Frank Zimmer

„Wenn man denkt es geht nichts mehr, kommt irgendwo ein Einsatz her“

Manchen Menschen gelingt es, ihr Hobby zum Beruf zu machen. Der Oberweseler Christian Albrecht geht noch einen Schritt weiter und tut das eine, ohne das andere zu lassen: Er ist Berufsfeuerwehrmann in Koblenz geworden, gilt als einer der besten Brandschutzexperten auf dem Rhein und engagiert sich trotzdem noch ehrenamtlich in seinem Heimatkreis. 7 Fragen an einen Feuerwehrmann aus der Profi-Liga.

Christian Albrecht hat sich auf Brandbekämpfung auf dem Wasser spezialisiert. Foto: Privat.

Christian, du arbeitest bei der Koblenzer Berufsfeuerwehr und engagierst dich ehrenamtlich für die Feuerwehren im Rhein-Hunsrück-Kreis. Wie viele Stunden hat deine Arbeitswoche?

Oh je, das ist schwer zu sagen da ich hinsichtlich meiner ehrenamtlichen Arbeit keine Zeiten dokumentiert habe. Fakt ist jedoch, dass meine Feierabende sehr oft nicht auf der Couch oder vorm Fernseher stattfinden, sondern eher im Homeoffice oder bei abendlichen Terminen. Kurios ist in dem Zusammenhang, dass gerade in der Zeit, in der man eh schon sehr viel zu tun hat, sich oftmals auch die Einsätze häufen. Meine Frau hat diesbezüglich mal den Spruch geprägt: „Wenn man denkt es geht nichts mehr, kommt irgendwo ein Einsatz her!“ Wichtig ist , dazu einen geeigneten Ausgleich zu finden und vor allem, dass keinesfalls die Familie zu kurz kommen darf. Dazu gehört viel Disziplin, was mir leider nicht immer gelingt, aber vor allem auch ein starker Rückhalt zu Hause.

Seit wann bist du Feuerwehrmann?

Im Alter von 14 Jahren bin ich 1989 in die Jugendfeuerwehr Oberwesel eingetreten. Gerne wäre ich schon viel früher gegangen, die Jugendfeuerwehr wurde aber in Oberwesel erst 1989 nach einer langen Pause wieder neu belebt. Bis dahin habe ich mir bereits im Alter von zwölf Jahren schon Zeitungen und Bücher über die Feuerwehr von meinem Taschengeld gekauft.

Welche Erinnerung hast du an deinen ersten Einsatz?

An den erinnere ich mich noch sehr gut. An einem Werktag frühmorgens war ein Fahrzeug auf der B9 zwischen Oberwesel und Bacharach von der Fahrbahn abgekommen und in die Ufermauer gekracht. Die schwerverletzte Fahrerin wurde durch uns mittels Rettungsschere befreit. Da aber zunächst unklar war, ob nicht noch weitere Personen im Fahrzeug mitgefahren sind, welche ggf. herausgeschleudert wurden, hatte ich gemeinsam mit einem weiteren Kameraden den Auftrag, das Rheinufer dort in dem Bereich abzusuchen. Es war ein mulmiges Gefühl, und man war angespannt, jederzeit jemanden schwerverletzt aufzufinden. Glücklicherweise bestätigte sich dies nicht.

Mittlerweile hast du dich auf Brandbekämpfung auf dem Wasser spezialisiert und dazu gerade ein Buch veröffentlicht. Wie riskant ist die Schifffahrt auf dem Rhein?

Kurz gesagt: „Wenig riskant!“ Sicherlich bestehen dort, wo Menschen und Maschinen zusammenwirken, auch immer Risiken, und insbesondere auch die so genannte Gebirgsstrecke in unserer Heimat zwischen Bingen und St. Goar weist rein statistisch gesehen die höchste Unfallhäufigkeit mit Binnenschiffen auf. Nicht umsonst gilt diese als nautisch anspruchsvollste Stelle in der gesamten europäischen Binnenschifffahrt. Daher haben wir das Buch genau aus den dortigen Erfahrungswerten solcher Einsätze auch zwecks Wissenstransfer geschrieben. Vergleicht man jedoch den Verkehrsträger Binnenschiff mit z.B. der Bahn oder dem Lkw-Schwerlastverkehr, passieren vergleichsweise und von der Intensität der Auswirkungen her recht wenige Unfälle mit Binnenschiffen. In ein mittelgroßes Tankmotorschiff mit einer Kapazität von ca. 2500 t passen vergleichsweise 82 Lastkraftwagen bzw. 42 Eisenbahntankwagen. Das Risiko, dass beispielsweise einer der 82 Lkw einen Unfall mit weitreichenden Folgen auf einer Autobahn hat, ist aus meiner Sicht ein weitaus höheres, als dass ein Binnenschiff mit neuester Technik und Nautik auf einer Binnenwasserstraße in etwas vergleichbares verwickelt wird. Hinzu kommt noch, dass moderne Tankmotorschiffe als Doppelhüllenschiff, also einfach gesprochen mit einem „doppelten Boden/Wandung“, redundant ausgestattet sind. Dies sieht bei Eisenbahnkesselwagen bzw. Lkw-Tanks schlichtweg anders aus.

Was war dein bisher anspruchsvollster Schiffseinsatz?

Dies war sicherlich die Havarie der „Waldhof“ im Jahr 2011. Hier hatte ich die Aufgabe, als Einsatzabschnittsleiter die Suche den noch zwei vermissten Besatzungsmitgliedern auf der kompletten Rheinstrecke von der Loreley bis nach Koblenz zu organisieren. Gefährlich war dies für mich nicht, ich stand mit einem Flipchart und zwei Funkgeräten an Land. Für die eingesetzten Bootsmannschaften von DLRG und Feuerwehr auf dem Wasser aber schon, diese mussten bei wachsendem Hochwasser, Schneeregen, Berufsschifffahrt und Morgendämmerung unter widrigsten Umständen den Rhein und seine Ufer absuchen. Leider erfolglos. Davor ziehe ich noch heute meinen Hut. Für mich war es lediglich anspruchsvoll.

Aber auch zuletzt war ich noch bei einer nächtlichen Suche nach einem mutmaßlich vermissten Jetskifahrer mit an Bord eines Rettungsbootes. Es ist absolute Konzentration und Aufmerksamkeit gefordert, um bei Nacht mit mehreren Einsatzbooten eine Suche durchzuführen und dabei der Berufsschifffahrt „nicht in die Quere“ zu kommen oder mit einer Markierungstonne im Wasser zu kollidieren. Dies ist mitunter für die Besatzungen gefährlich und wirklich sehr anspruchsvoll.

Feuerwehrleute haben immer wieder mit Tod und Verletzung zu tun. Wie werdet ihr auf besonders belastende Situationen vorbereitet?

Grundsätzlich wird man für etwaige Einsätze technisch und geistig sehr gut ausgebildet. Die Lehre jedoch, mit belastenden Einsätzen umzugehen, kommt leider oftmals zu kurz.

Hier sind in der Tat erfahrene Einsatzkräfte und vor allem die Führungskräfte der Feuerwehr und Katastrophenschutzeinheiten gefragt, ein besonderes Auge auf ihre Schützlinge und vor allem die Neuanfänger zu haben. Insbesondere auch nach belastenden Einsätzen ist ein gemeinsamer Austausch und ein darüber Reden zur Verarbeitung der Eindrücke elementar wichtig. Die Landesfeuerwehr- und Katastrophenschutzschule Rheinland-Pfalz in Koblenz bietet im Rahmen ihrer Beratungs- und Koordinierungsstelle entsprechende Lehrgänge an und hat auch Ansprechpartner, welche bei der Einsatznachsorge auf Anforderung unterstützen.

Ohne die Freiwilligen Feuerwehren ginge am Mittelrhein gar nichts. Fühlt ihr euch ausreichend unterstützt?

Da die Feuerwehr rein kommunal organisiert und aufgestellt ist, kann ich hier für das Mittelrheintal keine pauschale Aussage treffen, lediglich für meine Heimatverbandsgemeinde St. Goar-Oberwesel und den Rhein-Hunsrück-Kreis, für welchen ich mich ehrenamtlich engagiere. Für diesen Bereich kann ich mit einem ganz eindeutigen JA antworten. Ich denke wirklich, dass wir einen breiten Rückhalt und Ansehen in der Bevölkerung haben und dass auch politisch sowie parteiübergreifend unsere Arbeit wertgeschätzt und unterstützt wird. Das beweisen zahlreiche Beschaffungsmaßnahmen und Ausbauten von Feuerwehrgerätehäusern in den letzten Jahren, aber auch ein durchweg positives Feedback aus der Bevölkerung. Handlungsbedarf sehe ich jedoch darin, zukünftig das Ehrenamt mehr zu entlasten. So ist insbesondere der Prüfungs- und Wartungsaufwand der Feuerwehrtechnik außergewöhnlich zeitintensiv und verantwortungsvoll. Hier könnte man interkommunal durch zentrale Wartungs- und Prüfstützpunkte das Ehrenamt mit professionellem Personal entlasten und an solchen Stützpunkten auch Nachschubmaterial für eventuelle Groß- bzw. Katastropheneinsätze vorhalten. Da sind uns andere Bundesländer schon um Weiten voraus.

Aber auch die Arbeit und der Verantwortungsbereich der ehrenamtlichen Führungskräfte hat außerordentlich zugenommen. So weiß ich beispielsweise heute noch nicht, ob ich nach dem Ende meiner zehnjährigen Amtszeit im Jahr 2022 bei der derzeit vorherrschenden Arbeitsbelastung dieses Ehrenamt so noch weiter ausüben möchte. Und es wird tatsächlich nicht weniger… Hier herrscht aus meiner Sicht auf jeden Fall noch Handlungsbedarf, jedoch sind die hier zu bohrenden Bretter wirklich noch sehr dick.

Schlussredaktion: Natascha Meyer

Zuletzt in der Reihe „7 Fragen an …“ erschienen

Robert Wurm (Ex-Manager und Winzer in Lorch) – Marcus Schwarze (Journalist, Digitalberater und Buga-Blogger) – Tristan Storek (Düsseldorfer Jungwinzer und Techniktalent in Steeg) – Andreas Nick (Lehrer, Kommunalpolitiker und Hostel-Besitzer in Bad Salzig) – Jean-Michel Malgouyres (französischer Küchenchef in Rüdesheim) – Natascha Meyer (Kanzlei-Managerin, Lektorin und Boppard-Botschafterin) – Heiner Monheim (Verkehrsforscher und Bahnlärm-Bekämpfer) – Carolin Weiler (Winzerin und „FAZ“-Liebling aus Lorch) – Petra Bückner (Tourismuschefin in Lahnstein) – Michael Stein (Kommunalpolitiker aus Bingen) – Falko Hönisch (Opernsänger und Bürgermeisterkandidat in St. Goar) – Kathrin Büschenfeld (Apothekerin in Lorch) – Dieter Stein (IT-Manager und Konzertveranstalter aus St. Goar) – Peter Henrich (Archäologe in Koblenz) – Martin Bredenbeck (Geschäftsführer des Rheinischen Vereins) – Markus Patschke (Energieberater in Bacharach) – Ulrich Lautenschläger (Konzertveranstalter auf der Loreley) – Ivo Reßler(Bürgermeister-Kandidat in Lorch) – Jean-Marc Petit (Hausbesitzer und Denkmalpfleger in Bacharach) – Anne Kauer (Winzerin in Bacharach) – Gerd Benner (Manager und Hobby-Köhler aus Boppard) – Markus Kramb (Metzger aus St. Goar) – Mary-Ann Gellner (Hauptkommissarin der Wasserschutzpolizei St. Goar) – Ilka Heinzen (Einzelhändlerin und Stadträtin in Bingen) – Jan Bolland (Hotel-Investor in Bingen) – Pater Eryk (Franziskaner im Kloster Bornhofen) – Mareike Knevels (Kommunikationsdesignerin und Burgenbloggerin) – Willy Praml (Theatermacher „An den Ufern der Poesie) – Sebastian Hamann           (Beigeordneter der Stadt Bingen) – Johannes Lauer (Dachdeckermeister und Kommunalpolitiker in Lahnstein) – Almut Lager (Unternehmerin und Denkmalschützerin in Bacharach) – Maximilian Siech (Sportler und Projektleiter beim Zweckverband Welterbe) – Till Gerwinat und Lambert Lensing-Wolff (Unternehmer auf Burg Reichenstein) – Christiane Speth (Exil-Bopparderin und Udenhausen-Patriotin an der Schweizer Grenze)

Termine des Tages

Kestert – „Zwischen Katz und Maus“ / Rheinsteigwanderung mit Welterbe-Gästeführer Gerd Siebert – 29. September, 10 Uhr 30.  gaestefuehrer.welterbe-mittelrhein.de

Boppard – Weinfest – 29. September, ab 11 Uhr. boppard-tourismus.de

Lahnstein – Mittelaltermarkt – 28. September, 11 – 18 Uhr. lahnstein.de 

Oberdiebach – „Traumschleife Schellengang“  mit Welterbe-Gästeführer Horst Maurer –  29. September, 11 Uhr. gaestefuehrer.welterbe-mittelrhein.de

Koblenz-Stolzenfels – „Schlossküchen auf Schloss Stolzenfels“ / Sonderführung – 29. September, 11 Uhr 30. tor-zum-welterbe,de

Boppard – „Wir – Ein Bächlein“ / Vernissage im Museum in der Kurfürstlichen Burg – 29. September, 11 Uhr 30. boppard-tourismus.de

Oberwesel – „Stadtbild im Welterbe“ / Sonderführung im Kukturhaus Oberwesel mit Prof. Emil Hädler vom Architekturinstitut der Hochschule Mainz und Dr. Eduard Sebald vom Landesmuseum Mainz – 29. September, 16 Uhr. oberwesel.de

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Auch wir beteiligten uns heute an der Aktion #RhineCleanUp in #Oberwesel. Plastikflaschen, Autoreifen, Zigarettenkippen und alte Autokupplungen – die Rheinufer liegen voll mit unserem Müll. Jetzt räumen wir diesen Müll weg. Das Projekt RhineCleanUp (Rheinaufräumen) koordiniert die vielen Aktionen von der Quelle bis zur Mündung – in unserer Region unterstützt durch den Zweckverband Welterbe Oberes Mittelrheintal. Bereits am 14. September 2019 fand bundesweite Müllsammelaktion entlang des Rheins in anderen Städten und Gemeinden statt. Hier waren bereits über 20.000 Helfer im Einsatz und sammelten über 180.000 kg Müll. Da dieser Termin in Oberwesel auf Weinmarkt und »Rhein in Flammen« fiel, fand das RhineCleanUp heute statt. Weitere Infos unter www.rhinecleanup.org #grüne #nachhaltig #gruen #mittelrhein #mittelrheintal #meinestimmezählt #erstwähler #gruene #bündnis90diegrünen

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