Frank Zimmer

10 Gründe, warum es am Mittelrhein besser ist

Im Welterbe-Tal läuft zwar nicht alles nach Wunsch, aber vieles besser als man glaubt. Folgendes hat mich im ersten Mittelrheingold-Jahr positiv überrascht:

1. Boppard

Klar kannte ich Boppard. Zumindest war ich tausende Mal dran vorbeigefahren, öfters mal in der Stadt gewesen oder zumindest am Bahnhof. Aber erst eine private Stadtführung durch die serbische Ur-Bopparderin Natascha Mayer und ein sommerliches Abendessen im Hof der Kurfürstlichen Burg haben mir klar gemacht, dass Boppard wirklich die Perle am Rhein ist. Das liegt allein schon dran, dass man in Boppard von der Innenstadt zum Rheinufer spazieren kann, ohne ein Bahnlinie oder eine Bundesstraße überqueren zu müssen. Dazu kommen eine verhältnismäßig intakte Geschäftswelt und natürlich die Bopparder selbst. (Dabei kenne ich Highlights wie den Vierseenblick noch gar nicht, was nach mehreren Jahrzehnten Mittelrhein ziemlich peinlich ist).

2. Bingen

In Bingen ist man als Bacharacher natürlich öfter. Früher kam es mir ein bisschen zu oft vor, denn noch in den 90er Jahren war die Stadt eher zweckmäßig als schön. Fliegerbomben und Nachkriegspolitiker müssen in den 40er, 50er und 60er Jahren einiges kaputtgemacht haben. Nicht nur die Landesgartenschau hat die Stadt verändert und ein Rheinufer geschaffen, von dem Rüdesheim nur träumen kann. Auch im Stadtkern entsteht Neues, zum Beispiel das „Kulturquartier“. Bingen hat das größte Potenzial und einen Oberbürgermeister, der das früh erkannt hat. Wäre Bingen eine Aktie, müsste man jetzt einsteigen. Für eine Stadt dieser Größe hat Bingen außerdem ein ungewöhnlich vielseitiges Kultur- und Veranstaltungsangebot. Gefühlt besteht die Hälfte des Mittelrheingold-Terminkalenders aus Bingen-Events.

3. Der Weinbau wächst wieder

Nach Jahrzehnten des Rückgangs hatte sich auch bei mir die Meinung festgefahren, dass die Weinbaufläche am Mittelrhein immer weiter schrumpft. Dabei stimmt das gar nicht. Von Heinz-Uwe Fetz aus Dörscheid habe ich gelernt, dass der Tiefpunkt längst überwunden ist. Es gibt wieder mehr Weinberge im Ertrag. Das liegt an vielen etablierten Weingütern, aber auch an Newcomern wie Gero Schüler – für mich die Wein-Entdeckung des Jahres. Das Prädikat „Besonders wertvoll für den Mittelrhein-Wein“ verdient außerdem Ex-Weinkönigin und Riesling-Influencerin Sarah Hulten, die Marketing der Extraklasse macht.

4. Welterbe-Wein jetzt auch Supermarkt

Wein aus dem Oberen Mittelrheintal beim Discounter verkaufen? Ja, bitte! Angesehene Winzer aus anderen Regionen machen das auch, und in Luxus-Läden ist Wein vom Mittelrhein auch nicht erhältlich. In München zum Beispiel gibt es ihn weder bei Mövenpick in der Nymphenburger Straße noch bei Feinkost Käfer in der Prinzregentenstraße. Die fehlende Präsenz im Regal ist ein Problem, weil das Tal so nicht die Aufmerksamkeit bekommt, das es verdient. Umso besser, dass der Lorcher Winzer Robert Wurm  dieses Jahr mit dem Discounter Norma ins Geschäft gekommen ist.

5. Die Brücke kann kommen

„Die Brücke“ ist ein quasi-religiöses Thema am Mittelrhein, aber sie gehört trotzdem hierher. Weil sie viel zu lange der Gegenstand von Mythen und Legenden war. Es gibt zum Beispiel immer noch das Gerücht, dass die Unesco sie „verboten“ habe oder dass die „Fähr-Lobby“ sie verhindere. Die Wahrheit ist viel einfacher: Es hat bisher keine Politiker gegeben, die sie bezahlten wollten. Ob sich das ändert, liegt nicht an finsteren Mächten, sondern allein am demokratischen Willen. Wer die Brücke haben will, muss das seinen Abgeordneten sagen. Notfalls auch per Stimmzettel. Es ist nicht einfach, aber es ist möglich.

6. Die Fähren können länger fahren

Ich persönlich liebe die Fähren, aber so wie es jetzt ist, kann es nicht bleiben. Speziell in der Wintersaison ist es abends für Pendler unzumutbar. Das liegt aber nicht an den Fährleuten. Die machen ihren privatwirtschaftlichen Job und können ohne staatliche Förderung nur das leisten, was sich rechnet. Umso wichtiger, dass der Staat endlich in die Infrastruktur investiert und längere Fährzeiten ermöglicht. Anderswo funktioniert das auch. Im kommenden Jahr kommt das Thema zumindest in 2 Landkreisen auf die Tagesordnung. Höchste Zeit, dass es um praktikable Lösungen für die Gegenwart geht und nicht um Verkehrsideologien für das Jahr 2050. Geld sollte da sein, denn:

7. Das Mittelrheintal ist nicht arm

Auch wenn es im Tal an Industrie-Arbeitsplätzen fehlt und es dort mehr junge Familien geben könnte: Der Obere Mittelrhein liegt inmitten einer prosperierenden Wirtschaftsregion, jeder einzelne Landkreis dort weist überdurchschnittlich gute Beschäftigungszahlen auf, und der Rhein-Main-Speckgürtel, Koblenz oder die Gewerbegebiete entlang der A 61 sind in Reichweite. Die Pendelei nervt, aber im Vergleich zu abgehängten Gebieten in Sachsen-Anhalt oder der Westpfalz ist die Situation am Mittelrhein komfortabel.

8. Der Tourismus wächst

Was ich in diesem Jahr auch gelernt habe: Der Tourismus im Rheintal geht ebensowenig zurück wie der Weinbau. Zumindest für das rheinland-pfälzische Rheintal (ohne Bingen) hat das Statistische Landesamt 2018 Monat für Monat mehr Gäste und mehr Übernachtungen als im Vorjahr ausgewiesen. Meistens lag das Wachstum sogar über dem Landesdurchschnitt.

9. Die Buga ist möglich

Anfang des Jahres habe ich zum ersten Mal davon gehört, dass es eine Bundesgartenschau am Mittelrhein geben könnte. Die Idee schien visionär, aber komplett unrealistisch. Wer in aller Welt sollte die vielen unterschiedlichen  Kommunen mit ihren Einzelinteressen für so ein großes gemeinsames Projekt überzeugen können? Irgendwie muss es funktioniert haben, denn die Buga 2029 kommt, und mit ihr ein beispielloses Entwicklungsprogramm bis hin zur Digitalisierung. Man kann von Innenminister Roger Lewentz halten, was man will, aber sein Anspruch ist der richtige: Das Mittelrheintal muss zurück in die Champions League. Kleiner sollten wir uns auch nicht machen. Schließlich haben wir:

10. Die Mittelrheiner

Die Leute im Tal und auf den Höhen engagieren sich in unzähligen Vereinen, Initiativen und Projekten. Ihr Einsatz und ihr Ideenreichtum sind das größte Kapital im Welterbe-Gebiet.

Termine des Tages

Rund um Rüdesheim – Klostersteig-Wanderung mit Wolfgang Blum – 26. Dezember, 11 Uhr 5 ab Geisenheim. blum-wolfgang,de

Boppard – Musikdinner „Im Zauber der Musik“ im Bellevue – 26. Dezember, 18 Uhr 30. boppard.de

Foto des Tages

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