Redaktion

„Die Gemeinschaft soll hier immer im Vordergrund stehen“

Sebastian Reifferscheid.

Der mittelrheinische Beitrag zum Wettbewerb „Deutschlands schönster Wanderweg“ ist mehr als ein Stück Welterbe-Landschaft. Mit dem Langshalsweg in Osterspai hat es es eine ganze Dorfgemeinschaft ins bundesweite Finale geschafft. Gute Ideen, Zusammenhalt und unzählige freiwillige Arbeitsstunden machten die 8,1 Kilometer lange Route samt Aussichtspunkt und Instagram-Hotspot „Mittelrheinherz“ möglich. Jetzt fiebert Osterspai der Entscheidung entgegen und hofft bis Juni auf möglichst viele Online-Stimmen. Das Gesicht der Erfolgsmodells Osterspai ist Sebastian Reifferscheid. Der 34-Jährige, im eigentlichen Beruf Manager beim Fußballverband Rheinland, übernahm vor knapp 3 Jahren den ehrenamtlichen Bürgermeisterjob und setzt sich seitdem auf allen Kanälen für sein Dorf ein. Im Mittelrheingold-Interview erzählt er, was Osterspai ausmacht, welche Herausforderungen es gibt und warum die besten Jahre noch kommen.

Sebastian, wie oft bist du den Langhalsweg schon hoch- und runtergelaufen? 

Ich schätze, mehr als 150 Mal bin ich den Langhalsweg mit Sicherheit schon gelaufen. Alleine bis aus der Idee der endgültige Rundweg entstand, waren viele Schritte nötig. Heute sind es dann oft die Kontrollläufe und Arbeitseinsätze mit unserem Langhals-Team oder die Führungen von Wandergruppen, aber am liebsten als perfekter Ausgleich in der Natur zum stressigen Alltag.

Der Langhalsweg ist im Finale von Deutschlands schönstem Wanderweg; das Online-Voting läuft. Bekommst du Zwischenstände mit oder musst du bis zum Schluss auf das Ergebnis warten?

Wir bekommen jeden Monat einen Zwischenstand, der ausschließlich digitale Stimmen zählt. Aktuell liegen wir im vorderen Tabellenfeld bei den Tagestouren. Die analogen Wahlkarten werden aber erst nach Ende der Wahl am 30. Juni ausgezählt. Sie haben laut „Wandermagazin“ oft einen bedeutenden Anteil am Endergebnis . Zusammen mit der Loreley-Touristik und dem Romantischen Rhein stehe ich darum im regen Austausch, um weitere Ideen zu entwickeln und so noch mehr Menschen im Mittelrheintal zur Wahl zu bewegen. Ich sehe das als große und einmalige Chance, auch im Hinblick auf die Buga 2029, um noch mehr Gäste nach Osterspai und ins Mittelrheintal zu ziehen.

Hinter dem Wanderprojekt und dem neu gestalteten Aussichtspunkt steckt extrem viel ehrenamtliches Engagement. Täuscht der Eindruck, dass in Osterspai vieles besser läuft und mit mehr Gemeinsinn angepackt wird als in anderen Kommunen?

Wie es in anderen Gemeinden abläuft, kann ich nicht beurteilen. Sehr stolz macht mich aber natürlich das ehrenamtliche Engagement in Osterspai – ob bei zurückliegenden Großprojekten wie dem Feuerwehrgerätehaus, Rathaus, Sportgelände oder auch kleineren Projekten. Hier ist vieles nur durch unzählbare ehrenamtliche Stunden entstanden und überhaupt möglich gewesen. Täglich sind Ehrenamtler in unseren sehr vielen Vereinen im Einsatz. Darüber hinaus freut es mich, dass wir durch Bürgerprojekte weitere Menschen bewegen, sich ehrenamtlich zu engagieren, die sich vielleicht nicht an einen Verein binden wollen. Ich denke gerade zuletzt das “Mittelrhein-Herz” hat hier als Paradebeispiel gezeigt, was dann ehrenamtlich so alles möglich ist. Selbst im Traum hätte ich damals nicht gedacht, dass wir gemeinsam so etwas gemeistert bekommen und so viele Menschen mit anpacken. Vom Tischler Roger Nengel über Landwirt Franz Schlaghecken, Maurer Nico Fischbach oder Dachdecker Helmut Lange – nur durch das Zusammenwirken vieler Osterspaier Handwerker und zahlreicher Helfer konnte das überhaupt klappen. Mich selbst sehe ich hier ein bisschen in der Rolle des Motivators, der neben der ein oder anderen Idee versucht, alle zu begeistern und für neue Projekte zu gewinnen.

Welche Probleme gibt es bei euch?

Unsere Gemeinde ist, wie viele andere Rheingemeinden, hoch verschuldet. Unser Haushalt hat keinen Spielraum für freiwillige Ausgaben oder tolle Gedankenspiele, es fehlen schlichtweg Einnahmequellen. Daher kann hier weiterhin nur über die ehrenamtliche Schiene etwas bewegt werden.  

Im Juni sind Kommunalwahlen. Nicht nur am Mittelrhein wird es zunehmend schwierig, Wahllisten zu füllen und Menschen zum Mitmachen zu motivieren. Wie sieht es bei euch in Osterspai aus? 

Auch bei uns in Osterspai ist es leider so, dass sich immer weniger Menschen kommunalpolitisch engagieren möchten. So haben beispielsweise die Ausschüsse in der aktuellen Amtsperiode aus fast den gleichen Leuten wie dem Gemeinderat bestanden. Zur kommenden Wahl wird es in Osterspai erstmals keine getrennten Gruppierungen mit eigenen Kandidatenlisten mehr geben. Dazu haben sich SPD, CDU und FBL in mehreren gemeinsamen Gesprächen und einer jeweiligen Mitgliederversammlung entschlossen. Was für viele und auch für mich persönlich ein schöner Nebeneffekt ist, ist wie anfangs geschildert, auch den wenigen Interessierten geschuldet. Bereits im jetzigen Rat sind wir weit weg von irgendeiner Parteipolitik und arbeiten, wie ich finde, gut unter dem Motto „Gemeinsam für Osterspai“ zusammen.

Trittst du auch wieder an? 

Mir haben die knapp 3 Jahre bisher sehr viel Spaß gemacht, auch wenn unbestritten eine unfassbare Zeit in ein solches Amt geht. Nicht selten sagen meine Arbeitskollegen, du übst ja noch einen zweiten Vollzeitjob aus. Da ich mit Herzblut an Osterspai hänge und mich einfach gerne für die Belange meiner Gemeinde einsetze, stelle ich mich am 9. Juni. gerne wieder zur Wahl.

Abgesehen vom Titelgewinn für den Langhalsweg: Was wünschst du dir für die nächsten 4 Jahre Osterspai? 

Zum Jahreswechsel 24/25 soll nach vielen Jahrzehnten endlich unser innerörtlicher Radwegeausbau und die Sanierung der B42 beginnen. Sicher eines der größeren Projekte in der Geschichte der Ortsgemeinde, das unseren Ort weiter aufwerten wird. Darüber hinaus freue ich mich, wenn Osterspai weiterhin ein Ort voller Harmonie bleibt, in dem jeder gerne wohnt, lebt oder Urlaub macht. Die Gemeinschaft soll hier immer im Vordergrund stehen.

> Hier geht’s zum Online-Voting „Deutschlands schönster Wanderweg“.

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