Eigentlich ist Jens Burmeister promovierter Chemiker, aber außerhalb der Labore fasziniert ihn eine besondere Verbindung: Wein, Rhein und Literatur. Er bloggt über Mittelrhein-Wein, schreibt Krimis und hat in der vergangenen Woche einen Reiseführer mit ungewöhnlichen Tipps vorgelegt: „111 Orte, die man am Mittelrhein gesehen haben muss“. In Oberwesel und Lahnstein haben bereits Lesungen stattgefunden. 7 Fragen an den Mann mit dem besonderen Mittelrhein-Blick.
Jens, dein Buch liest sich, als hättest du nie etwas anderes getan, als durch das Mittelrheintal zu streifen. Tatsächlich hast du nie dort gewohnt. Woher das Interesse und das enorme Wissen über Details und besondere Orte?
Oh, vielen Dank für das Lob! Den Anstoß dazu gab tatsächlich der Wein. Nachdem es meine Frau und mich beruflich in den Kölner Raum verschlagen hatte, begannen wir, das Weinanbaugebiet vor unserer Haustür systematisch zu erkunden. Das Geschmacksspektrum der Steillagen-Rieslinge hat mich auf Anhieb fasziniert. Und die Winzer haben meine Fragen geduldig beantwortet. Ich begann, den Mittelrhein-Weinführer zu schreiben, meine ersten Weinbücher folgten. Mehr und mehr lernten wir das Tal auch von seiner touristischen Seite kennen und lieben und haben unzählige Male dort übernachtet. Für den 111er Band sind wir erneut auf Entdeckertour gegangen und haben nach spannenden, eher unbekannten Orten und deren Geschichten gesucht. Viele der Orte, die im Buch vorkommen, kannten wir vor den Recherchen selbst noch nicht.
Aus der Entfernung hat man oft den besseren Überblick. Was hat sich in den vergangenen 10 Jahren in der Region am meisten verändert?
Ich schaue hier wieder vor allem durch die Weinbrille. Die Zahl der Weingüter nimmt kontinuierlich ab und es kommt mehr und mehr zu Konsolidierungen. So bleibt immerhin die Rebfläche weitgehend erhalten und die vergrößerten Weingüter werden wirtschaftlich überlebensfähig. Aber die Vielfalt, die geht verloren. Durch den anstehenden Generationswechsel der Boomer-Generation stehen etliche Weinbaubetriebe vor der Nachfolgefrage, möglicherweise vor dem Aus. Das gilt natürlich genauso für Gastronomie, Hotels und Pensionen.
Welche Entwicklung macht dir Sorgen?
Da schließe ich direkt an die vorherige Antwort an. Ich habe die Sorge, dass Gastronomie, Hotels und Pensionen durch den Generationswechsel so weit ausgedünnt werden, dass ganze Mittelrheindörfer für den Tourismus unattraktiv werden und das Tal seine Vielfalt verliert.
Was erwartest du von der Bundesgartenschau 2029?
Grundsätzlich sehe ich das Konzept der Bundesgartenschau sehr positiv. Hier geht es nicht um Einmalaktionen, sondern um Landschaftsprojekte mit bleibendem Charakter. Das haben die bisherigen Bugas gezeigt. Was mir in diesem Kontext ein wenig Sorgen bereitet, ist, dass viel Geld in einzelne Vorzeigeprojekte fließen könnte, wodurch diejenigen, die nichts aus den Fördertöpfen bekommen, weiter abgehängt würden. Auch die Spaltung des Tals in „oben“ und „unten“ könnte durch die Buga weiter verstärkt werden. Aber ansonsten freue ich mich auf spannende Projekte von Bingen und Rüdesheim bis Koblenz.
Die Buga konzentriert sich auf das Obere Mittelrheintal inklusive Bingen und Rüdesheim, aber dein Buch behandelt das Weinanbaugebiet Mittelrhein zwischen Bacharach und Remagen. Welche Marke ist stärker und für Touristen relevanter – „Mittelrhein“ allgemein oder das Welterbegebiet, in dem sich die Bundesgartenschau abspielt?
Ich definiere den Mittelrhein geologisch, vom Binger Loch bis nach Bonn. Die 111 Orte in unserem Buch liegen in diesem Gebiet. Allerdings mussten wir Bonn, Koblenz und den Rheingau ausnehmen, da bereits entsprechende 111 Orte-Bände vorliegen. Die Marke „Oberes Mittelrheintal“ ist mit Sicherheit stärker als der „Mittelrhein“ – allein weil letzterer Begriff nicht scharf genug definiert ist. Aus der Sicht eines Individualtouristen finde ich die Marken aber nicht so relevant, weil es sowohl im oberen, als auch im unteren Talabschnitt eine Menge zu entdecken gibt.
Wenn du Touristikern im Welterbetal einen Rat geben dürftest – welcher wäre es?
Ich bin weit davon entfernt, Touristikern Tipps geben zu wollen, das ist nun wirklich nicht mein Geschäft. Allerdings habe ich im Laufe der Recherchen zu dem Buch mit vielen Tourist-Informationen im Tal gesprochen. Da waren hilfreiche und sehr gute Gespräche dabei. Oftmals aber – und das war schon auffällig – hat man sich darauf beschränkt, mir touristische Marken anzubieten, anstatt gemeinsam zu überlegen,
welche Orte hinter den Kulissen die Entdeckung lohnen. Ich glaube, dass man sich mit dieser Haltung keinen Gefallen tut und ich denke weiterhin, dass man so an den Interessen zumindest des hochwertigen Individualtourismus vorbeidenkt.
In deinem Buch haben 111 Orte Platz, aber wahrscheinlich sind dir noch mehr eingefallen. Was sind Jens Burmeisters Bonus Tracks?
Es gibt in der Tat viele Orte, die einen Platz im Buch verdient gehabt hätten. Das Zuckerstübbche in Manubach zum Beispiel, das Puppen- und Bärenmuseum in St. Goar, das Weingut Marco Hofmann in Steeg oder der Niederdollendorfer Heisterberg mit seinen historischen Rebsorten. Letzterer aber liegt im Siebengebirge, das ging ja leider nicht … Das sind jedenfalls ein paar echte Bonus-Tracks.
Foto: Karin Achilles
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