St. Goar liegt nicht nur geografisch im Herzen des Welterbetals. Hier gibt es alles, was die Region bedroht, und alles, was sie retten könnte. Auf der Negativ-Seite: Leerstand im Tal, Bauwut auf den Höhen und heillos zerstrittene Kommunalpolitiker. Als Lichtblicke: Engagierte Bürger, hochwertige Gastronomie auf der Rheinfels, eine kreative Kunst-und Kultur-Szene und natürlich Lage, Lage, Lage. Es gibt gute Projekte. Ein neuer Laden soll ab Freitag die Innenstad beleben: „K“. Dort gibt es Mittelrhein-Produkte und Kunst zu kaufen. Und in der früheren Mühle Hilgert im Gründelbachtal hat das niederländische Paar Ricus und Sonja Sebes ein Keramik-Atelier eingerichtet.
Eine von denen, die in St. Goar über Kirchtum und Tellerrand hinausdenken, ist Pia Trimpe-Müller. Die Software-Spezialistin und Trainerin stammt aus dem rechtsrheinischen Patersberg und ist auf der anderen Seite im St. Goarer Höhenort Werlau heimisch geworden. Dort kämpft sie gegen Pläne für einen überdimensionierten Ferienpark. Gleichzeitig führt sie die SPD-Fraktion im St. Goarer Stadtrat – ohne der Partei selbst anzugehören. 6 Fragen an eine Kommunalpolitikerin ohne Parteibuch.
Pia, du führst eine SPD-Fraktion ohne selber in der Partei zu sein. Wie wichtig sind Parteizugehörigkeiten in der Kommunalpolitik?
Für mich hat Parteipolitik auf kommunaler Ebene keinen Platz. Das war zentrales Thema in unserem Wahlkampf. Wir machen Politik für die Menschen in unserer Region.
Am Mittelrhein gibt es einige Orte mit tiefen politischen Gräben. St. Goar gehört dazu. Was ist in der Stadt falsch gelaufen und wie kann man es besser machen?
Kommunalpolitik heißt, Sachpolitik in den Vordergrund zu stellen und Ideologien in den Hintergrund. Das wurde in den letzten Jahrzehnten leider nicht gelebt. Niemals die Sachebene verlassen und Persönliches zurücknehmen: Das macht schon vieles besser.
Momentan sorgt der Rheinfels-Deal mit Georg Friedrich Prinz von Preußen für Unruhe. In der Öffentlichkeit wurde immer der Eindruck erweckt, die Klage des Prinzen sei 2018 aus heiterem Himmel gekommen. Tatsächlich liefen schon Jahre vorher Gespräche und sogar ein weiterer Prozess, den der Prinz ebenfalls verloren hat. Warum wird in St. Goar so etwas nicht offener kommuniziert?
Der Prozess, von dem Du hier sprichst, fand statt, lange bevor wir aktiv wurden. Die Frage ist doch viel mehr: Warum wurde er zum ersten Mal von uns thematisiert, übrigens in öffentlicher Sitzung? Ebenso hat Herr Stadtbürgermeister Hönisch die 46 von der CDU gestellten Fragen in öffentlicher Sitzung beantwortet. Die „Goarer Gespräche“ finden weiterhin statt. Dazu möchte ich die Bürger sehr gerne einladen aber auch dazu, die Stadtratssitzungen zu besuchen. Des Weiteren arbeiten wir an Möglichkeiten zu informieren. Soziale Medien halte ich da für weniger geeignet.
Es gibt in St. Goar noch mehr Konfliktstoff. Zum Beispiel der geplante Ferienpark an deinem Wohnort Werlau. Wie stehst du dazu?
Persönlich bin ich gegen diesen Ferienpark, das ist hinlänglich bekannt. Wir sprechen hier von fast 60 Hekar allerbestem Ackerland und weit über 2000 Betten. Das ist nicht nachhaltig. Hier ist auch gar nicht mit offenen Karten gespielt worden. So wissen z.B. viele nicht, dass der Ortsbeirat gegen das Vorhaben gestimmt hat. Es gibt einige Landbesitzer, die nicht verkaufen wollen. Auch Icomos, die Monitoring-Gruppe der Unesco, hat kein grünes Licht gegeben. Wir wollten unbedingt Weltkulturerbe sein und dann bebauen wir die Rheinterrassen? Das macht keinen Sinn und würde natürlich weitere Begehrlichkeiten wecken, die dem Weltkulturerbe gefährlich werden könnten.
Wird es eine Hängebrücke über das Gründelbachtal geben?
Denkbar ist es, aber ob es durchführbar ist, muss geklärt werden. Es geht zum Beispiel um die Eigentumsverhältnisse der Grundstücke, die überquert werden. Machbar ist es mit einem entsprechenden Investoren.
Das größte Problem nicht nur in St. Goar ist die immer leerer werdende Innenstadt. Was wollt ihr dagegen tun?
Es tut sich da schon einiges. Neue Läden haben eröffnet. Vermehrt nehmen Bürger Förderungen des Stadtsanierungsprogramms in der Kernstadt in Anspruch, um ihre Häuser zu sanieren. Ich möchte hier eine Dame zitieren, die uns Folgendes geschrieben hat:
„Ich war heute Morgen in St. Goar. Da war richtig Leben. Und da ich die Hunde dabei hatte, kam dann: ‚Unser Bürgermeister hat genau die gleichen Hunde, wie süß.‘ Ich geh jetzt öfter mal da unten mit den Hunden spazieren, so auf ein Schwätzchen. Irgendwie spürt man eine Veränderung!“
Das hat mir gut gefallen!
Abflug in Bingen
Bingen braucht schon wieder einen Tourismuschef. Laut „AZ“ hört Amtsinhaber Georg Sahnen spätestens zum Jahresende auf. Der frühere Journalist und Lufthansa-Sprecher war 2018 kurzfristig als Ersatzmann geholt worden, nachdem sich der eigentlich ausgewählte Kandidat als Diplom-Schwindler entlarvt hatte. Sahnen sollte Tourismus, Stadtmarketing und das städtische Veranstaltungsgeschäft zu einer schlagkräftigen Einheit zusammenführen. In der Öffentlichkeit war von ihm wenig zu sehen, und das kommunale Marketing blieb blass. Stattdessen übernahm der privatwirtschaftlich organisierte Verein „Bingen Unternehmen Zukunft“ mehr und mehr die Initiative. Allgemeine Zeitung
Einkaufen am Speisemarkt
Apropos Bingen: In der Innenstadt schließen nicht nur Läden, es kommen auch neue. An der Ecke Speisemarkt / Schmittstraße hat das Modehaus Heck aus Kirchheimbolanden eine Filiale eröffnet. Gründerin Michaela Heck startete 2005 auf 30 Quadratmetern, jetzt betreiben sie und ihr Mann 3 Läden. Eine weitere Heck-Filiale ist in Alzey. Allgemeine Zeitung, modehaus-heck.de
Boppard sucht den Super-Doktor
Kleine Kassenpatienten haben in Boppard ein Problem. Die einzige Kinderarztpraxis in der Stadt nimmt nur Privatpatienten auf, und ringsherum ist es kaum möglich, einen Termin zu bekommen. Die Kassenärztliche Vereinigung will darum eine weitere Praxis im Rhein-Hunsrück-Kreis zulassen. Für patriotische Bopparder ist klar, an welchem Ort sich ein neuer Kinderarzt ansiedeln wird: Natürlich im schönsten. Also in Boppard. Trotzdem denkt man im Stadtrat über zusätzliche Anreize nach, zum Beispiel über einen bevorzugten Bauplatz für den Doktor. Rhein-Zeitung
Querdenker auf der rechten Rheinseite
Der größte Winzer im Oberen Mittelrheintal ist das Land Hessen. Die Hessischen Staatsweingüter bewirtschaften zahlreiche Parzellen rund um Rüdesheim, vor allem in der Renomierlage Assmannshäuser Höllenberg. Dort sollen jetzt mehr und mehr Querterrassen angelegt werden. Im Gegensatz zur klassischen Längsbepflanzung mit schnurgeraden Reihen von oben nach unten kommen Querterrassen besser mit Starkregen und anderen Klima-Extremen klar. Als Pionier gilt der Lorcher Winzer Gilbert Laquai. Auf der linken Rheinseite setzt vor allem der Steeger Jochen Ratzenberger auf Querterrassen. Wiesbadener Kurier, Hessischer Rundfunk (Video)
Ein Blick auf die Buga
Die Ausstellung „Unsere Buga beginnt jetzt!“ ist demnächst auch in Boppard zu sehen. Wegen Corona ist nur die Eröffnung abgesagt worden, die Exponate werden aber wie geplant ab Dienstag in der Stadthalle gezeigt. „Unsere Buga beginnt jetzt!“ informiert über die Möglichkeiten der Bundesgartenschau 2029. Die Ausstellung läuft bis zum 17. Mai. Sie ist montags bis freitags von 9 bis 16 Uhr und samstags von 9 bis 13 Uhr geöffnet. Wochenspiegel
Video der Woche
Mittelrheingold-Leser kennen Anna Elisabeth Bach schon vom Interview-Format „7 Fragen an ….“. Jetzt ist die Boppards buddhistische Pensionswirtin auch im SWR-Fernsehen zu sehen. Die „Landesschau Rheinland-Pfalz“ beschreibt ihren Weg von der Postbank-Beamtin zur Heilkundlerin mit Himalaya-Erfahrung. SWR (Video)
Mittelrhein-Zahl der Woche
900 Karten waren Mitte der Woche für die „Weinpirsch“ in Bingen-Büdesheim verkauft. Die Veranstalter hoffen, dass trotz Corona-Virus alles klappt. Das Event findet nicht in einem Raum statt; man schlendert von Weingut zu Weingut. Die 3. Rüdesheimer Weinpirsch ist für den 27. März geplant. Allgemeine Zeitung, generationriesling.de (Event-Seite)
Foto der Woche
Das Beste zum Schluss
Zum formvollendeten Kurort hat es Lahnstein noch nicht gebracht, aber zumindest in einem Punkt ist die Stadt bald allen anderen voraus: Sie hat bald den ersten „Kur- und Heilwald“ in Rheinland-Pfalz. Ein Landesgesetz regelt demnächst die Einzelheiten. Vergleichbares gibt es in Deutschland nur auf der Insel Usedom. Rhein-Zeitung
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