Eigentlich arbeitet Rhein-Hunsrück-Landrat Volker Boch abseits vom Rhein, trotzdem ist er der wichtigste Kommunalpolitiker für das Welterbetal. Das liegt weniger an seinem Amt als Chef der Kreisverwaltung in Simmern als an einer unbezahlten Nebentätigkeit: Boch ist Vorsteher des Zweckverbandes Welterbe Oberes Mittelrheintal, des Zusammenschlusses aller Kreise, Städte und Gemeinden inklusive der beiden Bundesländer Rheinland-Pfalz und Hessen, die ganz oder teilweise im Unesco-Gebiet liegen. Die Organisation mit Sitz in St. Goarshausen ist bedeutend wie nie. Sie hält die Mehrheit an der gemeinnützigen Buga-GmbH und kontrolliert die Organisation der Bundesgartenschau 2029. Boch gilt als Mittelrhein-Enthusiast und darum als der richtige Mann am richtigen Platz. Vor seiner Wahl zum Landrat Anfang 2022 wagte er sich sogar mit einer Idee für eine temporäre Fahrrad- und Fußgänger-Brücke unterhalb der Loreley in die Öffentlichkeit, später forderte er ein „Highlight“ für 2029. Nach über 2 Jahren ist davon wenig zu sehen und zu hören; Boch und die Buga-Macher sind im Mittelrhein-Alltag angekommen. Gleichzeitig wächst die Ungeduld; in Lahnstein warnte die CDU gerade davor, dass die Stimmung kippen könnte. Welche Buga-Vision treibt Boch heute an und wie schätzt er die Stimmung im Tal ein? Im Interview mit Mittelrheingold spricht er über Erwartungen und Möglichkeiten für 2029.
„Die Buga braucht ein Highlight, Eins, das viel Aufmerksamkeit und positive Emotionen erzeugt.“ Kennst du das Zitat?
Das Zitat kenne ich. Es stammt aus einem Artikel der “Rhein-Zeitung”, der im Rahmen eines Gespräches entstanden ist, nachdem ich einige Wochen neu im Amt als Landrat des Rhein-Hunsrück-Kreises war. Wir haben in diesem Interview unter anderem auch über die Bundesgartenschau 2029 als wesentliches Entwicklungsprojekt für die Region gesprochen. Ich habe damals erklärt, dass ich hoffe, dass wir eine positive Bewegung in der Bevölkerung für die Buga auf den Weg bringen können, dass wir eine gute Grundstimmung erzeugen sollten und dass ich davon ausgehe, dass wir für die Buga 2029 ein Highlight gebrauchen können.
Seit dem Interview sind fast eineinhalb Jahre und drei Ideen-Wettbewerbe vergangen. Ist ein Buga-Highlight in Sicht?
In den vergangenen Monaten sind sehr viele positive Impulse entwickelt worden. In der Geschäftsstelle wurden Strukturen aufgebaut, die operative Arbeit läuft auf den verschiedenen Ebenen und es wurden unter anderem drei große Wettbewerbsverfahren für Bacharach, Lahnstein und Rüdesheim auf den Weg gebracht. Letzteres wurde gerade abgeschlossen. Ich bin froh, dass diese Wettbewerbsverfahren gute und sehenswerte Entwürfe für die drei eintrittspflichtigen Bereiche gebracht haben, die nun eine Basis für die Konkretisierung der Planung darstellen. Darüber hinaus wurden für St. Goar und St. Goarshausen sowie für Bingen weitere Entwicklungsflächen erarbeitet, die planerisch in den nächsten Monaten mit Leben erfüllt werden sollen. Insgesamt ist die Bundesgartenschau 2029 aktuell ein dauerndes, positives Gesprächsthema im Tal, sodass ich das Gefühl habe, dass wir zuversichtlich in Richtung 2029 blicken können und dies auch bewusst tun sollten. Es geht bei der Bundesgartenschau 2029 insbesondere auch darum, über das Jahr 2029 und die in diesem Jahr stattfindenden Veranstaltungen hinaus zu schauen. Für das Veranstaltungsjahr denke ich nach wie vor, dass wir ein Highlight, welches die Menschen anzieht, emotional bindet und positiv begeistert, gut gebrauchen können. Nach wie vor gibt es dazu Ideen, für die wir bis 2029 auch noch Zeit zur Umsetzung haben. Und für weitere innovative Gedanken ist es auch nicht zu spät. Nicht alles, was ein Highlight sein kann, muss zugleich ein Bauwerk sein.
Eine nachhaltige Attraktion, wie es in Koblenz mit der Seilbahn möglich war, braucht Zeit, Geld und vermutlich auch viel Toleranz auf Seiten des Landschaftsschutzes. Wie realistisch ist das in den verbleibenden 5 Jahren?
Aktuell werden die Voraussetzungen dafür geschaffen, verschiedene bauliche Investitionen auf den Weg zu bringen. Ich glaube, dass auch jetzt schon das ein oder andere Projekt erkennbar ist, das positiv wirken wird. Parallel zu den Buga-Flächen sind doch bereits heute weitere Entwicklungsbereiche initiiert, als Beispiel möchte ich hier nur die Umgestaltung der Rheinallee in Boppard erwähnen. In die Burg Rheinfels in St. Goar ist viel investiert worden, das Loreley-Plateau hat sich entwickelt, in Oberwesel wird im Bereich der B9 stark in Verbesserungen investiert. Die drei Wettbewerbsverfahren zielen ganz klar darauf ab, Bacharach, Lahnstein und Rüdesheim zu einer großen Entwicklung zu verhelfen. Welche Effekte hierin liegen können, ist nicht nur durch die Buga 2011 in Koblenz belegt, sondern auch durch die Landesgartenschau in Bingen 2008. Inzwischen liegt die Veranstaltung in Bingen bereits 16 Jahre zurück, aber gerade nach einigen Jahren sind die Veränderungen in Bingen doch stark spürbar geworden. Und bei dieser Gartenschau gab es 2008 keine Seilbahn oder eine andere, richtig große Besucherattraktion.
Die Bundesgartenschau plant immer noch mit einem Budget aus der Zeit vor Corona, Wirtschaftskrise und Inflation. Müssen die Länder und Kommunen nachschießen oder gibt es eine Spar-Bundesgartenschau, bei der u. a. die Flächen der Koblenzer Buga und der Landesgartenschau in Bingen reaktiviert werden?
Die Bundesgartenschau 2029 befindet sich aktuell in einer Phase, in der belastbarere Daten erhoben werden können. Denn durch die Wettbewerbe in Bacharach, Lahnstein und Rüdesheim stehen nun beispielsweise erste konkreter zu fassende Rahmenbedingungen fest. Als das Budget für die Buga 2029 vor mehr als sechs Jahren festgelegt und der kommunale Finanzierungsanteil mit einem einstimmigen Beschluss der Verbandsversammlung des Zweckverbandes zudem untermauert wurde, war nicht zu erwarten, welche Folgen insbesondere nach der Corona-Pandemie entstehen könnten. Es ging bei dieser Budgetierung auch nicht um eine „Spar-Buga“, sondern um eine Bundesgartenschau, die wesentliche Impulse für das Mittelrheintal gibt und eine Entwicklung über 2029 hinaus festigt. An diesem Ansatz hat sich, bei allen Kostensteigerungen, grundsätzlich nichts verändert. Dies zeigt sich auch dadurch, dass parallel zu den Buga-Flächen beispielsweise in Bacharach oder auch in St. Goar Förderprojekte angelaufen sind beziehungsweise anlaufen können, die parallel zum Buga-Budget greifen. Außerdem ist es nicht unüblich, dass die Vorbereitungen und Prozesse einer Buga auch korrespondierende Projekte auf kommunaler sowie privater Ebene auslösen, die nicht direkt dem jeweiligen Buga-Budget zuzuordnen sind und dennoch dem Gesamtprojekt dienen. Dies haben auch frühere Gartenschauen schon gezeigt.
Im SWR hat Bingens Oberbürgermeister Thomas Feser öffentlich bezweifelt, dass das Geld reicht. Sehr freundlich klang das nicht. Bekommst du bei den anderen Bürgermeistern im Zweckverband eine ähnlich skeptische Stimmung mit?
Durch das Projekt Bundesgartenschau hat die Region auf Anregung des Landes Rheinland-Pfalz im Jahr 2017 einen positiven Ideenimpuls bekommen, wie wir die Zukunft des Tales positiv beeinflussen können. Ich verstehe angesichts der allgemeinen Baukostenentwicklung grundsätzlich die Skepsis und natürlich stehen wir seitens des Zweckverbandes und der Buga 29 gGmbH in einem engen und konstruktiven Austausch mit dem rheinland-pfälzischen Innenministerium. Ich glaube nach wie vor, dass der Grundgedanke, den Innenminister Roger Lewentz damals in der Landesregierung initiiert hat, richtig und sinnvoll ist. Und aller Skepsis zum Trotz, es hat bereits jetzt verschiedene positive Entwicklungen gegeben. Ich glaube, dass es gerade in Phasen, in denen Herausforderungen erkennbar sind, wichtig ist, nach vorne zu schauen und zu überlegen, wie sich diese Hürden gemeinsam meistern lassen. Mein Eindruck ist, dass der Wunsch insgesamt ungebremst besteht, die Buga 2029 zur Weiterentwicklung der Region zu nutzen. Es ist eine große Chance, die es zu ergreifen gilt.
In manchen Gemeinden gab es wegen der Buga immer schon Gegrummel. Wie motivierst du im Zweckverband Kommunen, die keinen Vorteil für sich sehen?
Solche Einschätzungen, sofern sie wirklich an verschiedenen Stellen im Tal existieren mögen, sind nicht mittelrhein-spezifisch, sondern eine ganz normale Begebenheit. Nicht jeder wird mit Zukunftsvisionen, die sich vom Abstrakten zum Konkreten entwickeln müssen, immer Positives verbinden. Das ist menschlich und bei vielen Themen Realität. Auch über den Welterbetitel wird immer wieder kontrovers diskutiert werden aufgrund von Restriktionen und Vorgaben. Das wird am Wattenmeer genauso sein wie am Mittelrhein. Wir sollten uns aber gerade in der kleinen und feinen Region des Welterbes Oberes Mittelrheintal als Gemeinschaft verstehen und uns zusammen für die positive Entwicklung sowie für den weiteren Erhalt und Schutz des Welterbes einsetzen.
Zur Person: Volker Boch, Jahrgang 1976, ist kommunalpolitischer Quereinsteiger. Er arbeitete viele Jahre als Journalist und war zuletzt Chefreporter bei der „Rhein-Zeitung“. Der gebürtige Simmerner mit Wohnsitz in der Hunsrück-Gemeinde Laubach trat 2022 trat als parteiloser Kandidat zur Landratswahl an und setzte sich mit Unterstützung von SPD und Grünen gegen 2 CDU-Bewerber durch. Rhein-Hunsrück-Kreis (Lebenslauf des Landrates)
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Foto: Artur Lik
Die Bundesgartenschau 2029 bietet eine einmalige Gelegenheit, nicht nur für das Mittelrheintal, sondern auch für die politische Karriere von Volker Boch. Es ist faszinierend zu sehen, wie ein kommunalpolitischer Quereinsteiger mit journalistischem Hintergrund innovative Ideen in die Tat umsetzen will. Die Herausforderung besteht darin, die Begeisterung der lokalen Bevölkerung zu wecken und dabei nachhaltige, touristische und ökonomische Impulse zu generieren.