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Kultur am Mittelrhein: „Wir können nur helfen, wenn etwas gewollt ist“

In Bingen blieb das Festival „Jazz am Mäuseturm“ hinter den Erwartungen zurück und auch anderswo klagen Veranstalter über zähes Ticket-Geschäft. War’s das schon mit dem Comeback nach dem Lockdown? Zum Start des nächsten großen Mittelrhein-Events „An den Ufern der Poesie“ erklärt der rheinland-pfälzische Kultur-Staatssekretär Jürgen Hardeck, was die Festivals für das Mittelrheintal bedeuten und warum man die Gelegeneit nutzen sollte.

Jürgen Harbeck ist Staatssekreretär im rheinland-pfälzischen Ministerium fürr Familie, Frauen, Kultur und Integration. Foto: MFFKI
Jürgen Harbeck ist Staatssekreretär im rheinland-pfälzischen Ministerium fürr Familie, Frauen, Kultur und Integration. Foto: MFFKI

Nach 2 Jahren Corona redet jetzt alles über Krieg, schwere Waffen und Inflation. Gibt es für Kultur noch genug Aufmerksamkeit und genug Geld?

Mit Blick auf die Pandemie muss man feststellen, dass die Menschen noch immer sehr vorsichtig sind und Veranstaltungen noch recht zurückhaltend besuchen. Deshalb gibt es derzeit teilweise mehr kulturelle Angebote als Nachfrage. Dennoch: Ereignisse, die uns anregen und wieder in einen Austausch bringen, sind derzeit besonders wichtig. Und – anders als manch anderes – sind die meisten Kulturangebote  noch nicht teurer geworden. 

EU, Bund und Länder waren immer ziemlich gut darin, einzelne Initiativen in einzelnen Mittelrhein-Orten zu fördern. Was fehlt, ist ein großes Kulturereignis für das ganze Tal. Etwas, was wie das Rheingau-Musikfestival Identität stiftet und Menschen für eine Region begeistert. Könnte das Festival „An den Ufern der Poesie“ irgendwann so eine Rolle spielen? 

Na ja, wir haben ja  – allein was die von uns im Rahmen des Kultursommers Rheinland-Pfalz stattfindenden Musikfestivals angeht – z.B. Rheinvokal und das Mittelrhein Musikfestival, die Internationalen Musiktage Koblenz (IMUKO), Kammermusikkonzerte der Villa Musica oder auch Lahneck live oder die Operiamo-Projekte in Boppard. Aufgrund ihrer unterschiedlichen Inhalte, und weil die Spielorte manchmal auch etwas über das Obere Mittelrheintal hinausgehen, kann man daraus wohl nicht ein Festival machen, – aber an hochkarätigen Konzerten herrscht in der Region kein Mangel. Das Festival „An den Ufern der Poesie“ kann die Themen der Rheinromantik aktualisieren – und natürlich ist vorstellbar, dass neben Bacherach, Lorch, Kaub und Oberwesel, zukünftig weitere Orte dazukommen. Das muss aber gewollt sein und stetig wachsen. Dann könnte es bis zur Buga vielleicht gelingen, dass sich das ganze Tal an dieser Festivalidee beteiligt. 

Du kennst die Region und das Festival schon aus deiner Zeit beim Kultursommer Rheinland-Pfalz. Was bedeuten die „Ufer der Poesie“ für dich persönlich?

Wir haben beim Kultursommer Rheinland-Pfalz immer nach authentischen Themen für die Städte und Regionen gesucht. So kam es zur “Rheinfels-Saga” in S. Goar oder – im Jahr 2000 – zu „Die Loreley – ein Mythos in Bildern“ des dänischen „teatret cantabile 2“, eine spektakuläre mimisch-tänzerische Show auf einer Bühne im Rhein im Hafen von St. Goarshausen. Für alle, die dabei waren, ein unvergessliches Erlebnis. Ich war daher sehr dankbar, dass das renommierte Theater Willy Praml aus Frankfurt, mit großartiger Unterstützung vieler in und um Bacherach, mit „An den Ufern der Poesie“ einen neuen Anlauf im Tal gemacht hat. Ich sehe darin eine große Chance. Für mich persönlich sind die Impulse der Romantik teilweise sehr spannend und aktuell – vielen ist aber nicht hinreichend bewusst, wie sehr wir alle durch die Ideen der Romantiker geprägt wurden und was wir ihnen verdanken.

Das Festival hat immer auch gegen Klischee-Romantik und Mittelalter-Kitsch angespielt. Braucht das Mittelrheintal einen Imagewechsel?

Ich bemerke, dass daran zunehmend Menschen arbeiten. Das kreative Potenzial im Tal wächst von Jahr zu Jahr. Und darauf kommt es an, denn nur wenn es glaubwürdig gelebt wird, wird ein neues Narrativ auch funktionieren.

Das große Mittelrhein-Thema der nächsten Jahre ist die Bundesgartenschau 2029. Was erwartest du als Kultur-Staatssekretär von der Buga?

Ich habe ja schon einmal erlebt und auch ein wenig daran mitwirken dürfen, was eine Buga zum Positiven verändern kann: 2011 in Koblenz. Nun ist eine Buga im Tal zwar eine noch größere Herausforderung, die aber erfolgreich bewältigt werden kann – wenn auch der Faktor „Kultur“ in seinen verschiedensten Facetten nicht unterschätzt wird.

Wie viele Festivals an den Ufern der Poesie wird es bis 2029 geben?

Das entscheiden die Veranstalter und das Publikum. Wir können nur helfen, wenn etwas gewollt ist. Aber an uns wird es gewiss nicht scheitern. 

Gerade ist das Festival-Programm für 2022 veröffentlicht worden. Welchen Termin sollte man auf keinen Fall verpassen? 

Die Geschmäcker sind und bleiben verschieden. Einfach mal hingehen und mal etwas davon erleben, darauf kommt es an, glaube ich. 

Zur Person: Jürgen Hardeck, Jahrgang 1958, promovierte über den Philosophen und Bestseller-Autoren Erich Fromm („Die Kunst des Liebens“) und lehrt als Honorarprofessor an der Universität Mainz. Er leitete über 25 Jahre lang den „Kultursommer Rheinland-Pfalz.“ 2021 wurde er Kultur-Staatssekretär im Landesministerium für Familie, Frauen, Kultur und Intgration. Hardeck stammt aus Hachenburg im Westerwald und ist parteilos. 

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