Frank Zimmer

Weinbau am Mittelrhein: „Es wird weitergehen“

Weinlage Bacharacher Posten.

Minus 6 Prozent: Für die SPD wäre das schon ein Erfolg, aber hier geht es nicht um Ampelregierung oder Bundestagswahl, sondern den Umsatz mit deutschen Weinen. Mitte der Woche schockte das Deutsche Weininstitut mit einer düsteren Branchenbilanz des Jahres 2024. Auch am Mittelrhein lief es zäh. Der Oberweseler VDP-Winzer Jörg Lanius merkte es Anfang des vergangenen Jahres; damals hätten sich Kunden zurückgehalten, u. a. wegen wirtschaftlicher Unsicherheit oder ganz konkret: wegen ihrer Energiekostenabrechnung. Lanius glaubt an eine konjunkturelle Delle und fühlt sich durch die vergangenen Monate bestätigt: Im zweiten Halbjahr habe sich alles „wieder normalisiert und auch teilweise kompensiert“, sagt er. Auch Jonas Schoeneberger vom Bopparder Weingut Heilig Grab hat 2024 „etwas weniger Wein“ verkauft. Schwankungen sind für ihn nichts Ungewöhnliches – allein schon deshalb, weil er einen Teil seines Weines in der eigenen Gutsgastronomie ausschenkt und jeder Regentag auf den Umsatz drückt. Langfristig macht eher das Angebot Sorge als die Nachfrage: „Wenn alles passt – Wetter, Urlaubszeit, gute Laune – bekommen wir im Tal die Gäste nicht mehr gut versorgt. Die Anzahl der gastronomischen Anbieter ist gefühlt und auch real die letzten Jahre doch sehr rückläufig.“ Schoenenberger will weiter auf Klasse statt Masse setzen, aber Spielraum für Preiserhöhungen siehe er mit Blick auf das regionale Publikum und auf sparsamere Touristen nicht – „auch wenn das für die steigenden Kosten gerade im Steilhang nötig wäre.“ Insgesamt zeigt sich der Chef von Boppards ältester Weinstube gelassen: „Den Weinbau gibt es hier schon so viele Jahre – das wird sicher weitergehen.“ Die familiären Strukturen im Mittelrhein-Weinbau sind in Krisenzeiten von Vorteil, erklärt Weinbaupräsident Heinz-Uwe Fetz aus Dörscheid. Kleinere Weingüter mit schlankem Personalstamm seinen flexibler und steckten schwierige Zeiten besser weg als aufwendig organisierte Großbetriebe. Das funktioniere aber nur, wenn man offen für Veränderungen sei. Die Zukunft des Mittelrhein-Weinbaus sieht Fetz in deutlich sichtbarer Qualität und international konkurrenzfähiger Vermarktung, u. a. durch die Nutzung weinrechtlich neuer Möglichkeiten wie „Großes Gewächs“ oder „Erstes Gewächs“. Allerdings erwartet der Winzer und Verbandschef auch Unterstützung von Staat und Gesellschaft: „Jeder will am Mittelrhein Weinberge sehen, darum kann man die Winzer im Steilhang nicht allein lassen“. Vieles geht ihm zu langsam. Im Fetz-Sound klingt das so: ‚“Krisen sind ja immer auch Chancen, aber man muss ja nicht unbedingt. warten, bis das Kind mit nur noch einem Arm an Brunnenrand hängt.“ Einen noch weiteren Blick in die Zukunft wirft Boppards 4-Sterne-Hotelier Marek Gawel. Der Chef des traditionsreichen „Bellevue“ sieht auf die Weinbranche zukommen, womit Biermarken schon lange klarkommen müssen: Weniger Bedarf an Promille und mehr Sinn für neue Rezepturen. Sein Rat ist: „Arbeiten Sie an alkoholfreien Alternativen.“

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