutes Gefühl macht. Aber es muss natürlich von der Politik gewollt und gefördert werden. Die Stadt braucht ein Konzept, das dafür sorgt, dass alles da ist, was man braucht – und vielleicht ein bisschen mehr.. Die Existenz der Geschäfte muss sicherstellt werden, auch wenn es eine Zeit lang mal nicht so gut läuft. Und natürlich muss es eine gute Zusammenarbeit der Geschäftsleute untereinander geben. Also: Ganz einfach ist es doch nicht, aber auf jeden Fall machbar.

Du engagierst dich selbst im neuen Bürgernetzwerk „Wir“. Was wollt ihr für Lorch erreichen?

Die Idee ist bei vielen Treffen und Gesprächen entstanden, bei denen ich immer wieder gehört habe, dass ja niemand was macht in Lorch. Die Hauptstraße sieht trist aus, aber keiner kümmert sich um eine Bepflanzung oder eine Weihnachtsbeleuchtung. Die Straßenunterführung ist dreckig, aber keiner räumt da mal auf. Warum pflanzt eigentlich niemand Blumen in die Rheinanlagen oder organisiert einen Weinprobierstand? So gab es viele Ideen, und immer haben die Leute gesagt: Ja, wenn das mal jemand in die Hand nimmt, dann helfe ich auch mit. Also haben wir uns gedacht, dann machen wir das! Ich finde, man darf nicht immer nur darauf warten, dass andere etwas machen. Eine lebendige Stadt braucht engagierte Bürger, sei es bei Veranstaltungen, Arbeitstagen zum Aufräumen und Verschönern oder auch Paten, die übers Jahr das Blumen gießen übernehmen. Dafür soll der Verein eine Plattform sein. Ich finde, jeder hat die Möglichkeit, etwas zu tun, damit es hier schön ist. Wichtig sind der Zusammenhalt und das gemeinsame Ziel, eine Heimat zum Wohlfühlen zu haben. Egal, welcher Partei man angehört, ob man Ur-Lorcher ist oder zugezogen, ob man alt ist oder jung. Jeder soll sich einbringen können und sich hier wohlfühlen!

Lorch-Panorama von Fotograf Frank Gallas für Romantischer Rhein Tourismus.
Lorch-Panorama von Frank Gallas für Romantischer Rhein Tourismus.

Was erhoffst du dir von der Buga?

Ich hoffe, dass viele Besucher kommen und erleben, wie schön wir es hier haben. Natürlich sollen sich die Gäste hier wohlfühlen. Sie sollen wandern, Schiff fahren, einkehren, uns und unsere Stadt kennlernen. Kurz: Sie sollen wundervolle Tage bei uns genießen und ihren Freunden und Bekannten zuhause davon erzählen. Vorher muss aber das eigentlich Wichtige passieren, und das ist meine große Hoffnung: Wir müssen Ideen sammeln, ein Konzept erarbeiten, damit wir etwas für die Stadt Nachhaltiges schaffen! Denn wenn die Buga vorbei ist, dann sollen die Lorcher und die Bewohner der Region noch lange etwas von dem neu Geschaffenen haben. Ich muss z.B. an die Rheinanlagen in Bingen mit dem großen Wasserspielplatz und dem herrlichen Park denken. Das alles wurde für die Landesgartenschau angelegt und ist heute ein beliebter und gut instand gehaltener Treffpunkt für Touristen und Einwohner. So etwas erhoffe ich mir. Ein Konzept, das unsere Stadt verschönert und von dem wir nachhaltig etwas haben.

Kommen wir zurück in die Gegenwart. Ich freue mich immer über Geheimtipps. Welchen Aussichtspunkt, welches Lokal und welchen Laden im Welterbe-Tal kannst du mehr als alle anderen empfehlen?

Da kann ich mich nicht entscheiden! Ich liebe es, mit meinen Kindern den Kletterweg zur Nollig zu gehen. Von dort oben hat man einen tollen Blick über Lorch und den Rhein. Wir spazieren aber auch gerne durch die Wingerte zum Weingut Kasa, dort kann man im Sommer herrlich auf der Wiese liegen und den sehr guten Wein genießen.

Und wenn wir uns für einen Tag wie im Urlaub fühlen wollen, fahren wir ein paar Mal im Jahr auf die Hardthöhe in Oberwesel, genießen eine tolle Zeit auf dem Bauernhof, spazieren dort, füttern die Tiere, sitzen in der Sonne und genießen die Atmosphäre.

Schlussredakteurin: Natascha Meyer

Blick auf Lorch. Foto: Romantischer Rhein Tourismus / Henry Tornow
Blick auf Lorch. Foto: Romantischer Rhein Tourismus / Henry Tornow

Zuletzt in der Reihe „7 Fragen an …“ erschienen

Claudia Schwarz (Tourismus-Managerin und Welterbe-Repräsentantin aus St. Goar) – Sonja Spano (Restaurant-Einrichterin und Raumausstatterin in Boppard) – Marcel D’Avis (Banker und Designer aus Oberwesel) – Gero Schüler (Winzer und Student aus Steeg) – Marlon Bröhr (Landrat des Rhein-Hunrück-Kreises) – Matthias Pflugradt (Medienprofi, Bestatter und Loreley-Rebell aus St. Goarshausen) – Heinz-Uwe Fetz (Weinbau-Präsident, Winzer und Gin-Macher aus Dörscheid) – Michael Maul (Sprecher der Fährbetriebe am Mittelrhein) – Martin Nickenig (Bäckermeister in Boppard) – Walter Bersch (Bürgermeister von Boppard) – Robert Wurm (Ex-Manager und Winzer in Lorch) – Marcus Schwarze (Journalist, Digitalberater und Buga-Blogger) – Tristan Storek (Düsseldorfer Jungwinzer und Techniktalent in Steeg) – Andreas Nick (Lehrer, Kommunalpolitiker und Hostel-Besitzer in Bad Salzig) – Jean-Michel Malgouyres (französischer Küchenchef in Rüdesheim) – Natascha Meyer (Kanzlei-Managerin, Lektorin und Boppard-Botschafterin) – Heiner Monheim (Verkehrsforscher und Bahnlärm-Bekämpfer) – Carolin Weiler (Winzerin und „FAZ“-Liebling aus Lorch) – Petra Bückner (Tourismuschefin in Lahnstein) – Michael Stein (Kommunalpolitiker aus Bingen)Falko Hönisch (Opernsänger und Bürgermeisterkandidat in St. Goar)

Die komplette und alphabetische Übersicht über alle „7 Fragen“ seit Februar 2018 gibt es hier

Termine des Tages

Boppard – Verkaufsoffener Themensonntag / „Boppard blüht auf“  – 24. März, ab 13 Uhr. boppard.de

Bacharach – Schlenderweinprobe „BaKaLoNi“ – 24. März, 14 Uhr 30. VG Rhein-Nahe

Lorch – „Singing in the rain“ / Konzert im Hilchenhaus – 24. März, 17 Uhr. Stadt Lorch

St. Goar – „Auf Flügeln des Gesanges“ / Lieder und Arien aus Barock, Romantik, Klassik und Moderne“ – 24. März, 18 Uhr. VG St. Goar-Oberwesel

Festung Ehrenbreitstein – Konzert mit Carminho / portugiesische Fados im Kuppelsaal – 24. März, 19 Uhr. tor-zum-welterbe.de

Foto des Tages

Sonntags kommt Mittelrheingold mit der Post

Der wöchentliche E-Mail Newsletter „Mittelrheingold Auslese“ sammelt die besten Artikel, Videos und Termine. Hier geht’s zum kostenlosen Sonntags-Abo.