Christian Büning

Mittelrhein steht mir gut

Mittelrheingold-Kollektion

Abgesehen von Nachtfähren oder einer Brücke hat das Mittelrheintal alles, was es braucht und manches sogar zu viel – Bahnverkehr zum Beispiel. Wovon es noch mehr geben könnte, sind Gemeinschaftsgefühl und das buchstäblich am Körper getragene Bekenntnis zur Region. Mittelrheingold-Kolumnist Christian Büning hat nach Merchandising-Produkten gesucht, überraschend viele gefunden und dann noch eins draufgesetzt.

Als Frank dieses Mittelrheingold vor ein paar Jahren aus dem Wasser gehoben hat, wollte er verbinden und zusammenbringen. Der Mittelrhein ist immer schon mehrfach zerteilt wie eine Besteckschublade, was nicht gerade gut war für eine gemeinsame Mittelrhein-Identität. 2 Bundesländer, 5 Landkreise, 3 Tageszeitungen, 3 Verkehrsverbünde, Fährlinien, Dialekte, Katholiken, Protestanten und vieles mehr teilen den Mittelrhein in Parzellen, die manchmal jahrelang nichts voneinander mitbekommen. In der „Allgemeinen Zeitung“ wird man niemals von einer Veranstaltung in St. Goar hören. Deren Revier endet in Bacharach. Ebenso schweigt die „Rhein-Zeitung“ über fast alles, was jenseits von Oberwesel passiert. Frank will all das verbinden und schuf dafür eine goldene Plattform, die Nachrichten aus dem ganzen Tal sammelt, auswählt, einordnet und weiterverbreitet. Er will aus dem Die-da-drüben ein wir-mittelrheiner machen. 

Das Mittelrheintal zeigt keine Identität

Der Bedarf für eine solche Plattform und für eine gemeinsame Identität ist so eklatant hoch, wie die Weinberge hier steil sind. Die Beratungsagentur prognos hat im Jahr 2015 eine umfangreiche Potenzialanalyse der Region Koblenz-Mittelrhein erstellt. Die Initiative Region Mittelrhein e.V. war etwas eher dran und hat 2013 eine Agenda für die Region veröffentlicht. Beide kommen zu erstaunlichen Ergebnissen und Prognosen, aber auch zu dem gleichen Schluss: Ein großer Hemmschuh für die regionale Entwicklung ist die fehlende gemeinsame Identität. Nicht Brücken, nicht Industrie, sondern eine gemeinsame Identität ist die vornehmste Aufgabe. Alles andere baut darauf auf. 

Ein Franke fühlt sich immer als Franke, eine Pfälzerin als Pfälzerin und eine Westfälin immer als Westfälin. Rheinhessen hat in den letzten 40 Jahren an einer eigenen Identität gearbeitet, sehr erfolgreich. Nach innen stärkt so ein Wir-Gefühl die Zusammengehörigkeit und nach außen die Sichtbarkeit. Ein gemeinsames Trikot macht aus einem Haufen Leute ein Team, nicht nur bei Junggesellenabschieden. Der Mittelrhein ist hier allerdings mit sehr vielen Trikots unterwegs. Der obere Mittelrhein, der untere Mittelrhein, die Stadt Koblenz, die Loreley, der romantische Rhein, alle machen Angebote für ein Mittelrheingefühl, aber so richtig ergänzen sie sich alle nicht. Ein Koblenzer wird sich daher immer als Koblenzer fühlen, nicht als Mittelrheiner. Ein Kauber genauso und die Bornhofener natürlich auch. Die Region Mittelrhein zeigt keine Identität. Darum ist sie unsichtbar nach außen und hat eher wenig Zusammenhalt nach innen. 

Mehr Merch als man denkt

Und doch gibt es hier am Mittelrhein immer wieder neue Angebote, die dem Gefühl von heimatlicher Verbundenheit oder einfach nur touristischer Liebe mit Produkten eine Heimat geben wollen. Merchandising nennt es der Profi, oder kurz Merch. Jeder Fußballfan kennt das zur Genüge. Beim BVB wechselt das Gelb jede Saison, sodass man schön jedes Jahr ein Trikot kaufen muss. Ein Nachbarsjunge aus meiner Kindheit hat sein ganzes Erspartes für eine Bettwäsche von Bayern München ausgegeben. Er schlief darin hoffentlich gut, auch wenn ich bis heute nicht verstanden habe, wie man für Bayern München Geld ausgeben kann, aber das ist ein anderes Thema. Er wollte seine Identität zeigen und wählte Baumwolle als Material. 

Merch-Dinge sind auf den ersten Blick eigentlich nur Dinge. Bettwäsche, Kaffeetassen, T-Shirts oder Freundschaftsbänder. Dinge, die irgendwann in den Schubladen verschwinden und in Vergessenheit geraten. Aber vermutlich hat jeder ein paar Dinge, die einen immer wieder unmittelbar berühren. Ein T-Shirt mit einem Bandnamen drauf, das gerade einmal dreihundert Waschgänge hinter sich hat, an den ersten Stellen dünn wird, aber dir immer noch ein Lächeln ins Gesicht schiebt, wenn es dir in die Hände fällt. Dinge, die dein Herz daran erinnern, wo du glücklich warst. Ein gutes Gefühl, das Teil deiner Identität geworden ist. 

Genau dieses Gefühl vermissen die beiden Studien von weiter oben. Ein Wir-Gefühl, das eine Identität geworden ist. Also gucken wir mal, was es am Mittelrhein so an Dingen gibt, die diesem Gefühl auf die Sprünge helfen können. Ganz neu in der Liga spielt rheinkult aus Koblenz. Martina Lehnen setzt ihrer Rheinliebe hier wunderbar behutsam gestaltete Denkmäler aus Papier und Beton. Elena Lisle von rhinevalleyart geht mit umwerfenden Linoldrucken an den Start und verewigt die Landschaft und die architektonischen Perlen hier auf dickem Baumwollpapier. Dennis Meurer hat gerade einen Mittelrheinkalender herausgebracht, ebenso gibt es einen tollen Fotokalender von Claudia Döhring von rheingucken.de. Famous bacchus von Fabian und Bastian Clos hat ein kompaktes Merch-Programm für Braubach und Umgebung im Angebot und an der Loreley gibts Hoodies und Caps mit allerlei Loreley-prints. Für den Rheinkilometer 550 in Oberwesel hab ich schließlich ein kleines Merchprogramm erstellt, das bis heute im Einsatz ist. Die Reihe an Dingen ist hier sicher noch nicht zu Ende und mit Sicherheit hab ich drei vergessen, aber machen wir mal weiter mit dem Text. 

Mittelrheingold zum Anziehen

Ein wesentlicher Teil der Mittelrheinidentität ist es ja, bei einem Schoppen Wein halbgare Ideen in die Welt zu jubeln. Viele Urlaubsreisen sind so entstanden und einige Hauskäufe so beschlossen worden. So murmelten auch Frank und ich vor einiger Zeit darüber, ob der Mittelrhein nicht reif wäre für ein eigenes Fanshirt. Die Leute gucken hier manchmal so, als ob sie dringend eines bräuchten. Und wenige Monate später stehen wir da und haben eine kleine Auswahl an Motiven im Angebot, die wir jetzt gerne aus dem Trockendock ins Wasser lassen würden. 

Die Merch-Welt am Mittelrhein ist nicht groß aber dafür sehr sympathisch. Wir wollen sie jetzt ein klein wenig vergrößern und hoffen, dass diese Dinge zu den Dingen werden, die dich direkt berühren und vielleicht sogar ein wenig dazu beitragen, aus Sanktgoarern, aus Kestertern und aus Koblenzern tatsächlich Mittelrheiner zu machen. Aber was schreib ich hier: guck einfach direkt selbst. Der kleine Shop läuft technisch über meinen Werkstoff-Verlag und nicht, dass ihr euch wundert: Das Design ist vom Mittelrhein, aber Produktion und Versand regeln die Liefer-Profis von Spreadshirt in Leipzig. Zur Mittelrheingold-Kollektion geht’s hier. Aber egal, ob ihr hier oder bei vielen anderen kreativen Köpfen Kunst oder Mode aus der Region kauft: Mittelrhein steht uns allen gut.

Christian Büning ist Mittelrheiner mit innerdeutschem Migrationshintergrund: Der Kreative aus Münster lebt und arbeitet seit 2017 in Oberwesel. Dort führt er sein Designbüro „Büro Büning“, engagiert sich im Stadtrat und hilft bei vielen Initiativen im Welterbetal. Nebenbei saniert er alte Häuser und vermietet gemeinsam mit seinem (Ur-)Oberweseler Lebenspartner Marcel D’Avis gut eingerichtete Ferienwohnungen. Schreiben kann er auch noch. Seit 2021 ist er Kolumnist bei Mittelrheingold. Danke, Christian!

Bisher erschienen:

Armut ist der beste Denkmalschutz? (über Häuser als Geschichtenerzähler)

Alles im Fluss (über Trennendes und Verbindendes)

KI im Datenstrom (wenn Künstliche Intelligenz auf Mittelrhein trifft)

Winterpause? (über eine unterschätzte Jahreszeit)

Mostmajestäten vom Mittelrhein (über eine verpassre Gelegenheit)

Römer macht schöner (über ein unterschätztes Weinglas)

Häuser mit Zukunft (Warum historische Ortskerne wieder modern werden)

Der Mittelrhein im Nebel (über Astronauten und Kirchtum-Politiker)

Was zur Hölle ist eigentlich Schiefer? (über das Mittelrheinischste aller Materialien)

Bis dahin fließt noch viel Wasser denn Rhein runter (über Hungersteine und Niedrigwasser)

Was macht die Welt mit der Loreley? (über das Image der bekanntesten aller Mittelrheinerinnen)

Was die Abladeoptimierung Mittelrhein mit einem wackligen Tisch zu hat (über die Vertiefung der Mittelrhein-Fahrrinne)

Blühende Schleifenlandschaften – die heimliche Blume von Boppard (über Iberis linifolia subsp. boppardensis und was man damit anstellen könnte

Lonely Places oder die heimlichen Stars am Mittelrhein (über Orte, die selbst Einheimische nicht kennen)

Gänse im Anmarsch (über die nervigsten aller Mittelrhein-Touristen)

Grenzenlos gut (über eine Mittelrhein-Grenze, die jederzeit ignoriert werden muss)

Ein Dach ohne Gaube ist ein Irrtum (über das Paradies der Ecken, Winkel und Dachgauben)

Was ist schon Zeit? (über Zugfahren am Mittelrhein)

Eine Ziege, ein Kohl und ein Wolf (über Brücken und Fähren)

Gude, Moin und Guten Tag (über die Kunst des richtigen Grüßens)

(Bewegt-)Bild des Tages

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