Frank Zimmer

Arbeitsplätze in Kaub und Mutmacher-Interviews aus Bingen

Was macht man mit einer Ferienwohnung, die man nicht an Touristen vermieten darf? Die Urlaubsunterkunft als Arbeitsplatz anbieten. Dirk Melzer, Landschaftsarchitekt mit Büro in Köln mit Nebenwohnsitz in der alten Heimat Kaub, hat sich das O.K. der Kreisverwaltung geholt: Er darf seine 2 Kauber Ferienwohnungen an Menschen vermieten, die sich in Kreativ-Klausur zurückziehen und ungestört arbeiten wollen. Das Angebot richtet sich an alle, die „Ruhe und Abgeschiedenheit und Schönheit für ihre Steuererklärung, ihre Doktorarbeit, ihre Biographie, ihre neue Komposition oder was auch immer brauchen“. Der Standort sei perfekt, schwärmt Melzer auf Facebook: „In Kaub ist die Grundversorgung optimal gesichert. Unser perfekt ausgestatteter Tante-Marion-Laden hat wie immer geöffnet und ist in 5 Minuten zu Fuß erreichbar. Bei Edgar und Willy im Gasthof Deutsches Haus (50 m geradeaus) gibt es leckere Speisen to go und für den Feierabendbelohnungstropfen haben die fünf Kauber Winzer ausreichend hervorragenden Wein eingelagert.“ Auch anderswo im Tal gibt es Unterkünfte für nichttouristische Reisen. In Oberwesel etwa bieten mehrere Gastgeber Betten für Patienten der neuen Tageklinik an. Für die Touristik-Branche insgesamt ist es aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Facebook

Platz ist in der schönsten Hütte: Home Office in Kaub.

Mutmacher-Interviews aus Bingen

Marie-Luise Krompholz stammt aus der Nähe von Marburg und hat in Bingen ihre Wahlheimat gefunden. Hauptberuflich arbeitet die Public-Relations-Expertin seit vielen Jahren in der Arzneimittel-Branche, ehrenamtlich engagiert sie sich u. a. im Förderverein der Burg Rheinstein. In den kommenden Wochen möchte sie Menschen im Tal nach ihren persönlichen Erfahrungen in der Corona-Krise befragen. Die Interview-Serie erscheint auf Mittelrheingold. Warum sie das Thema beschäftigt und wie es angehen möchte, erklärt sie hier:

Marie-Luise Krompholz lebt in Bingen. Foto: Privat.

 Was hat dich auf die Idee gebracht?

Wir alle leben jetzt seit fast einem Jahr im Ausnahmezustand und heute ist noch nicht absehbar, wann dieser endlich vorbei ist und wir wieder unbeschwerter leben können. Das zerrt an den Nerven und bei den vielen negativen Nachrichten muss man aufpassen, die positiven Dinge nicht zu übersehen. Und dann gibt es ja noch den Spruch, dass jede Krise auch eine Chance ist … 

Seit einigen Jahren wohne ich in Bingen und halte mich auch über deinen Blog auf dem Laufenden, was sich im Mittelrheintal tut. Du machst ja von Zeit zu Zeit Interviews mit Persönlichkeiten aus dem Tal. Da kam mir die Idee, dass man ähnliche Interviews auch mit Bezug zu Corona machen könnte und ich habe dich dazu angeschrieben. Ich freue mich sehr, dass dir mein Vorschlag gefallen hat und ich deinen Blog in den nächsten Wochen mit einer kleinen Interview-Serie unterstützen darf!

Wie wählst du deine Gesprächspartner aus?

Meine Gesprächspartner werden eine kunterbunte Mischung: Jüngere und Ältere, Frauen und Männer, Etablierte und Newcomer. Sie alle eint, dass sie hier im Tal aktiv sind, den Kopf nicht in den Sand stecken sondern Zukunft mitgestalten wollen. Und es sind Leute, die von dir bisher noch nicht interviewt wurden.

So wie jeder von uns seine eigene Corona-Geschichte hat, hat auch jeder meiner Interviewpartner unterschiedliche Erfahrungen und Ansätze, mit dieser Herausforderung umzugehen. Das möchte ich herausfinden und vielleicht auch noch die eine oder andere Inspiration mitbringen.

Der wirtschaftliche Schaden für Händler und Gastronomen ist kaum absehbar. Wie schätzt du die Lage ein?

Das ist in vielen Fällen wirklich ein Drama, für die Unternehmer, für die Beschäftigten und letztlich auch für die Lebensqualität in unseren Städten und Dörfern. Einige Branchen müssen besonders viel von der wirtschaftlichen Last der Corona-Krise schultern und ich hoffe, dass auch die kleinen Geschäfte eine faire staatliche Unterstützung erhalten. Denn gerade die lokalen Händler und Restaurants machen unsere Orte besonders, sind ein Treffpunkt für die Einheimischen und ein Pluspunkt bei Touristen. Ich für meinen Teil kann es kaum erwarten, wieder einmal bummeln zu gehen oder in einem Restaurant lecker bekocht zu werden.

Wie hat sich dein eigenes Leben durch Corona geändert?

Im März 2020 ging es ins Mobile Office und ich war viel zuhause. Ganz praktisch ist seither Kochen statt Kantine angesagt, seit dem zweiten Lockdown kochen mein Mann und ich uns durch die Küchen dieser Welt. Auch die Umgebung habe ich durch meine Radtouren noch besser kennengelernt. Wir wohnen hier schon echt schön und es gibt viele tolle Ausflugsziele in der Region!

Durch Corona ist mir sehr bewusst geworden, wie wichtig der persönliche Kontakt ist. Es war wunderbar, als ich mich nach dem ersten Lockdown endlich wieder mit mehreren Freunden treffen und die weiter entfernt lebende Familie besuchen konnte. Zum Glück ermöglicht die Digitalisierung, dass wir uns jetzt immerhin per Videochat sehen können. Und zum Glück ist bisher niemand aus meinem Umfeld schwer an Covid-19 erkrankt.

Insgesamt habe ich vieles, was vorher selbstverständlich war, mehr zu schätzen gelernt. Dieses Freuen an kleinen Dingen und alltäglichen Begegnungen möchte ich mir auch nach Corona beibehalten.

Du hast viel Berufserfahrung im Pharma-Bereich und bei der Kommunikation von Gesundheitsthemen gesammelt. Corona ist das größte Gesundheitsthema des Jahrzehnts, vielleicht des Jahrhunderts. Wie beurteilst du die Corona-Kommunikation in Politik und Medien? 

In der ersten Phase war die Kommunikation gut und fast wie aus dem Lehrbuch. Je länger die Krise dauert, desto mehr zerfasert die Kommunikation, die handelnden Politiker geraten in der Defensive und das Vertrauen schwindet. Die Strategie des „Entscheiden und dann erklären“ funktioniert nicht mehr und auch nicht mehr der grundsätzlich richtige Ansatz, glaubwürdige Experten in die Kommunikation einzubeziehen. Nach der Krise wird man auch bei der Kommunikation einiges aufarbeiten müssen, um für die Zukunft daraus zu lernen.

Was aktuell helfen könnte, das Verständnis für die Beschränkungen zu stärken, wäre mehr Transparenz, auf welcher Grundlage die wesentlichen Entscheidungen getroffen werden und warum andere Optionen nicht zum Zug kommen. Ich wünsche mir außerdem eine zentrale Website der Regierung mit leicht verständlichen und gut aufbereiteten Informationen, auf der „Otto Normalbürger“ die wichtigsten Informationen zu Corona und zu den Impfungen findet. Und Experten, die nicht nur Virologen sind, sondern unterschiedliche Bevölkerungsgruppen in ihrem Lebensumfeld erreichen.

Ganz besonders wichtig finde ich, dass Medien und Politiker weniger nach Schuldigen und Skandalen suchen und daraus kurzfristiges Wahlkampfgetöse oder aufgeregte Medienhypes (für mehr Klicks ergo Werbeeinnahmen) machen. Corona und seine Auswirkungen sind so komplex, dass eigentlich alle Energien für die Bewältigung der aktuellen und zukünftigen Herausforderungen benötigt werden.

Zum Schluss noch eine Anmerkung: Aus Mainz kommt der weltweit erste Impfstoff. Wer hätte vor einem Jahr darauf gewettet, dass Forscher in Deutschland so etwas zustande bringen? Auf diese grandiose Leistung könnten wir etwas stolzer sein und es sollte uns Mut machen: Wir schaffen das. 

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Ein Beitrag geteilt von Swen Weber (@news_vom_rhein)

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