Der Rechnungshof des Landes Rheinland-Pfalz kritisiert die beiden große Rathausprojekte am Mittelrhein als zu teuer und überdimensioniert. Über den Neubau der Verbandsgemeindeverwaltung Loreley in St. Goarshausen (Foto) lautet das Urteil: „Die Planung geht über die Zwecke und die Anforderungen eines funktionalen Verwaltungsbaus weit hinaus und entspricht nicht dem Gebot einer wirtschaftlichen, zweckentsprechenden und einfachen Bauplanung und Bauausführung.“ Die Rechnungshof kritisiert u. a. die Ausmaße des künftigen Bürgermeister-Büros. Es umfasst neben dem eigentlichen Dienstraum ein Vorzimmer mit 2 Arbeitsplätzen, eine eigene Teeküche und eine Dusche, insgesamt 63 Quadratmeter. Hinzu komme eine „nur vom Vorzimmer aus begehbare Dachterrasse ist mit 36 Quadratmetern.“ Die Rechnungsprüfer wundern sich außerdem über den Standort direkt am Rheinufer. O-Ton: „Die bewusste Entscheidung für ein Grundstück im Überschwemmungsgebiet sowie die damit verbundenen Anforderungen an die Gründung und die geplante, flutbare Tiefgarage erhöhen die Kosten weiter.“ Laut Behörde kostet das neue VG-Rathaus etwa 9,2 Millionen Euro. Die zukünftigen Bürofläche – insgesamt 1089 Quadratmeter – liegt so deutlich über dem bisherigen Gebäude in der Dolkstraße (774 Quadratmeter), dass die Verbandsgemeinde mit der Aufgabe des Standorts Braubach und der Zentralisierung in St. Goarshausen argumentieren musste. Tatsächlich ist der Rückzug aus Braubach aber noch gar nicht beschlossen. Dort belegt die Verwaltung weitere 486 Quadratmeter. Die Verbandsgemeindeverwaltung bestreitet die Darstellung des Rechnungshofes in mehreren Punkten. So seinen die beanstandeten Flächen für den Bürgermeister deutlich kleiner. Die Dachterrasse etwa sei nur 21,3 Quadratmeter groß und diene diene als „Bedachung des darunterliegenden Raumes, der zum Trauzimmer gehört“, erklärte die VG-Verwaltung auf Anfrage von Mittelrheingold. Auch beim Standort habe man keine Wahl gehabt: „Es gab schlichtweg keine Alternative zum Grundstück“. Noch teurer als der Neubau in St. Goarshausen ist die Sanierung des Verwaltungsgebäudes in Boppard. Das historische Karmelitergebäude neben dem Krankenhaus kostet die Steuerzahler mindestens 18 Millionen Euro und ist nach 6 Jahren immer noch nicht fertig. Auch hier sieht der Rechnungshof „eine Größenordnung erreicht, die – auch unter Berücksichtigung der Belange des Denkmalschutzes – keinesfalls mit dem Grundsatz der Sparsamkeit im Einklang steht.“ Rechnungshof Rheinland-Pfalz (Auszug aus dem Kommunalbericht 2025), YouTube (Video der VG Loreley über den Rathausneubau), Mail (Stellungnahme der VG Loreley)
Foto / Visualisierung: VG Loreley
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Foto des Tages
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Zur Transparenz hier die vollständige Stellungnahme der VG Loreley, die die Verwaltung zur Grundlage der Berichterstattung abgegeben hat:
Sehr geehrter Herr Dr. Zimmer,
selbstverständlich geben wir sehr gerne ein klarstellendes Statement dazu ab, denn die kritischen Punkte des Landesrechnungshofes haben bereits Einklang in die Weiterentwicklung der Planung und Umsetzung gefunden, weshalb sich die Kritik zum heutigen Stand vermutlich erledigt hätte.
Der Rechnungshof wurde seitens der Verbandsgemeindeverwaltung in mehreren Stadien der Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen sowie der Planung des schlussendlich neuen Standorts einbezogen. Das ist eine Besonderheit, bevor die Behörde auch standardmäßig im Rahmen der Zuwendungsbeantragung durch das Ministerium des Innern und für Sport automatisch beteiligt wird.
Die entsprechenden Hinweise des Landesrechnungshofes wurden selbstredend immer wieder in der weiteren Planung berücksichtigt, was sich u. a. gegenüber dem ersten Planungsentwurf heute an veränderten kleineren Fenstern, die nicht mehr bodentief sind, kleineren Glasfassaden und kleineren Raumgrößen zeigt. Die Raumgrößen und Fenster mit Blick auf die Lichtverhältnisse in den Büros orientieren sich an den Vorgaben der Unfallverhütungsvorschriften sowie der Arbeitsstättenverordnung. Auch die Mehrbedarfsflächen wurden dargelegt und vom Zuwendungsgeber anerkannt. So sind die Zahlen des Rechnungshofberichtes im Bericht nicht mehr aktuell, was sich an folgenden Beispielen belegen lässt: Bei der angeblich funktionslosen Dachterrasse handelt es sich um die Bedachung des darunterliegenden Raumes, der zum Trauzimmer gehört, und nicht wie angegeben 36 qm sondern nur 21,3 qm bemisst. Ebenso ist die Zahl von angeblichen 63 qm Bürgermeisterbereich nicht nachvollziehbar. Das Bürgermeisterbüro hat lediglich 27,9 qm. Bei umliegenden Räumen handelt es sich u. a. um ein Aktenlager oder die angeblich überdimensionierte Teeküche mit 2,69 qm. Bei allen Berechnungen, die man anstellen kann, kommt die Verwaltung jedenfalls nicht auf die genannte Fläche.
Da die Verbandsgemeinde Loreley laut Fusionsgesetz ihren Sitz in St. Goarshausen hat, wurden im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung hinsichtlich einer Sanierung oder eines Neubaus sämtliche, jedoch nur noch wenige vorhandene Baulücken und auch Bestandsgrundstücke, die übrigens auch alle im Überschwemmungsgebiet liegen, betrachtet. Es gab schlichtweg keine Alternative zum Grundstück außerhalb des Überschwemmungsbereichs, weshalb die Planung die in diesem Falle die effizienteste und auch gesetzlich vorgeschriebene Lösung berücksichtigt hat, nämlich eine aufgeständerte Bauweise auf ein Niveau über einem 100-jährigen Hochwasser. Da die beiden aktuellen Verwaltungsgebäude in St. Goarshausen tiefer liegen, werden hier in Zukunft nicht nur zwei Gebäude aufgegeben, sondern sogar Folgekosten durch Hochwasserschäden vermieden. Es gibt auch keine „Tiefgarage“ sondern lediglich durch die aufgeständerte Bauweise einen unter dem Gebäude befindlichen Parkplatz.
Eine Forderung des Rechnungshofes selbst war es, eine Bauweise zu wählen, die eine spätere Erweiterung des Neubaus um den Standort Braubach auf dem Grundstück zulässt. Dies wurde selbstverständlich berücksichtigt. Gegen den damaligen Ratschlag der für den Welterbeschutz zuständigen Stellen hat die Verbandsgemeinde bereits vor dem Erlass des verpflichtenden Landesgesetzes, auf öffentlichen Gebäuden PV-Anlagen installieren zu müssen, aufgrund modernster klimaschützender Technik dennoch eine solche geplant. Hiermit kommt sie ihrer öffentlichen Vorbildfunktion u. a. in Effizienz, Klimaschutz und -neutralität mit entsprechender Bauweise und auch beispielsweise einer in Teilen erfolgenden Fassadenbegrünung mehr als nach. Abschließend bleibt hinsichtlich der Kostenentwicklung von 2021 bis 2024 nicht nur der Blick auf das Verwaltungsgebäude alleine in den Fokus zu nehmen, sondern auf die gesamte politische und bauwirtschaftliche Weltentwicklung insgesamt, wo alles teurer geworden ist und ausschließlich darauf basieren die heutigen Zahlen.
Bei weiteren Rückfragen können Sie sich gern an uns wenden.
Muss dem Rechnungshof absolut RECHT geben !
Erinnert mich so ein bisschen an Tebartz- van Elst mit seiner Baumaßnahmen in Limburg
“ Bei der angeblich funktionslosen Dachterrasse handelt es sich um die Bedachung des darunterliegenden Raumes, der zum Trauzimmer gehört, und nicht wie angegeben 36 qm sondern nur 21,3 qm bemisst. “
Dieser Satz fasst die Absurdität der Stellungnahme seitens der Verbandsgemeinde wohl besser zusammen, als alle Informationen des Rechnungshofes.
Der geübte Leser sollte sich bei diesem Zitat nämlich folgendes Fragen:
– Gäbe es somit ohne die Dachterrasse keine Bedachung für das Trauzimmer?
– Ist die Funktion und Berechtigung der Dachterrasse somit primär die eines Daches?
– Rechtfertigt diese Argumentationslinie eine Dachterrasse?
-Wäre es nicht sinnvoller gewesen, an Stelle einer Dachterrasse, welche nur die Funktion einer Bedachung hat, einen Raum zu schaffen, welcher eine Funktion hat? Büro? Größere Teeküche? Mehr Aktenlager? (Obwohl ich in Zeiten der Digitalisierung und Serverstrukturen ein Aktenlager per Se als hinfällig ansehe)
Zumal auf den Satz des Rechnungshofes „nur vom Vorzimmer aus begehbare Dachterrasse ist mit 36 Quadratmetern.“ und die damit verbundene Aussage, dass es sich hier um eine mehr oder minder „private Terrasse“ oder „private Bedachung“ (je nach Interpretation s.o.) des Verbandsbürgermeisters handelt, seitens der Stellungnahme Verbandsgemeinde gar nicht eingegangen wird.
Dient diese Dachterrasse neben der Bedachung also doch vielleicht noch einem weiteren geheimen Zwecke?
Sonnen sich hier zukünftige Generationen an Verbandsbürgermeistern und danken dem jetzigen Verbandsbürgermeister für seinen brillanten Einfall der Bedachungsargumentation und der Gutgläubigkeit der Wählerschaft.
Derweilen Sie, die nächsten Generationen der Verbandsbürgermeister, dann schmunzelnd durch die großzügigen Aktenlager schreiten um sich einen Pfefferminztee in der privaten Teeküche zuzubereiten um dann von Ihrer Dachterrasse den vorbeifahrenden Touristenschiffen (und/oder Hop On/Hop Off Bussen je nach Entwicklung der Klimakrise) zuzuwinken. Welch herrschaftlicher Gedanke.
Aber alles nicht so dramatisch, es hätte für die kommenden Verbandsbürgermeister schlimmer kommen können.
Man hätte ja ein Bestandsgebäude nehmen können (VG Gebäude/Finanzamt (zukünftig)/etc.), dann ohne Dachterrasse.
„Aber das ist doch Überschwemmungsgebiet“ ruft dann sobald die Verbandsgemeinde.
Ok. Ist ein Argument. Aber sollte man dazu vielleicht auch mal Menschen mit Ahnung fragen -Klimaforscher/Statistiker/Rückversicherungen – wie hoch diese ein solches Risiko auf Grund der Klimadatenlage einschätzen?! Und wie sich hier der Kosten-/Nutzenfaktor inkl. aller Variablen verhalten würde. Nur so eine Idee.
Sollte die Risikobewertung dann vorliegen, Achtung noch eine Idee!
Aber wieso dann kein Neubau am alten Verbandsgemeindegebäudestandort oder Ähnliches mit entsprechender Bauweise?
Oder ein offener Diskurs mit der Finanzbehörde bzgl. dessen Standort? (Zum Unmut vieler Bürger überlebte dieses Gebäude jedes Hochwasser …)
Musste es also wirklich ein Neubau an dieser Stelle sein?
Denn hier nun ein Argument, welches Land/Kreis und Verbandsgemeinden seit Jahren lieben, predigen und auch leben sollten: Erhaltung der Stadt- und Ortskerne!
Denn:
Macht es nicht Sinn, dass ein Verbandsgemeindegebäude fußläufig mit Bus/Bahn zu erreichen ist?
Macht es nicht Sinn, dass man in Städten wie St. Goarshausen die Verwaltung im Ort so zentral belässt, so dass Einzelhandel und Gastronomie hier profitieren können?
Macht es nicht Sinn, dass die Zuwegung zur Arbeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln (Bus/Bahn/Fähre) bevorzugt werden sollte, ohne ewiges Umsteigen oder Nutzung von Lastenrädern/Lasteneseln?
Für all diese Argumente (welche Land/Kreis/Kommunen selbst predigen) ist das neue Gebäude ein Schlag ins Gesicht!
Für all die Gastronomen/Einzelhändler/Winzer/etc. welche sich in den Orten engagieren, zu ihren Gemeinden stehen und die Orte nicht aufgeben möchten, ein Schlag ins Gesicht!
Für all die Kämpfe, welche engagierte Bürger zum Erhalt der Gemeinde führen, ein Schlag ins Gesicht!
Man setzt ein Verbandsgemeindegebäude in eine Ortsrandlage, nicht einfach zugänglich über Bahn&Co.
Ausserhalb des Ortes.
Von hier wird kein Mitarbeiter den Weg zum Bäcker suchen.
Von hier wird kein Mitarbeiter zum Frisör gehen.
Von hier wird kein Mitarbeiter das Geburtstagsgeschenk für Tante Luise beim Winzer kaufen, da Tante nur mit ordentlich Riesling zu ertragen ist.
Man wundert sich über all dies.
Es scheint egal zu sein.
Aber es gibt eine Dachterrasse, von welcher zukünftige Generationen von Verbandsbürgermeistern schmunzelnd ihren Tee trinken, während Sie auf den ausgetrockneten Fluss schauen und leise ihr Mantra murmeln „Lieber Mike Weiland, ewiger Dank gelte Dir. Du Erfinder der Funktionsbegrifflichkeit Dachterrasse als Bedachung. Wir preisen Dich.“
Anmerkung des Schreibenden
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers (m/w/d) verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.
Lieber Herr Braun, vielen Dank für Ihren Kommentar. Speziell beim Thema Ortskerne gebe ich Ihnen absolut recht. Ich kann nicht sagen, wie realistisch bzw. wirtschaftlich die Nutzung bestehender Gebäude in GOH gewesen wäre, aber die Kommunen wirklich ALLES dafür tun, um ihre Zentren nicht noch weiter ausbluten zu lassen.