Die heiße Phase des Bopparder Bürgermeister-Wahlkampfs hat zwar noch nicht begonnen, aber im Kommunalparlament liegen schon jetzt die Nerven blank. Am Montagabend platzte eine komplette Stadtratssitzung, nachdem eine hauchdünne Mehrheit aus SPD und Wählervereinigung „Bürger für Boppard“ (BfB) eine Petition von rund 300 Bürgern abgeschmettert hatte. CDU, Grüne, FDP und FWG verließen daraufhin den Saal, die Versammlung war nicht mehr beschlussfähig und musste aufgelöst werden. Die Petition richtete sich gegen Baumaßnahmen in den Bopparder Rheinanlagen. Dort soll ein „Mehrgenerationenpark“ mit Skater-Anlage entstehen. Die Proteste richten sich weniger gegen das Projekt als gegen den Standort. Anwohner befürchten Lärm und eingeschränkte Sicht, Landschaftsschützer wollen das historische Ambiente am Ufer bewahren. Die Gemengelage ist unübersichtlich. Formal dürften SPD-Bürgermeister Walter Bersch und sein Wunsch-Nachfolger Niko Neuser recht haben: Die Petition kam zu spät, weil die Stadt bereits Baufirmen beauftragt hat. Das Thema musste darum nicht mehr behandelt werden.
Allerdings geht es längst nicht mehr um Bäume, Gras und Skater. Was den halben Stadtrat in Rage bringt, ist Berschs Umgang mit Protesten aus der Bevölkerung. Der Langzeit-Bürgermeister (seit 1997) ist ebenso stur wie gerissen, wenn es um die Durchsetzung seiner Agenda geht. Im vergangenen Herbst ließ er am Rheinufer mit der Kettensäge blitzschnell Tatsachen schaffen und den ersten Baum fällen – unmittelbar nachdem das Verwaltungsgericht Koblenz einen Baustopp aus formalen Gründen abgelehnt hatte. Vermutlich sitzt Bersch auch jetzt wieder am längeren Hebel. Am Mittelrhein schätzt man keinen öffentlichen Krach in den Kommunalparlamenten. Das Harmoniebedürfnis der meisten Wähler verträgt gerade noch die diskrete Intrige im Hinterzimmer, aber wer Sitzungen sprengt, gilt als Querulant und schlechter Verlierer.
Die CDU versuchte am Montagabend vergeblich, Bersch mit einem Willy-Brandt-Zitat zu kommen: „Mehr Demokratie wagen“. Tatsächlich gilt in Boppard nicht Brandt, sondern Herbert Wehner: „Wer herausgeht, muss auch wieder hereinkommen.“ Walter Bersch tritt bei der Bürgermeisterwahl am 14. März übrigens nicht mehr an, er wird im April 67 Jahre alt. Seine SPD hat Niko Neuser aufgestellt. Für die CDU kandidiert der Westerwälder Jurist Jörg Haseneier, daneben geht noch Philipp Loringhoven als unabhängiger Kandidat ins Rennen. Rhein-Zeitung, YouTube (Bopparder Stadtratssitzung im Video), Mittelrheingold (Interview mit Umbau-Kritiker Rainer Lahme, November 2020)
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