Wer sich in den 80ern über zu viel Lärm auf einem Winzerfest aufregte, hätte sich genauso gut in einer Briten-Disco in El Arenal beschweren können: Niemand hätte es verstanden, schon gar nicht akustisch. Dezibel bis zum Anschlag und noch tief in der Nacht, das gehörte dazu wie niemals leeren Riesling-Gläser. Was man damals normal fand , ist im Zeitalter der „TA Lärm“ unvorstellbar. TA steht für „Technische Anleitung“ und regelt bundesweit und immer ambitionierter, was zu welchem Zeitpunkt zumutbar ist. Bingen ist ein gutes Beispiel. Dort startet am ersten Septemberwochenende das – O-Ton Bingen-Marketing – „längste Winzerfest am Rhein“. Es dauert 11 Tage und bedeutet für die Bewohner der Innenstadt den musikalischen Ausnahmezustand. Es ist leicht, genervte Einheimische als überempfindlich abzutun, aber wer in der Nähe einer Bühne wohnt, schläft und von dort aus am nächsten Morgen zur Arbeit muss, will nachts einfach nur ein Auge zumachen. Auf Druck der Kommunalaufsicht reglementiert das Binger Ordnungsamt diesmal strenger als sonst. Zum Lärmschutzpaket gehört u. a. die „dezentrale Beschallung“ auf dem Bürgermeister-Neff-Platz: Statt einer mächtigen Musikanlage an der Bühne gibt es mehrere Boxen über das Gelände verteilt. Außerdem darf niemand an der Lautstärke herumfummeln, der nicht dazu befugt ist – der Regler bleibt in den Händen der städtischen Touristiker. Und schließlich setzte die Struktur- und Genehmigungsdirektion mit Sitz in Neustadt an der Weinstraße durch, was man selbst in der Binger Stadtverwaltung ein bisschen bedauert: Von Sonntag bis Donnerstag ist um 22 Uhr Ende der Vorstellung. Blaskapellen müssen sogar schon um 20 Uhr die Instrumente einpacken. Freitags und samstags darf bis 23 Uhr 45 gespielt werden. Bingens Bürgermeister Ulrich Mönch hat den undankbaren Job, die Lärm-Vorschriften durchzusetzen. Gelingt das nicht, drohen der Stadt Bußgelder oder sogar ein Winzerfest-Verbot. Allgemeine Zeitung (€), Stadt Bingen (Winzerfest)
Foto: Dominik Ketz
Es ist Zeit für Rüdesheim
Apropos halber Schoppen. Der Weinexperte der „Zeit“, Gero von Randow, empfiehlt in seiner neuesten Kolumne Trinkbares für laue Sommerabende. Der perfekte Absacker kommt demnach aus dem Welterbetal, ein 2020er Riesling des Weinguts Georg Breuer. Randow lobt „elegante Stilistik, ziselierte Säure, Finesse, ein typischer Breuer-Riesling – so darf der Abend enden“. Zeit (€), Gute Weine (Weinhandel)
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