Frank Zimmer

Hohenzollern-Deal: „Der Vergleich ist voreilig und unüberlegt“

Die höchste Burgendichte der Welt täuscht darüber hinweg, dass das Obere Mittelrheintal eine fast adelsfreie Zone ist. Die französische Revolution vertrieb die Aristokratie, das napoleonische Code Civil sorgte für Gleichheit vor dem Gesetz, und es gibt schon lange keinen uradligen Großgrundbesitz mehr. Auch die Freiherren von Preuschen aus Osterspai stammen nicht von Rittern, sondern einem bürgerliche Beamten namens Georg Preusch ab, der Ende des 18. Jahrhunderts geadelt wurde und sich einen romanhaft klingenden Namen zulegen durfte: „Preuschen von und zu Liebenstein“. Spätestens seit dem Ende der Monarchie 1918 war das Rheinland so republikanisch und bürgerlich wie eine Hansestadt.

In St. Goar reden jetzt trotzdem wieder Blaublüter mit: Die frühere Kaiserdynastie Hohenzollern darf für mindestens 77 Jahre mindestens ein Fünftel der Eintrittsgelder von Burg Rheinfels für eine Stiftung abzweigen, die von ihr kontrolliert wird. So hat es am Dienstagabend die Mehrheit des Stadtrates auf Vorschlag von Bürgermeister Falko Hönisch beschlossen, der auch als Urheber der Idee gilt und laut „RZ“ im Februar „eine feierliche Veranstaltung“ zur Vertragsunterzeichnung plant. Der Stadtrat argumentiert, dass die von den Hohenzollern beanspruchte Burg damit endgültig im Besitz der Stadt sei. Allerdings ist fraglich, ob der „Chef des Hauses“ Georg Friedrich Prinz von Preußen auch nur den Hauch einer Chance gehabt hätte, nachdem er in erster Instanz krachend gescheitert war. Die Landesregierung in Mainz hatte 2019 klargestellt, dass sie keinen Anlass für Zugeständnisse und Vergleichsverhandlungen sehe. Sie wollte es durchziehen.  Bürgermeister Falko Hönisch hatte einen anderen Plan. Im Stadtrat hat sich u. a. Kerstin Arend-Langenbach von der CDU dagegen ausgesprochen. Arend-Langenbach ist im eigentlichen Beruf Finanzchefin eines mittelständischen Unternehmens. Sie ist es gewohnt, Zahlen und Fakten genau zu prüfen, ehe sie eine Entscheidung trifft. Ich habe sie um ihre Einschätzung gebeten.

Burg Rheinfels gehört der Stadt St. Goar. Foto: Romantischer Rhein Tourismus / Friedrich Gier
Burg Rheinfels gehört der Stadt St. Goar. Foto: Romantischer Rhein Tourismus / Friedrich Gier

Kerstin, du hast im Stadtrat von St. Goar gegen den Vergleich mit dem Prinzen von Preußen gestimmt. Warum?

Ich halte diesen Vergleich für voreilig und unüberlegt. Eile und Zeitdruck sind schlechte Berater. Nachdem im ersten Prozess am Landgericht ein Erfolg erreicht wurde, steht erst im April die Berufungsverhandlung an. Also Zeit genug, um in aller Ruhe zu prüfen, ob man tatsächlich einen Vergleich im Vorfeld schließen möchte und wenn ja, zu welchen Bedingungen.

Deshalb haben wir Vertagung im Stadtrat und Beratung in den betroffenen Ausschüssen der Stadt beantragt. Wir wollten zunächst mehr Informationen, um sorgfältig Chancen und Nachteile abzuwägen. Dabei hätten wir neben der Prüfung der rechtlichen und steuerrelevanten Aspekte vor allem gern die Meinung unseres Prozessbevollmächtigten gehört. Zumal in der Präambel des Vergleichsentwurfs nochmals darauf hingewiesen wurde, dass die anderen Beklagten im Prozess gute Aussichten sehen, dass die Berufung zurückgewiesen werden könnte.

Leider war unser Antrag, dem auch die FDP folgte, ohne Erfolg. Die SPD hat uns überstimmt und entschieden, dass der Stadtbürgermeister den Inhalt
des Vertrags mit Auswirkungen auf die nächsten Generationen unterzeichnen darf.

Der nun verabschiedete Vergleich läuft bis zum Ende des Erbbaupachtvertrags über 77 Jahre, also fast bis zum Ende dieses Jahrhunderts. Solange hat sich die Stadt nun verpflichtet, dass die Hohenzollern jeden unserer Burgbesucher abkassieren dürfen. Zunächst wird eine Erhöhung von 20 Prozent je Besucher fällig, alle 5 Jahre wird das Recht gewährt, diesen Aufschlag auf Angemessenheit zu überprüfen und anzupassen.

Das Geld, dass wir künftig ohne geklärte Rechtsanspruchsgrundlage an die Hohenzollern abführen werden, soll der Stiftung Prinzessin Kira von Preußen zukommen, die dann künftig entscheiden kann, wie das Geld verwendet wird.

Laut Vertrag soll das Geld für die Zwecke der Kinder und Jugendarbeit in und aus St. Goar, sowie zur Förderung von Kunst und Kultur verwendet werden. Leider ohne dass den Menschen vor Ort oder den städtischen Gremien eine Mitspracherecht im Vertrag eingeräumt wird. Das ist für mich nicht hinnehmbar.

Schon gar nicht, wenn man einen Blick in den Vermögensnachweis der Stiftung wirft. In den letzten beiden Jahren wurden weniger als 50 Prozent der Einnahmen für satzungsgemäße Leistungen verwendet. Aus all diesen Gründe hätte ich mir eine sorgfältigere Prüfung gewünscht, die Zeit für Nachfragen und Recherchen gelassen hätte.

Ganz nebenbei muss die Stadt auf der Burg den Hohenzollern nun auch noch die große Bühne für eine repräsentative Ausstellung bieten und die entstandenen Anwalts- und anteiligen Gerichtskosten übernehmen.

Wenn die Hohenzollern-Stiftung an den Eintrittsgeldern beteiligt wird: Welche Summe kommt pro Jahr ungefähr zusammen?

Diese Frage haben wir dem Bürgermeister auch gestellt, leider aber keine konkrete Antwort erhalten. Nach meiner Schätzung dürfte es sich um ca. 50.000-80.000 Euro handeln. Vor allem, weil damit zu rechnen ist, dass ab dem nächsten Jahr durch die Wiedereröffnung unserer Jugendherberge die Besucherzahlen wieder steigen werden.

Von wem stammt die Idee mit der Stiftung?

Laut persönlicher Erklärung des Stadtbürgermeisters im Stadtrat war der Vergleich keine Idee des Prinzen. Er selbst habe von der Stiftung gehört und deshalb vorgeschlagen, dass die Stadt kein Geld in die Hand nehmen würde, um die Burg zu kaufen, er sich aber vorstellen könnte, diese Stiftung zu unterstützen.

Juristisch scheint der Fall jetzt abgeschlossen. Gibt es ein moralisches Recht der Hohenzollern an die Burg?

Ich persönlich sehe keine moralische Verpflichtung, den Hohenzollern die Burg Rheinfels zu überlassen. Die Rheinfels ist das imposanteste Wahrzeichen unserer Stadt und Ihrer Bürger. Fast 100 Jahre hatte die Familie kein Interesse an Burg Rheinfels. Engagierte Bürger unserer Stadt  haben gemeinsam mit Stadt, Land und Bund die Burg wieder zu dem gemacht, was sie heute ist. Burg Rheinfels gehört den St. Goarern Bürgern!

 

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Malerisch liegt die Burg Rheinfels im Mittelrheintal – jetzt steht fest, dass das Denkmal in kommunalem Besitz bleibt. Die Erleichterung in St. Goar ist groß. Zunächst hatte sie ein Nachfahre des letzten deutschen Kaisers, Georg Friedrich Prinz von Preußen, zurückgefordert. Es gab eine außergerichtliche Einigung. Demnach erkennt das Haus Hohenzollern die Eigentumsrechte der Stadt an der Burg an. St. Goar werde künftig eng mit einer Hohenzollern-Stiftung zusammenarbeiten, die sozial benachteiligte Jugendliche fördert. . . . .#rheinfels #rheinfelscastle #rhein #hohenzollern #burg #burgen #medievalarchitecture ##mittelalter #rheinhunsrück #historical #denkmal #landscape #rheinlandpfalz #stgoar #swr #swraktuell

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Geschichten der Woche

1. Es gibt kein Geld auf der Loreley

Seit Jahren streiten sich die Stadt St. Goarshausen und der Pächter der Loreley-Bühne um ausstehende Zahlungen. Laut „RZ“ ist eine neue Eskalationsstufe erreicht: Der 1. Beigeordnete Heinz-Peter Mertens droht mit außerordentlicher Kündigung und Räumungsklage zum 30. November diesen Jahres. Mertens vertritt den erkrankten Bürgermeister Matthias Pflugradt, der sich um Vermittlung bemüht hatte. Der Vertrag der Stadt mit der „Loreley Venue GmbH“ unter Geschäftsführer Ulrich Lautenschläger läuft noch bis 2030. Offenbar hat das Berliner Unternehmen   seit 3 Jahren nicht mehr bezahlt. Der Konzertveranstalter argumentiert mit Bau-Mängeln und aufwendiger Eigenleistung auf dem Plateau. Rhein-Zeitung, Mittelrheingold (7 Fragen an Ulrich Lautenschläger, Mai 2019)

2. „Papa Rhein“ kommt im August

Das Binger Großhotel „Papa Rhein“ öffnet nach rekordverdächtig kurzer Bauzeit noch in diesem Sommer. Beim Richtfest wurde der Termin 28. August genannt. „Papa Rhein“ soll die Binger Hotel-Misere beenden und für die dringend benötigten Betten sorgen. Das Design-Hotel mit Rüdesheim-Blick umfasst 114 Zimmer und Suiten. Allgemeine Zeitung

3.  Die Luxus-Mühle von Lahnstein

Die „Löhnberger Mühle“ am Lahnsteiner Rheinufer gehört zu den markantesten Industriedenkmälern am Mittelrhein. Laut „RZ“ könnte der neoklassizistische Bau aus der Kaiserzeit saniert und als Standort für Luxuswohnungen und ein Hotel dienen. Der baden-württembergische Investor Activ Group wolle rund 70 Millionen Euro in die Hand nehmen, heißt es. Vorher muss allerdings noch ein Geruchsproblem gelöst werden: Das müffelnde Tanklager für Bitumen nebenan. Rhein-Zeitung

4. Ein Bornhofer Mädchen bei Bohlen

Deutschlands nächster Superstar könnte vom Mittelrhein kommen: Die Kamp-Bornhofer Hotelierstochter Paulina Wagner hat die „DSDS“-Jury um Dieter Bohlen überzeugt und ist weiter im Rennen.  Auf YouTube hat „RZ“.Redakteur Michael Defranceso ein Interview mit ihr veröffentlicht. Paulina Wagner ist 22 und studiert Journalismus in Köln. Rhein-Zeitung, YouTube (Video)

Ein Blick auf die Buga 2029

Im November wurde der parteilose Post-Manager Klaus Zapp überraschend zum Bürgermeister von Rüdesheim gewählt; jetzt hat er sein Amt angetreten. Unter seinem Vorgänger Volker Mosler galt die Stadt als heillos zerstritten und wenig effektiv. Zapp traut man u .a. zu, neue Ideen für die Bundesgartenschau 2029 auf die Straße zu bringen. Der hessische Welterbe-Beauftragte Karl Ottes freut sich schon auf die Zusammenarbeit: „Ich habe einen guten Eindruck von Ihnen“, zitiert ihn der „Wiesbadener Kurier“.

Video der Woche

Die Bopparder Wertholzversteigerung ist das Sotheby’s der Forstbranche. Hier kommt kein Ikea-Holz zum Verkauf, sondern das Beste, was die Wälder rund um den Mittelrhein hergeben. Generationen von Förstern haben die Bäume bis zu 200 Jahre lang gepflegt. Im SWR-Video erklärt Revierchef Johannes Nass die Besonderheiten. swr.de 

Zahl der Woche

Bingens Schuldenstand steigt und steigt und wird Ende des Jahrs rind 60 Millionen Euro erreichen. Der Stadt fehlt so viel Gewerbesteuer, dass die Aufsichtsbehörden jetzt ganz genau hinschauen. Das geplante Hildegard-von-Bingen -Zentrum in der „Würth’schen Villa“ in Bingerbrück ist ohne private Sponsoren illusorisch. Allgemeine Zeitung

Termine der Woche

Freitag in Dörscheid – „Pasta und Meer“ / Kochkurs im „Fetz“ – 31. Januar, 14 Uhr 30. loreley-touristik.de

Freitag in Oberwesel – Kino im Kulturhaus – 31. Januar, 19 Uhr (Einlass). oberwesel.de

Samstag in Bingen – „Die rote Linie – Widerstand im Hambacher Forst  – 1. Februar, 19 Uhr. bingen.de

Samstag in Bacharach – Klavierkonzert mit Christoph Soldan / Bacharacher Meister-Konzert – 1. Februar, 19 Uhr 30. rhein-nahe-touristik.de

Sonntag in Rüdesheim – Klostersteig-Wanderung mit Wolfgang Blum – 2. Februar, 10 Uhr 15. ruedesheim.de

Sonntag in Bingen – Öffentliche Führung zum „Binger Ärztebesteck“ – 2. Februar, 11 Uhr 15. bingen.de

Sonntag in Boppard – Nik Bärtsch – Klavierkonzert zur Eröffnung der Ausstellung „From Darkness into Silence“ – 2. Februar, 17 Uhr. museum-boppard.de

Montag in Bingerbrück – „Hildegard von Bingen historisch“ / Vortrag von Dr. Achim Geisthardt – 3. Februar, 19 Uhr. bingen.de

Dienstag in Bingen – Rocketman im Programmkino KiKuBi –  4. Februar, 17 Uhr 15 und 20 Uhr 15. bingen.de

Mittwoch in Bingen – Rocketman im Programmkino KiKuBi –  5. Februar, 20 Uhr 15. bingen.de

Donnerstag in Bingen – „The Guards“ / Spätschicht in der „Alten Wache“ – 6. Februar, 19 Uhr 30. bingen.de

Donnerstag in Lahnstein – „Tschik“ im Theater Lahnstein – 6. Februar, 20 Uhr. lahnstein.de

Freitag in St. Goar – „Sherlock Holmes und der Fluch der Ashtonburrys“ / Krimi-Dinner auf Burg Rheinfels- 7. Februar, 19 Uhr. st-goar.de

Freitag in Bingen – Rocketman im Programmkino KiKuBi –  7. Februar, 19 Uhr 30. bingen.de

Freitag in Lahnstein – „Tschik“ im Theater Lahnstein – 7. Februar, 20 Uhr. lahnstein.de

Foto der Woche

Das Beste zum Schluss

„Sonnenterrasse des Wispertals“ nennt sich der Lorcher Höhenort Espenschied. Das Dörfchen im grünen Nirgendwo zwischen Taunus und Rheingau gehört zu den entlegenste Vorposten des Oberen Mittelrheintals. Wein wächst dort nicht mehr, dafür aber Obstbäume auf Apfel-, Birnen- und Pflaumenbäumen auf Streuobstwiesen. Eine kleine Bürgerinitiative kümmert sich darum, dass es so bleibt. Wiesbadener Kurier

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