2019 übernahm André Choquet die „Vinothek“ am Binger Kulturufer und damit einen gastronomischen Logenplatz mit Traumblick, Flanier-Atmosphäre und Umsatzgarantie. Ein Jahr später kam der erste Lockdown. Dreimal musste der gelernte Koch seitdem schließen. Warum er sich trotzdem nicht unterkriegen lässt, wie er sich motiviert und was ihm im kommenden Sommer schon genügen würde, erzählt er in Folge 9 der Mutmacher-Serie von Gastautorin Marie-Luise Krompholz.
Wie bist du bisher durch die Pandemie gekommen?
Im Vergleich zu anderen Gastronomen verhältnismäßig gut. Der erste Lockdown im März 2020 kam ja sehr kurzfristig und es war nicht klar, was alles auf uns zukommt. Da war eine große Unsicherheit, aber ich habe die Zeit genutzt um die Infrastruktur der Vinothek auszubauen. Ich habe die Internetverbindung verbessert, eine Beleuchtung an den Sonnenschirmen angebracht und so weiter. Damit hatte ich Beschäftigung, war sichtbar und ansprechbar für die Spaziergänger am Kulturufer. Als ich wieder öffnen durfte, habe ich davon profitiert.
Der Sommer war super – alle wollten raus und sehr viele kamen ans Kulturufer und zu uns. Im Außenbereich durfte ich die Tische weiter auseinander stellen, so dass wir dort die gleiche Kapazität hatten wie vor Corona. Es war sehr personalintensiv, ein Mitarbeiter war zudem komplett mit Reservierungen und der Erfassung von Kontaktdaten beschäftigt. Aber alle Mitarbeitenden waren super motiviert und voll engagiert, ein tolles Team!
Der zweite Lockdown im Herbst war nicht so überraschend. Ich habe Mitte November nochmal Martinsgans zum Mitnehmen angeboten und danach komplett geschlossen. Zum ersten Mal in meinem Berufsleben hatte ich Weihnachten und Silvester frei. Anfang Januar haben wir Nachwuchs bekommen und ich konnte mich intensiv um meine Frau und den Kleinen kümmern, das wäre in normalen Zeiten nicht möglich gewesen.
Ende März durftest du die Außengastronomie wieder für einige Tage öffnen …
Im Nachhinein muss ich sagen: Das hätte ich mir sparen können. Es war vielleicht gut fürs Image, finanziell hat es sich nicht gelohnt. Ich insgesamt 11 Tage auf, dann war die Inzidenz wieder über 100 und ich musste erneut schließen. Vor der Öffnung hatte ich meine Festangestellten und Aushilfen zusammengeholt und zum Hygienekonzept geschult. Insgesamt standen 40 Helfer bereit, aber ich habe dann nur 10 benötigt. Es kamen relativ wenig Gäste. Viele Menschen sind verunsichert und sehr vorsichtig geworden. Und das Wetter war auch nicht top.
Die größte Herausforderung waren allerdings die Schnelltests. Ein aktuelles negatives Testergebnis war ja Voraussetzung für den Restaurantbesuch. Leider gab es keine zentrale Teststelle am Kulturufer, also hatte ich Tests gekauft, damit die Gäste sich direkt bei uns testen konnten. Geschätzt haben das nur 30 Prozent akzeptiert, einige waren komplett gegen Tests und andere wollten nichts dafür bezahlen. Meine Mitarbeiter und ich hatten unglaublich viele Diskussionen. Dazu kamen jede Menge Anrufe, wie die aktuellen Bestimmungen sind, auch von Leuten die gar nicht bei uns reservieren wollten.
Hast du mal nachgezählt, wie oft du das Restaurant wegen Corona ganz oder teilweise schließen musstest? Wie viele Corona-Verordnungen du schon umgesetzt hast?
Bis heute habe ich 3-mal komplett geschlossen. Derzeit checke ich jeden Tag die Infektionszahlen und halte mich allgemein auf dem Laufenden. Im letzten Frühjahr habe ich teils mehrmals täglich nach neuen Verordnungen geschaut, so schnell änderte sich das. Manchmal hatte ich dann einen aktuelleren Stand als die, die die Einhaltung der Bestimmungen kontrollierten.
Wann und unter welchen Bedingungen du wieder öffnen kannst, ist momentan ja kaum vorherzusagen. Wie gehst du damit um, wie planst du?
Für mich wäre es okay, wenn ich in diesem Sommer nur die Außengastronomie öffnen dürfte. Im letzten Sommer konnte man auch drinnen sitzen, das haben nicht so viele Leute gemacht. Wichtig sind einfache, klare und nachvollziehbare Regeln. Kurze Öffnung und dann wieder Schließung, das bringt nichts. Ich warte jetzt ab, bis die Infektionszahlen stabil nach unten gehen und das Wetter beständiger ist.
Eine To-Go-Karte biete ich nicht an. Im November habe ich gesehen, das rechnet sich für mich nicht. Außerdem wird es nicht meinem Anspruch gerecht, ein qualitätsvolles Essen in schöner Atmosphäre zu servieren. Ich veranstalte auch keine Online-Events, das machen einige der Vinotheken-Winzer selbst.
Welche politischen Maßnahmen oder staatlichen Unterstützungen sind deiner Meinung nach am wichtigsten, um die nächsten Monate zu überstehen?
Das Impfen steht an erster Stelle, das muss schneller und flexibler werden. An zweiter Stelle stehen Schnelltests, die flächendeckend angeboten werden, kostenlos und leicht zugänglich sind. Dafür sollten nicht die Gastronomen verantwortlich sein. Am Kulturufer in Bingen könnten zum Beispiel mobile Teststationen an beiden Enden stehen, wo sich die Leute testen lassen, die in die Restaurants wollen.
Gut geklappt haben bei mir die staatlichen Hilfsprogramme für die Gastronomie. Mein Steuerberater hat sich so richtig ins Zeug gelegt, damit ich die Überbrückungshilfen bekomme die ich benötige.
Wer bzw. was gibt dir in diesen Zeiten Kraft?
Mein kleiner Sohn ist mein ganz großer Lichtblick! Wenn die Corona-Pandemie etwas Gutes hat, dann ist es für mich, dass ich gerade so viel bei meiner Familie sein kann.
Worauf freust du dich am meisten, wenn Corona einigermaßen im Griff ist?
Ich freue mich auf ein Wiedersehen in unserem großen Freundeskreis. Alle zusammen treffen, jeden zur Begrüßung umarmen, gemeinsam etwas unternehmen und zum Abschluss in die Vinothek einkehren.
Marie-Luise-Krompholz hat während der Pandemie noch weitere Macherinnen und Macher am Mittelrhein interviewt. Bisher erschienen:
- Carl Woog über ehrenamtliches Engagement in Bingerbrück
- Heike Tharun über Wandern und Selbsterfahrung am Mittelrhein
- Schwester Philipp Rath über ihr Kloster und die Corona-Krise
- Thomas Feser über die Binger Verwaltung in der Pandemie
- Sarah Piller über Kulturmanagement am Mittelrhein
- Elke und Janine Bolland über die Zukunft des Günderodehauses
- Cora und Marco Hecher über ihr neues Sooneck-Projekt
- Kai Climenti über sein Rüdesheim-Startup „Walk Like a Local“
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2 Gedanken zu „„Kurze Öffnung und dann wieder Schließung, das bringt nichts““
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