Eigentlich könnte Walter Karbach die Füße hochlegen. Der promovierte Germanist und Gymnasiallehrer muss nach einer Karriere im internationalen Schuldienst niemanden mehr etwas beweisen. Aber der gebürtige Oberweseler legt erst jetzt so richtig los. Er forscht, schreibt und hat den kleinen Verlag seiner Familie wiederbelebt. Kommenden Donnerstag stellt Karbach in seiner Geburtsstadt seine bisher größte Arbeit vor: Die Biografie des deutsch-britischen Maler-Stars Carl Haag, der nach einer turbulenten Laufbahn im Dienste Ihrer Majestät an den Mittelhein zog. 7 Fragen an Oberwesels Geschichtskenner Nr. 1.
Du hast über die Nazi-Verstrickungen eines Oberweseler Dichters und über einen deutsch-britischen Maler am Rhein geforscht. Woher kommt das Interesse an Regionalgeschichte?
In der Regionalgeschichte zeigt sich wie unter einer Lupe, was Geschichte für die Leute bedeutet. Das finde ich spannend. Ich bin in Oberwesel geboren und aufgewachsen, meine Familie lebte dort seit über 200 Jahren. Bei der Erforschung meiner Familiengeschichte bin ich auf Menschen gestoßen, über die ich mehr wissen wollte: Wer war dieser Maler Carl Haag, der 1915 in seinem Turm gestorben ist, in England hoch geschätzt, in Deutschland fast unbekannt? Wer war dieser Schriftsteller Hanns Maria Lux, der 1941 am Hotel „Zum Goldenen Pfropfenzieher“ eine pompöse Nazifeier organisiert hat und bis heute Ehrenbürger der Stadt ist? Momentan arbeite ich an einem Buch über den viel zu lange für heilig gehaltenen Werner und den Wernerkult.
Was ist dein eigentlicher Beruf?
Seit 2015 bin ich als freier Autor tätig und habe auch den kleinen Verlag meines Großvaters Josef Karbach wieder ins Leben geholt. Ich bin gelernter Deutschlehrer und promovierter Germanist. Viele Jahre habe ich als Schulleiter im In- und Ausland gearbeitet, zuletzt sieben Jahre als Direktor der Internationalen Deutschen Schule Brüssel.
Am kommenden Donnerstag stellst du dein Buch über Carl Haag vor. Was fasziniert dich am Thema?
20 Jahre lang bin ich den Spuren dieses faszinierenden Malers gefolgt. Jahrzehntelang ist er in Europa und im Orient unterwegs gewesen, erst mit der Postkutsche und dem Segelschiff, dann mit der Eisenbahn und dem Dampfschiff. Die gleichaltrige Queen Viktoria hat er gut gekannt und ihre älteste Tochter, die Mutter des deutschen Kaisers Wilhelm II., er war amüsant, gut zu Fuß und ein äußerst penibler Aquarellmaler. Vom verwaisten Bäckerjungen hat er es zum vermögenden Hofmaler gebracht. Es hat mich sehr gereizt, dieses interessante Leben zu erforschen. Meine Haag-Biografie, die auch auf Englisch erschienen ist, ist das Ergebnis.
Mit dem Kulturhaus und dem Stadtmuseum wirkt Oberwesel seit einigen Jahren wie eine kulturelle Vorzeigestadt. Täuscht der Eindruck?
Was die Kulturstiftung Hütte hier auf die Beine gestellt hat, ist in jeder Hinsicht vorbildlich. Ich will mir gar nicht vorstellen, wie es in Oberwesel aussehen würde ohne das jahrelange Engagement der Eheleute Hütte und die guten Ideen des Kulturhaus-Teams.
Die Zukunft von Oberwesel scheint nicht ganz so glanzvoll zu werden wie die Vergangenheit. Gerade ist die drohende Schließung des Krankenhauses ein großes Thema. Wie schätzt du die aktuelle Entwicklung der Stadt ein?
Ich bin entsetzt über die Gründe, die der Träger für die Schließung des Krankenhauses anführt. Hat das eigene Management keine Fehler gemacht? Ist Profit wichtiger als gesundheitliche Grundversorgung? Ich freue mich, dass sich gegen die Schließungspläne Widerstand regt. Was die Stadtentwicklung angeht, so glaube ich, dass man aus dem einzigartigen Potential, das hier vorhanden ist, noch deutlich mehr machen kann, auch und gerade im Zeitalter der Digitalisierung.
Was erhoffst du dir von der Bundesgartenschau am Mittelrhein?
Genau das: Dass aus dem vorhandenen Potenzial mehr gemacht wird, nicht nur in Oberwesel. Das ist eine große Chance für den ganzen Mittelrhein. Jeder Ort kann dazu beitragen und zeigen, was er zu bieten hat. Ich hoffe, dass wir bis dahin auch eine Carl-Haag-Straße haben, Haags 200. Geburtstag in 2020 wäre eine gute Gelegenheit dazu. Englische und andere Touristen würden diese Adresse in ihre Navigationssysteme eingeben können.
Der Mittelrhein-Tourismus braucht neue Hotels. Auch am Günderodehaus?
Nein, nicht am Günderodehaus. Dieser Platz muss mit dem wunderbaren Filmepos von Edgar Reitz verbunden bleiben. Er verträgt keine weiteren Gebäude, schon gar kein Hotel. Aber es stimmt: Wer versucht, am Mittelrhein ein ordentliches Hotel für eine Gruppe zu finden oder auch nur ein Restaurant, der hat es nicht leicht. Bevor man in Oberwesel ein neues Hotel plant, sollte man sich ansehen, was aus dem Augustin’s, dem früheren Deutschen Haus, gemacht werden kann. Ein Hotel gehört an die Verkehrswege, nicht auf die Rheinhöhe.
Walter Karbach liest am kommenden Donnerstag (7. November) um 19 Uhr aus seinem neuen Buch über den Oberweseler Maler-Star Carl Haag. Mehr Infos und Karten für das Kulturhaus-Event gibt es bei Franziskus Weinert (Schreib- und Spielwaren Hermann).
Dieses Jahr in der Reihe „7 Fragen an …“ erschienen
Robert Wurm (Ex-Manager und Winzer in Lorch) – Marcus Schwarze (Journalist, Digitalberater und Buga-Blogger) – Tristan Storek (Düsseldorfer Jungwinzer und Techniktalent in Steeg) – Andreas Nick (Lehrer, Kommunalpolitiker und Hostel-Besitzer in Bad Salzig) – Jean-Michel Malgouyres (französischer Küchenchef in Rüdesheim) – Natascha Meyer (Kanzlei-Managerin, Lektorin und Boppard-Botschafterin) – Heiner Monheim (Verkehrsforscher und Bahnlärm-Bekämpfer) – Carolin Weiler (Winzerin und „FAZ“-Liebling aus Lorch) – Petra Bückner (Tourismuschefin in Lahnstein) – Michael Stein (Kommunalpolitiker aus Bingen) – Falko Hönisch (Opernsänger und Bürgermeisterkandidat in St. Goar) – Kathrin Büschenfeld (Apothekerin in Lorch) – Dieter Stein (IT-Manager und Konzertveranstalter aus St. Goar) – Peter Henrich (Archäologe in Koblenz) – Martin Bredenbeck (Geschäftsführer des Rheinischen Vereins) – Markus Patschke (Energieberater in Bacharach) – Ulrich Lautenschläger (Konzertveranstalter auf der Loreley) – Ivo Reßler(Bürgermeister-Kandidat in Lorch) – Jean-Marc Petit (Hausbesitzer und Denkmalpfleger in Bacharach) – Anne Kauer (Winzerin in Bacharach) – Gerd Benner (Manager und Hobby-Köhler aus Boppard) – Markus Kramb (Metzger aus St. Goar) – Mary-Ann Gellner (Hauptkommissarin der Wasserschutzpolizei St. Goar) – Ilka Heinzen (Einzelhändlerin und Stadträtin in Bingen) – Jan Bolland (Hotel-Investor in Bingen) – Pater Eryk (Franziskaner im Kloster Bornhofen) – Mareike Knevels (Kommunikationsdesignerin und Burgenbloggerin) – Willy Praml (Theatermacher „An den Ufern der Poesie) – Sebastian Hamann (Beigeordneter der Stadt Bingen) – Johannes Lauer (Dachdeckermeister und Kommunalpolitiker in Lahnstein) – Almut Lager (Unternehmerin und Denkmalschützerin in Bacharach) – Maximilian Siech (Sportler und Projektleiter beim Zweckverband Welterbe) – Till Gerwinat und Lambert Lensing-Wolff (Unternehmer auf Burg Reichenstein) – Christiane Speth (Exil-Bopparderin und Udenhausen-Patriotin an der Schweizer Grenze) – Christian Albrecht (Feuerwehr-Profi aus Oberwesel) – Markus Kalkofen (Polizist und Landschaftspfleger aus Kamp-Bornhofen) – Lena Höver (Stadtmanagerin und Tourismus-Chefin in Oberwesel) – Klaus Zapp (Bürgermeister-Kandidat in Rüdesheim)
Termine des Tages
Rüdesheim – „MusicaMechanica“ / Sammlerbörse für selbstspielende Musikinstrumente – 2. November. ruedesheim.de
Bingerbrück – „Himalaya- Feeling am Heiligkreuz“ / Wanderung mit Welterbe-Gästeführer Wolfgang Blum – 3. November, 10 Uhr 45. gastefuehrer.welterbe-mittelrhein.de
Osterspai – Martinimarkt – 3. November, ab 11 Uhr. loreley-touristik.de
Lorch-Espenschied – Comedy mit „Gude Gerd“ – 3. November, 16 Uhr. lorch-rhein.de
Lorch – Swing und Poesie im Hilchenhaus – 3. November, 17 Uhr. lorch-rhein.de
Boppard – Comedy mit Matthias Jung – 3. November, 19 Uhr. boppard-tourismus.de
Boppard – „Systemsprenger“ / Cinema in der Stadthalle – 3. November, 20 Uhr. boppard-tourismus.de
Foto des Tages
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Hans Maria Lux steht zur Diskussion, endlich, und wer hätte das gedacht ?
Und zu begrüßen, daß einer Hotel-Höhenbebauung kein Vorschub geleistet wird.