Frank Zimmer

Ein Schleudersitz in St. Goarshausen

Blick auf St. Goarshausen. Foto: Romantischer Rhein Tourismus / Dominik Ketz

Ein junger Jurist und Unternehmer, der sich als Bürgermeister ehrenamtlich in den Dienst seiner Heimatstadt stellt: Viele mehr kann man sich in einem System nicht wünschen, das seine Stadt- und Ortsbürgermeister nicht professionell bezahlt und ohne Rentner und freigestellte Beamte kaum funktionieren würde. Darum erschien die Kandidatur von Nico Busch im Oktober 2020 als Glücksfall. Über 86 Prozent wählten ihn zum Stadtoberhaupt. Zweieinhalb Jahre später ist das kommunalpolitische Klima gekippt. Laut „RZ“ fordern 11 von 16 Stadtratsmitgliedern öffentlich Buschs Rücktritt. Die Zeitung nennt die Namen Joachim Lipsky, Otto Schamari, Arnd Colonius, Klaus Delicat, Harald Steil, Hermann Christmann, Christian Schütze, Anna Maria Weisbrod, Claudia Weisbrod, Heinz-Peter Mertens und Peter Hoffmann. Sie alle werfen Busch Missmanagement und Intransparenzbei den Veranstaltungen „Rhein in Flammen“ und „Weinwoche“ im September 2022 vor. Dabei soll die Stadt auf ungeplanten 50.000 Euro Kosten sitzengeblieben sein. Es seien Nachfragen kritischer Ratsmitglieder abgeblockt und Akteneinsicht verweigert worden, heißt es. Dem Vernehmen nach war auch Buschs Firma  LSS Security & Eventservice bei „Rhein in Flammen“ im Einsatz. „Wir werden vertröstet, hingehalten, ja sogar belogen“, zitiert die „RZ“ ein Ratsmitglied. Busch bestreitet die Vorwürfe und lehnt einen Rücktritt ab. Theoretisch kann er auch gegen den Willen des Stadtrats weitermachen, denn er ist durch die Direktwahl legitimiert. Praktisch dürfte es sehr schwer werden. Es ist nicht das erste Mal, dass der Bürgermeister von St. Goarshausen an seine Grenzen stößt. Der Feierabend-Job mit einer regulären Aufwandsentschädigung von ca. 1.200 Euro monatlich gilt als besonders zeitaufwendig und schwierig, u. a. weil St. Goarshausen Eigentümerin der Loreley-Bühne ist. In den vergangenen 6 Jahren hat die Stadt 3 Bürgermeister verschlissen, Busch nicht eingerechnet. Rhein-Zeitung (€)
Foto: Dominik Ketz

Bingen korrigiert sich

Nach massivem öffentlichen Protest wird der geplante zweite Radweg in Bingerbrück wohl doch nicht gebaut. Anwohner und Geschäftsleute waren Sturm gelaufen, weil ein breiter Fahrradstreifen entlang der B 9 weitere Parkplätze kosten würde. Tatsächlich klingt die Idee ungewöhnlich, denn es gibt bereits einen Radweg entlang des Rheinufers. Ein zusätzlicher Radweg würde ohnehin am alten Stellwerk enden; Radfahrer müssten ihr Gerät anschließend über die Treppen in Richtung Fluss tragen. Laut „AZ“ wollen sowohl Oberbürgermeister Thomas Feser (CDU) als auch die Binger SPD-Fraktion das Projekt beerdigen. Befürworter wie Bingens grüner Verkehrsdezernent Jens Voll argumentieren, dass der zweite Radweg vor allem für Anwohner und für Fahrten innerhalb Bingerbrücks gedacht ist. Allgemeine Zeitung (€)

Die letzte Meile

Apropos Mobilität. Nach den Stau- und Ampel-Orgien der vergangenen Jahre läuft der Straßenbau auf der rechen Rheinseite im Frühling und Sommer 2023 noch einmal zu Höchstform auf. Besonders krass wird es vor Ostern. Vom 14. März bis zum 6. April ist die Rheinstraße in Rüdesheim gesperrt, also die Hauptverbindung zwischen Mittelrheintal und Rheingau. Hier muss ein Kanal saniert werden. Die gute Nachricht ist: An den Wochenenden darf die Baustelle befahren werden. Gleichzeitig startet der letzte Bauabschnitt zwischen Lorch und Assmannshausen. Das bedeutet Vollsperrung auf der Bundesstraße bis ca. Mitte Juni. Eine Ausnahme gibt es nur für das Motorrad-Wochenende „Magic Bike“ rund um Fronleichnam. Wiesbadener Kurier (€, RÜD) Wiesbadener Kurier (€, B 42)

Foto des Tages

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2 Gedanken zu „Ein Schleudersitz in St. Goarshausen“

  1. Bingen:
    Fahrräder sind nicht nur ein Sport- und Freizeitvehikel – das sind scheinbar Neuigkeiten für einige derer, die sich in Bingen gegen eine innerstädtische Radwegspur stellen. Im Zuge dessen, dass Verkehr, im Rahmen des sinnvoll möglichen, von der Straße auf Schiff, Bahn, Bus, Fahrrad und Fußwege verlagert werden soll, ist es an der Zeit:
    1. Zu erkennen, was das bedeutet.
    2. Zu kommunizieren, wie lenkend in die bestehende Struktur eingegriffen werden soll, um es zu erreichen.
    3. Diese Lenkungsvorgänge umzusetzen.
    Bundesweit liest man häufig von Protesten, wenn lenkend eingegriffen wird indem Autofahrer Privilegien verlieren, ohne, dass sich für andere Verkehrsteilnehmer etwas direkt und significant verbessert (Spritpreiserhöhung etc.). In diesem Fall jedoch ist die Auswirkung klar. Die Verantwortlichen sollten ein Verkehrskonzept präsentieren und die Entscheidungen, die dieses notwendig macht, im Einzelfall dann verteidigen.

    Rüdesheim:
    Kaum wird der Bahnhof wieder angefahren, wird die nächste Bahnhofssperrung angekündigt, wie aus dem zitierten Artikel hervorgeht (nur, dass das in der Zusammenfassung hier nicht erwähnt wird). Immerhin können die Autofahrer sich in den ersten vier Wochen Presberg noch ersparen, wobei: Die andere Baustelle (B42+Radweg) beginnt sogar einen Tag früher und zieht sich voraussichtlich bis in den Juni hinein und damit ist die altbekannte Umleitung über Presberg wieder im Spiel. Mein Mitleid gilt allen, die sich in und um Rüdesheim nicht aus touristischen Gründen bzw. zum heiligen Motorradkreuzzug, sondern aus ganz trivialen Gründen wie Einkauf und Berufspendeln bewegen. Insbesondere gilt es in ihrer Mobilität eingeschränkten Personen, die Fang-den-Bus mit dem Schienenersatzverkehr spielen dürfen.

  2. Hallo Frank,
    in St. Goarshausen ist es wegen seiner besonderen Konstellation mit der Loreley, nicht mit einem Hobbybürgermeister getan !
    Da gehört ein Fachmann/frau hin. Und am besten einer von 500 km weit weg. Und der ganze Stadtrat, der ganze Klüngel gehört ebenfalls ausgetauscht. Aber dann gibts auch das nächste Problem. Woher Leute nehmen, die diesen Job ehrenamtlich machen wollen/können. Die früher mal das Sagen hatten, der Häusener Uradel, gibts fast nicht mehr. Der ganze Ort wird immer lebloser und dümpelt nur noch vor sich hin. Schade.

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