Das Jahr 2024 werden nicht viele Leute vermissen. Auch am Mittelrhein lief einiges schief. Höchste Zeit für eine kurzen Rückschau und vor allem: den Blick nach vorn.
Foto: Sebastian Reifferscheid / Loreley-Touristk
Was wir 2024 nicht gebraucht hätten
Lahnsteiner Krankenhaus, Heilig-Geist-Hospital Bingen, Koblenzer Brauerei und viele andere größere und kleine Unternehmen: 2024 war auch am Mittelrhein das Jahr der Insolvenzen und Geschäftsschließungen. Firmen gingen pleite, Krankenhäuser gerieten in Not, Apotheken gaben auf und unzählige Handwerksmeister, Ladenbesitzer und Wirte machten wegen Nachwuchs- und Fachkräftemangel dicht. Dass es in anderen Regionen nicht besser aussieht, hilft uns leider nicht weiter. Und es kann noch schlimmer kommen:
Was 2025 noch schwieriger wird
Nicht, dass wir noch eine weitere Krise gebraucht hätten. Aber wie es aussieht, kriegen wir sie trotzdem. Und eigentlich sind wir schon mittendrin. In ganz Deutschland geht die Nachfrage nach Wein zurück – im Handel und im Direktvertrieb ebenso wie in der Gastronomie. Es ist keine konjunkturelle Delle und keine Mode, sondern Ausdruck eines fundamentalen Wandels: Menschen trinken weniger Alkohol und achten mehr auf ihre Gesundheit. Ein Ende dieses Trends ist nicht in Sicht und das Beispiel der Zigarettenindustrie zeigt, was eine starke gesellschaftliche Strömung wegreißen kann. Für die Winzer im Welterbetal ist die Lage besonders heikel. Sie sind durch den hohen Arbeitsaufwand im Steilhang ohnehin benachteiligt und spüren auch den Klimawandel heftiger als ihre hochmechanisierten Kollegen in der Ebene, die Starkregen oder extreme Trockenphasen besser wegstecken können. Weinbau und Mittelrhein-Landschaft sind 2 Seiten derselben Medaille, es geht also alle an. Eine schnelle und einfache Lösung ist nicht in Sicht, darum gibt es vorerst nur eins: Regionale Winzer unterstützen und Mittelrhein-Wein trinken – auch aus Rüdesheim und Lorch (Rheingau), Bingen (Rheinhessen) und Münster-Sarmsheim (Nahe). Es gibt viele Weinbaugebiete, aber nur ein Welterbetal.
Was jetzt besser werden muss
Für die Mittelrhein-Buga war 2024 das härteste Jahr, seit irgendwer auf die Idee kam, zwischen Rüdesheim und Koblenz eine Bundesgartenschau zu veranstalten. Die Kritik an den Organisatoren und vor allem an Buga-Geschäftsführer Sven Stimac ging nicht nur in den sozialen Medien unter die Gürtellinie. Die „Rhein-Zeitung“ zeigte kurz vor Weihnachten, dass beim nach unten offenen Niveau-Limbo auch die klassische Presse mithalten kann. Allerdings hat die Buga GmbH es ihren Gegnern leicht gemacht. Sie hat zu lange zu unklar gesendet und zu wenig zugehört. Viele Botschaften wirken weichgespült, manche unglaubwürdig. Dass etwa das ursprünglich kalkulierte Budget nicht reichen würde, wär spätestens mit dem Inflationsschock 2022 klar. Statt proaktiv in die Öffentlichkeit zu gehen und in einfacher und klarer Sprache das ohnehin unübersehbaren Problem zu erklären, redete man drumherum. „Interpretationsspielräume offen halten“, heißt so etwas. Politiker lieben die ungefähre und ungefährliche Kommunikation, aber bei einem Projekt mit so intensiver Öffentlichkeitsbeteiligung und so hohen Erwartungen wie bei der Buga 2029 muss mehr kommen als Behörden-PR und Content Marketing. Wer so wenig angreifbar sein will wie möglich, macht sich verdächtiger als nötig. Mittelrheiner verzeihen vieles, aber sie wollen gehört und ernst genommen werden. Inszenierte „Grüne-Wiese-neu-denken“-Workshops und marketinggetriebene Frontal-Präsentationen reichen hier nicht aus. Der bizarre Angriff der „RZ“ und die darauf folgenden Debatte kann auch als Chance für einen anderen Kommunikationsstil genutzt werden: Verständlicher, offener, empathischer. Und mit dem Mut, Probleme anzusprechen und eigene Fehler einzugestehen. Das gilt nicht nur für die eigentliche Buga-Organisation, sondern auch für die Instanzen drum herum und eigentlich für alle Rathäuser und Verwaltungen im Mittelrheintal. Man wird ja noch träumen dürfen.
Was Hoffnung macht
Trotz aller Probleme wird im Mittelheintal weiter investiert. Es gibt Geld, es gibt Engagement und es gibt überregionale Aufmerksamkeit. Nicht nur für privatwirtschaftliche Projekte wie z. B. das Binger Erfolgshotel „Papa Rhein“, auch für Infrastruktur, Kultur, Tourismus und sozialen Zusammenhalt. Es wird nie genug sein und es löst nur einen Teil der Probleme, aber trotz knapper Kassen in Berlin, Mainz und Wiesbaden fließen immer noch enorme Summen in die Region. Es wird wohl auch Geld für eine Brücke da sein, so überteuert sie im Verhältnis zur tatsächlichen Nutzung auch sein mag. Kaum eine andere Landschaft in Deutschland löst so viele Emotionen aus – und so viele Fördermittel-Zahlungen. Man kann darüber lächeln oder sich über Irrationalität, Intransparenz und Antragsbürokratie wundern. Aber man kann sich auf das unverändert hohe Interesse am Mittelrheintal verlassen. Und sich sicher sein: Manche Regionen hätten gerne unsere Probleme.
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