Im Kampf gegen die Schließung der Loreley-Kliniken ist Heike Zimmer die Ikone der Protestbewegung. Die Floristin, Geschäftsfrau und Mutter von 2 Kindern initiierte gemeinsam mit 2 Mitstreitern die erste große Demo, kletterte dort auf eine Leiter und sagte dem Marienhaus-Konzern unter dem Jubel der Menge ihre Meinung: „Wir sind hier nicht in China!“ Ein Video-Interview mit ihr wurde auf Facebook bisher über 4600 Mal aufgerufen. 7 Fragen an die Frau, die sich nichts gefallen lässt.
An wie vielen Demonstrationen hast du in deinem bisherigen Leben teilgenommen?
Zumindest noch nie an einer angemeldeten Demo. Als die Bahn vor ein paar Jahren den Tunnel durch den Oelsberg bauen wollte und das Tunnelende bei uns vor der Haustür sein sollte, haben wir Oberweseler uns schon einmal lautstark gewehrt. Dort waren wir als Anwohner direkt betroffen. Wir haben mit unserem Protest zumindest den Bau des Tunnels, der von der Bahn geplant war, gestoppt.
Was bedeutet das Oberweseler Krankenhaus für dich?
Es gehört einfach dazu, und ich kann mir gar nicht vorstellen, dass es nicht mehr da sein soll. Klingt blöd, weiß ich, aber so ist es. Als Kind bin ich schon mit kleinen Blessuren dort gewesen, und auch mit einer ernsthaften Erkrankung im Jugendalter konnte man mir dort stationär helfen. Heute, als Mutter von zwei wilden Jungs, gibt es mir ein Gefühl von Sicherheit. Vor kurzem erst, als unser Jüngster mit dem Fahrrad stürzte, war ich dankbar, dass der Weg ins Krankenhaus sehr kurz war. Nun bin ich aber auch Inhaberin eines Blumengeschäftes und sehe wirtschaftliche Nachteile für das ganze Gewerbe in der Stadt. Unsere wunderschönes Oberwesel kämpft mit Leerstand und kann sich kein weiteres leeres Gebäude mehr leisten.
Wann wurde dir klar, dass es bei den Loreley-Kliniken um die Existenz geht?
Das ist wirklich noch nicht lange her. Mein Mann war als Fraktionsvorsitzender auf einer Besprechung mit dem Bürgermeister und kam mit ernstem Gesicht nach Hause. Wir haben an diesem Abend noch lange über die scheinbar unvermeidliche Schließung geredet. Haben gerätselt, was der Auslöser dafür war. Es war irgendwie eine Mischung aus Unverständnis und Fassungslosigkeit.
Einige Kommunalpolitiker haben den Eindruck vermittelt, dass nichts mehr zu retten sei. Ein Bürgermeister sprach vor der Demo sogar von einem „letzten starken Signal“. Hat dich das geärgert oder angespornt?
Ganz ehrlich, ich habe zuerst selbst nicht mehr an eine Möglichkeit geglaubt. Es schien doch alles schon besiegelt. Aber dann kam der Trotz, und zwar volle Kanne. Müssen wir immer alles schlucken? Wie kann man uns hören? Auch wenn es nichts mehr bringt, kann ich trotzdem sagen, dass ich es für falsch und unmoralisch halte! Und jedem, der bis zur Demo gesagt hat „Es ist doch eh schon alles entschieden“, habe ich geantwortet „Und trotzdem können wir unsere Meinung sagen“. Die Hoffnung kam dann vor der Demo wieder zurück. Denn wir haben gespürt, wie die Menschen hier zusammenhalten. Ein Sportverein hat seine Programme abgesagt, viele Geschäfte sind dem Aufruf des Gewerbevereins gefolgt und haben die Geschäfte früher geschlossen. Auch die Bürgermeister haben im Vorfeld die Demo unterstützt, übrigens auch alle Parteien haben einig dazu aufgerufen.
Welche Reaktionen hast du nach der Demo erlebt?
Klar gab es viel Zuspruch. Die Medien haben das Thema wahrgenommen und uns eine Stimme gegeben. Politiker haben uns zu Gesprächen eingeladen. Viele Menschen meldeten sich in den Tagen danach bei mir, weil sie das Thema sehr bewegt. Dass eine einzelne WhatsApp an einem Sonntagmorgen vier Tage später fast zweitausend Menschen zusammenbringen sollte, dass hätte wohl keiner gedacht – erst recht nicht die Marienhaus Holding.
Wie geht es jetzt weiter?
Es wird am Sonntag um 15 Uhr auf dem Marktplatz eine Kundgebung geben. Dort sollen alle Bürger auf einen gemeinsamen Informationsstand gebracht werden. Die Bürgermeister und viele interessante Redner sind geladen. Es geht darum, wieder ein Zeichen zu setzten. Die vielen Gespräche in den letzten Tagen haben Hoffnung gemacht, aber leider noch nicht den Durchbruch gebracht – in einer solch kurzen Zeit auch fast unmöglich.
Welche Lösung hältst du für machbar?
Ich kann Blumen und kein Krankenhaus. Es ist so verzwickt! So richtig blickt man ja auch nicht durch. Am einfachsten wäre es gewesen, die Marienhaus Holding würde weitermachen – will sie aber nicht. Scheinbar noch nicht mal mit einer Garantie, dass rote Zahlen ausgeglichen werden. Das Land sagt, es kann nicht helfen. Also wäre es am besten, wir würden einen neuen Träger finden. Aber der kauft nicht die Katze im Sack. Es braucht also Zeit, die wir nicht haben. Kreis oder sogar Verbandsgemeinde fallen für mich raus, da fehlen einfach die fachlichen Kompetenzen. Das muss jemand machen, der Krankenhaus kann. Unabhängig von unseren Loreley-Kliniken muss grundsätzlich geklärt werden, ob Gesundheitsversorgung unbedingt Gewinn machen muss.
Schlussredaktion: Natascha Meyer
Dieses Jahr in der Reihe „7 Fragen an …“ erschienen
Robert Wurm (Ex-Manager und Winzer in Lorch) – Marcus Schwarze (Journalist, Digitalberater und Buga-Blogger) – Tristan Storek (Düsseldorfer Jungwinzer und Techniktalent in Steeg) – Andreas Nick (Lehrer, Kommunalpolitiker und Hostel-Besitzer in Bad Salzig) – Jean-Michel Malgouyres (französischer Küchenchef in Rüdesheim) – Natascha Meyer (Kanzlei-Managerin, Lektorin und Boppard-Botschafterin) – Heiner Monheim (Verkehrsforscher und Bahnlärm-Bekämpfer) – Carolin Weiler (Winzerin und „FAZ“-Liebling aus Lorch) – Petra Bückner (Tourismuschefin in Lahnstein) – Michael Stein (Kommunalpolitiker aus Bingen) – Falko Hönisch (Opernsänger und Bürgermeisterkandidat in St. Goar) – Kathrin Büschenfeld (Apothekerin in Lorch) – Dieter Stein (IT-Manager und Konzertveranstalter aus St. Goar) – Peter Henrich (Archäologe in Koblenz) – Martin Bredenbeck (Geschäftsführer des Rheinischen Vereins) – Markus Patschke (Energieberater in Bacharach) – Ulrich Lautenschläger (Konzertveranstalter auf der Loreley) – Ivo Reßler(Bürgermeister-Kandidat in Lorch) – Jean-Marc Petit (Hausbesitzer und Denkmalpfleger in Bacharach) – Anne Kauer (Winzerin in Bacharach) – Gerd Benner (Manager und Hobby-Köhler aus Boppard) – Markus Kramb (Metzger aus St. Goar) – Mary-Ann Gellner (Hauptkommissarin der Wasserschutzpolizei St. Goar) – Ilka Heinzen (Einzelhändlerin und Stadträtin in Bingen) – Jan Bolland (Hotel-Investor in Bingen) – Pater Eryk (Franziskaner im Kloster Bornhofen) – Mareike Knevels (Kommunikationsdesignerin und Burgenbloggerin) – Willy Praml (Theatermacher „An den Ufern der Poesie) – Sebastian Hamann (Beigeordneter der Stadt Bingen) – Johannes Lauer (Dachdeckermeister und Kommunalpolitiker in Lahnstein) – Almut Lager (Unternehmerin und Denkmalschützerin in Bacharach) – Maximilian Siech (Sportler und Projektleiter beim Zweckverband Welterbe) – Till Gerwinat und Lambert Lensing-Wolff (Unternehmer auf Burg Reichenstein) – Christiane Speth (Exil-Bopparderin und Udenhausen-Patriotin an der Schweizer Grenze) – Christian Albrecht (Feuerwehr-Profi aus Oberwesel) – Markus Kalkofen (Polizist und Landschaftspfleger aus Kamp-Bornhofen) – Lena Höver (Stadtmanagerin und Tourismus-Chefin in Oberwesel) – Klaus Zapp (Bürgermeister-Kandidat in Rüdesheim) – Walter Karbach (Autor und Verleger aus Oberwesel)
Termine des Tages
Lahnstein – „Auf den Spuren des 2. Weltkrieges“ / Themenführung – 10. November, 14 Uhr. lahnstein.de
Oberwesel – „Revolutionäre Poeten am Mittelrhein“ / Führung im Stadtmuseum Oberwesel – 10. November, 11 Uhr und 17 Uhr. oberwesel.de
Bingen – Familienprogramm: Weidengeflechte für Haus und Garten – 10. November, 14 Uhr 30. bingen.de
Oberwesel – „Ihr klaut uns unsere Krankenhäuser nicht“ / Kundgebung zur Rettung der Loreley-Kliniken – 10. November, 15 Uhr. loreley-kliniken-muessen-bleiben.de
Urbar – Tag der offenen Tür im Atelier Thommes – 10. November, ab 15 Uhr. VG St. Goar-Oberwesel
Oberwesel – Orgelkonzert „Te Deum“ mit Lukas Stollhof – 10. November, 18 Uhr. oberwesel.de
St. Goar – „Buga 2029 – Unsere Buga beginnt jetzt“ / Ausstellungseröffnung mit Stadtbürgermeister Falko Hönisch – 10. November, 18 Uhr. st-goar.de
Boppard – „Und wer nimmt den Hund?“ / Cinema in der Stadthalle – 10. November, 20 Uhr. boppard-tourismus.de
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